Warum Bauern aus der Region in Berlin protestieren
Bauern aus der Region sind mit ihren Treckern Richtung Berlin aufgebrochen. In der Bundeshauptstadt wollen sie gegen den Entwurf des Insektenschutzgesetzes protestieren. Das soll am Mittwoch vom Kabinett auf den parlamentarischen Weg gebracht werden.

Etwa drei Dutzend blinkende und plakatierte Traktoren samt ihrer Fahrer finden sich Montagmorgen an der B27 bei Lauffen zusammen. Sie bilden das Spalier für zunächst acht Landwirtschaftsfahrzeuge, die sich von Lauffen aus in Richtung der Bundeshauptstadt Berlin auf den Weg machen. Aus dem Weinsberger Tal, Öhringen und anderen Landesteilen stoßen weitere Branchenvertreter mit ihren Fahrzeugen hinzu. An den Traktoren sind Plakate montiert mit Aussagen wie "600 Kilometer für meine Zukunft", "Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber wissen alles besser!" "Spätzla on Soß geits nur mit Os!".
Anlass der Protestfahrt ist der anstehende Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zum Insektenschutz in der Landwirtschaft. Diesen Mittwoch wollen die Regierungsvertreter den Entwurf einer neuen Verordnung aus dem Hause der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf den parlamentarischen Weg bringen. Darin soll unter anderem geregelt werden, dass in geschützten Gebieten keine Pflanzenschutzpräparate mehr ausgebracht werden dürfen.
Knapp 100.000 Hektar sind FFH-Gebiet
Nach Informationen des Bauernverbands unterliegen in Baden-Württemberg knapp zwölf Prozent der Fläche allein der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH). Das entspricht rund 429.000 Hektar. Davon werden 99.700 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Die Bauern befürchten durch die Neuregelung weitere Restriktionen und eine Wettbewerbsverzerrung im internationalen Vergleich. Organisiert wird der bundesweite Bauernprotest von dem Gothaer Schäfer Alf Schmidt, mit Unterstützung der Gruppierungen "Land schafft Verbindung (LsV) und "Freie Bauern".
Falls das neue Insektenschutzgesetz gemeinsam mit der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung wie im vorliegenden Entwurf beschlossen würde, erwarten die betroffenen Landwirtschafts-Betriebe massive Ernteschäden und damit Einbußen. Besonders betroffen wären Obst- und Weinbaubetriebe in FFH-Gebieten, wie dem Strombergmassiv. "Eine Umstellung auf ökologischen Landbau per Gesetz würde den Markt sprengen", ist der Geschäftsführer des Bauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg, Jan Schwarting, überzeugt. "Viele wollen es ja, aber nicht alle auf einen Schlag."
Mühsam errungener Kompromiss droht gekippt zu werden
Da ein Bundesgesetz der Landesgesetzgebung übergeordnet ist, seien die mühsam erlangten Kompromisse zur Steigerung der Biodiversität, wie sie im Juli vorigen Jahres in Baden-Württemberg beschlossen wurden, hinfällig. Bis 2030 soll demnach der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um mindestens 40 Prozent gesenkt und der Umfang des ökologischen Landbaus auf mindestens 30 Prozent gesteigert werden. Helmut Reiner-Saal, Landwirt aus Hausen an der Zaber, zählt als LsV-Mitglied zu den Berlin-Fahrern. Er sorgt sich nicht nur wegen der drohenden neuen Regelungen zum Insektenschutz um die Zukunft der Branche. Niedrige Erzeugerpreise, teure Tierwohl-Maßnahmen, wegbrechende Exporte, Klimawandel, dazu Wettbewerbsnachteile etwa durch unterschiedliche Dünge- und Pflanzenschutzpraktiken weltweit geben ihm Anlass zur Sorge: "Viele Unternehmen stehen mit den Rücken zur Wand."
Sein Hof werde in "mindestens vierter Generation" geführt, so der Hausener. "Wir haben ein ureigenes Interesse, unsere Böden gesund zu halten." Seine Kinder würden sich für eine Fortführung des Hofes interessieren. "Aber ich kann ihnen dazu im Moment nicht raten." Auch Heinrich Gerald, Landwirt aus Büttelbronn, fährt nach Berlin, und zwar mit dem Auto. "Am Dienstag möchte ich pünktlich an einer Kundgebung teilnehmen." Seit 26. Januar halten Landwirte aus dem gesamten Bundesgebiet auf dem Alexanderplatz eine Dauermahnwache - mit tagesaktuellen Einzelaktionen.