Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart plant Tarifreform
Von der geplanten VVS-Reform würden auch Nutzer aus der Region profitieren. Entscheidet sich Lauffen für Mitgliedschaft in zwei Verbünden?
Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) plant die größte Tarifreform seiner Geschichte. Viele Tickets würden günstiger. Davon könnten Pendler aus dem Raum Heilbronn profitieren. In Lauffen dürfte die Diskussion über eine Zugehörigkeit zum VVS aufflammen. Das hätte Auswirkungen auf Pendlerströme im Zabergäu und im südlichen Landkreis Heilbronn.
Deutliche Ersparnis möglich
Immerhin 1,20 Euro bei jeder Fahrt oder 24 Euro beim Monatsticket: So viel könnte ein Pendler zwischen Bönnigheim oder Kirchheim am Neckar (beide Landkreis Ludwigsburg) und dem Stuttgarter Hauptbahnhof sparen, wenn die Tarifreform wie geplant umgesetzt wird. Der VVS Aufsichtsrat will das komplizierte Gebilde aus 52 Zonen rund um Stuttgart zu fünf Ringen eindampfen.
Die Stuttgarter Innenstadtzonen 10 und 20 wären nur noch eine - mit entsprechender Ersparnis für alle Beteiligten. Noch geht es aber um die Finanzierung. Gerechnet wird mit fünf Millionen zusätzlichen Fahrgästen. Wegen der günstigeren Tickets bliebe auch dann ein Defizit von jährlich 42 Millionen Euro über das das Land, die beteiligten Landkreise, Stadt Stuttgart und der Regionalverband jetzt verhandeln. "Viele Kunden würden auch preislich davon profitieren", wird Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) zitiert. Mitte 2019 könnte die Reform greifen.
Tausende Stuttgart-Pendler aus dem Raum Heilbronn
Doch was hätte der Raum Heilbronn davon? "Das Gesamtsystem würde attraktiver", begrüßt Gerhard Gross die Reformpläne. Der Geschäftsführer der Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehrgesellschaft (HNV) sieht Vorteile für Pendler aus der Region. Die seien in der Regel mit zwei Verbundtickets unterwegs, wenn sie etwa aus einem Heilbronner Stadtteil nach Stuttgart pendelten. Für sie würde das Komplettpaket günstiger.
Verteilung der Pendler nach Stuttgart
Quelle: Statistisches Landesamt 2015
Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamts zieht es 6062 Berufspendler aus Stadt und Landkreis Heilbronn täglich nach Stuttgart. Für 9178 Pendler, die hier wohnen, liegt das Ziel im Landkreis Ludwigsburg. Viele Tausend nehmen jeweils die umgekehrte Richtung. Aus dem Hohenlohekreis pendeln fast 900 Berufstätige nach Stuttgart.
Kirchheim ist bislang Grenzbahnhof
Wie sie pendeln, darüber sagt die Statistik nichts aus. Ein nicht geringer Teil zumindest fährt mit dem Auto zum Bahnhof Kirchheim am Neckar, dem Außenposten des VVS-Netzes aus Heilbronner Perspektive, und dann weiter mit Bahn und Bus. Das zeigt sich am kostenpflichtigen Kirchheimer Park-and-Ride-Parkplatz und in den Straßen in der Ortsmitte, die tagtäglich von Hunderten Autos mit HN-Kennzeichen belegt sind. Alle diese Pendler würden von niedrigeren VVS-Tarifen profitieren, natürlich aber auch Gelegenheitsfahrer Richtung Landeshauptstadt. In Kirchheims Straßen würde es noch voller.
Die VVS-Grenze scheint aber nicht unverrückbar. Zwar sagt der VVS auf Nachfrage, eine Ausdehnung des Tarifgebiets sei derzeit kein Thema. Auch beim Landratsamt Heilbronn gibt es "keine politischen Bestrebungen", an den Grenzen zu zupfen, teilt Manfred Körner, Sprecher des Landratsamts, mit. In Lauffen gab es aber immer wieder Initiativen, sich außer dem HNV auch dem Stuttgarter Verbund anzuschließen. Die Tarifreform dürfte diese Debatte wieder befeuern. "Da kommt es bald zum Schwur", rechnet Lauffens Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger mit einer Entscheidung in diesem Jahr. Bislang ging man in der Neckarstadt davon aus, dass vor allem Berufstätige mit Ziel in Stuttgarter Außenbezirken zu den Gewinnern gehören. "Wer nur zum Hauptbahnhof will, für den wird es ungünstiger", verweist Waldenberger auf Berechnungen. Denen zufolge führen Pendler mit DB-Zeitkarten günstiger als im VVS-Gebiet.

Mehr zum Thema: In diesem Listicle zeigen wir ein paar Beispiele aus der Praxis zur geplanten VVS-Tarifreform
Lauffen diskutiert über VS-Mitgliedschaft
Hier könnte aber die Tarifreform Bewegung in die Sache bringen. Diskussionsstand in Lauffen war lange: Wenn überhaupt VVS, dann in einer zusätzlichen, eigenen Tarifzone. So ein Anhängsel ans VVS-Rad - wie es im Stuttgarter Südosten etwa Göppingen und andere Filstalgemeinden bekommen haben - wäre eine Art Trostpreis, die Kosten für Nutzer wären entsprechend höher. Nach Waldenbergers aktuellen Informationen würde Lauffen jedoch demselben Tarifring zugeordnet wie Kirchheim. Die Sogwirkung des VVS würde deutlich größer.
HNV-Geschäftsführer Gerhard Gross hält die Diskussionen über Grenzverschiebungen für überholt. "Diese Probleme mit Randgebieten gibt es im Land ja tausendfach." Das Land hat darauf mit dem neuen BW-Tarif reagiert, der noch dieses Jahr startet. Das Prinzip: eine Fahrt, eine Fahrkarte. In einem ersten Schritt ist bei Bahnfahrkarten das ÖPNV-Ticket am Zielort inklusive. In der zweiten Ausbaustufe dann auch der Obolus für die Anfahrt zum Bahnhof. Wie hoch und wie attraktiv das BW-Billet sein wird, ist allerdings noch offen. Dasselbe Prinzip gilt übrigens beim Metropol-Tagesticket, das für Tagesausflüge aus dem Raum Heilbronn nach Stuttgart und Umgebung attraktiv ist.
Park-and-Ride-Ströme in Bewegung
Klar ist: Springt Lauffen auf den VVS-Zug auf, hätte das Auswirkungen auf Pendlerströme etwa aus dem Zabergäu. "Es ist unsinnig, wie die Ströme derzeit laufen", beobachtet Ralf Roschlau von den Lauffener Grünen, die sich schon lange für eine VVS-Mitgliedschaft stark machen. Wer jetzt etwa mit dem Auto aus Brackenheim bis nach Kirchheim an die Tarifgrenze fährt und dort die raren Parkplätze beansprucht, wählt künftig vielleicht Lauffen als Basis.
Dort ist die Parkplatzsituation entspannter, weil zusätzliche Stellflächen für Pendler gebaut wurden. Das Parkhaus am Bahnhof hat meistens freie Plätze. Allerdings würde eine VVS-Mitgliedschaft die Stadt Lauffen wohl 120.000 Euro im Jahr kosten. Es gebe "keine Tendenz", sagt Bürgermeister Waldenberger. Er ist aber sicher: "Die Tür zum VVS steht offen."
Die Tür hat Beilstein schon durchschritten - als einzige Heilbronner Kreisgemeinde, die dem VVS angehört. Für Bürgermeister Patrick Holl stellt sich die Frage der Kapazität. Die Busse nach Marbach zur S-Bahn seien jetzt schon gut genutzt. "Für Pendler ist vor allem wichtig, dass die S-Bahnen pünktlich fahren."
Tarifdickicht
In Baden-Württemberg gibt es 22 Tarifverbünde, die für ihr jeweiliges Gebiet einheitliche Nahverkehrspreise festlegen. Sie kooperieren zum Teil untereinander mit besonderen Angeboten. Ein Beispiel ist das Metropol-Tagesticket, das in neun Verkehrsverbünden der Metropolregion Stuttgart gültig ist, darunter der Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV). Fahrgäste fahren hier über Verbundgrenzen hinweg mit nur einem Ticket, das häufig günstiger ist, als Fahrkarten aneinander zu stückeln. Um das Angebot zu vereinfachen, führt das Land den sogenannten BW-Tarif ein. Dann soll gelten: eine Fahrt, ein Ticket. In einem ersten Schritt ist dann ab Dezember 2018 bei Bahnfahrten der ÖPNV am Zielort inklusive. Von 2021 an soll dann auch die Bus- und Bahnfahrt am Startort inbegriffen sein.