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Vor 35 Jahren schreckt das Heilbronner Pershing-Unglück die Welt auf

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Dieser Samstag, 11. Januar, ist der 35. Jahrestag des Pershing-Unglücks auf der Heilbronner Waldheide. Der letzte Army-Bauzeuge wird bald abgerissen. Die Stadt plant ein neues Gedenkkonzept.

Fotografieren war damals verboten. Das historische Bilddokument zeigt Trümmer des Pershing-Unglücks von 1985. Der Wachturm wurde wie die anderen Festungsanlagen in den 1990er Jahren abgerissen − bis auf einen Hangar.
Foto: Archiv/Norbert Försterling
Fotografieren war damals verboten. Das historische Bilddokument zeigt Trümmer des Pershing-Unglücks von 1985. Der Wachturm wurde wie die anderen Festungsanlagen in den 1990er Jahren abgerissen − bis auf einen Hangar. Foto: Archiv/Norbert Försterling

Es war ein Freitag und es war bitterkalt. Am 11. Januar 1985, kurz nach 14 Uhr, explodiert auf der Waldheide das Triebwerk einer Pershing-II-Atomrakete. Drei Soldaten sind auf der Stelle tot, 16 weitere werden teils schwer verletzt.

Über dem Stadtwald hängt eine dunkle Rauchwolke. Die Verunsicherung ist groß, weit über Heilbronn hinaus machen sich die Menschen Sorgen. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Nato und Warschauer Pakt steht Heilbronn plötzlich im Brennpunkt der Weltöffentlichkeit, bald wird die Stadt zu einem Zentrum der Friedensbewegung.

Der Hangar dient als Schafstall. Im Sommer weicht er einem Neubau.
Foto: Berger
Der Hangar dient als Schafstall. Im Sommer weicht er einem Neubau. Foto: Berger

Auf Spurensuche im Stadtwald

35 Jahre später nähern wir uns an einem trüben Januartag dem Unglücksort. Über die verlängerte Jägerhausstraße, vorbei an einem grünen Holzkreuz und dem maroden Ex-Awo-Waldheim, ist die Waldheide leicht zu erreichen. Es gibt sogar eine Bushaltestelle. "Waldheidestraße" steht auf dem aus Holz gefertigten provisorischen Straßenschild neben einer Schranke. Vorbei an einem vermoosten Stromhäuschen sticht ein Schild mit spielenden Kindern ins Auge "Waldkindergarten" steht darunter, und "Hunde bitte an der Leine führen". Schon zeichnet sich rechts hinter lichtem Gebüsch ein Gebäude ab. Einige Zettel weisen es als Schafstall aus.

Schriftfragmente wie "No smoking" und "Exit" zeugen von der ursprünglichen Nutzung als Hubschrauberhangar. Der Vorplatz geht in einen Trampelpfad über. Eine Baumreihe und ein Fahnenmast weisen den Weg, den Weg zur Unglücksstelle des 11. Januar 1985. Dann stehen wir vor einem Natursteinbrocken, eine Art Grabstein. John Leach, Todd A. Zephir und Darryl L. Shirley steht auf einem Messingschild. Und: Lest we forget. Damit wir nicht vergessen.

Gedenkfeier an Gedenkstein

"Damit wir nicht vergessen" lädt am 11. Januar seit Jahren eine Reservistenkameradschaft der US-Army zur Gedenkfeier. 2020 wird sie vom Heilbronner Friedensrat ausgerichtet: um 12 Uhr. Im Vorfeld erinnern sich viele nicht nur an das denkwürdige Pershing-Unglück, sondern auch an eine Debatte, die 2018 in Gang kam. Sang- und klanglos wollte das Rathaus den alten US-Hangar abreißen, den letzten baulichen Zeugen aus Army-Tagen.


Doch auf Initiative von SPD und Grünen verständigten sich Gemeinderat und Stadtverwaltung auf folgende Lösung: Der Hangar wird zwar abgerissen und für 250.000 Euro durch einen neuen Schafstall ersetzt, weil eine Sanierung zu teuer gekommen wäre. Gleichzeitig werden aber Teile erhalten und in ein auf 20.000 Euro veranschlagtes, dezentrales Gedenkkonzept integriert werden, das die gesamte Historie des 55-Hektar-Areals umfasst.

Wie Rathaussprecherin Claudia Küpper auf Stimme-Anfrage erklärt, hätten sich die Bauarbeiten wegen personeller Engpässe im Hochbauamt verzögert, seien aber nun für Mitte 2020 vorgesehen. Zuvor werde das Stadtarchiv im Frühjahr zu einem Bürgerworkshop laden, in dem die Konzeptidee konkretisiert werde.

Neues Gedenkkonzept mit QR-Codes

Ein erster Entwurf sieht Tafeln mit Texten und Bildern vor, aber auch QR-Codes oder Telefonnummern, über die per Handy vertiefende Infos abgerufen werden können, auch Video- oder Audio-Beiträge: vom Exerzierplatz des württembergischen Infanterieregiments 122 zu frühen Flugversuchen und späteren Flugschauen, dem Truppenübungsplatz der Nachkriegszeit, Pershing-Standort, Zentrum der Friedensbewegung - bis zur heutigen Nutzung als Schafweide, Naturschutz- und Naherholungsgebiet. Bestehende Gedenkorte sollen ins neue Konzept integriert werden: die Betonstele am Eingang Donnbronner Straße und der Naturstein zum Pershing-Unfall hinter dem - dann neuen - Schafstall.

 
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