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Life-Coach aus Untereisesheim: "Jede Beziehung kann toxisch werden"

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Oliver Künstler ist Life-Coach für das Erkennen und Vermeiden toxischer Beziehungen. Im Gespräch gibt der Untereisesheimer Tipps, wie man aus krank machenden Beziehungen heraus kommen kann.

Oliver Künstler hat beim Rednerwettbewerb Internationaler Speaker Slam gewonnen und ist als Life Coach tätig.
Oliver Künstler hat beim Rednerwettbewerb Internationaler Speaker Slam gewonnen und ist als Life Coach tätig.  Foto: Seidel

Oliver Künstler hilft als Coach Menschen, ungute Beziehungsmuster zu durchbrechen und ihr Leben zu verbessern.

 

Was sind toxische Beziehungen?

Oliver Künstler: Toxisch wird eine Beziehung, wenn mindestens einer der Beteiligten leidet. Die klassische Variante ist ein toxischer Part und ein Opfer, der oder die leidet. Es können aber auch zwei "Toxikaner" in einer Beziehung sein, die sich gegenseitig schaden.

 

Geht es da immer um Liebe oder gibt es das auch unter Kollegen am Arbeitsplatz, im Alltag oder in familiären Konstellationen?

Künstler: Es kann in jeder Art von Beziehung passieren − unter Kindern, in der Familie, bei Angehörigen, in Freundeskreisen, Vereinsmannschaften und auch am Arbeitsplatz: Es ist eigentlich alles möglich, wenn Sie irgendeine Beziehung mit irgendjemandem knüpfen.

 

Das Thema ist so groß, dass Sie gerade kurz davor sind, ein Buch dazu zu veröffentlichen. Haben Sie auch eigene Erfahrungen verarbeitet?

Künstler: Ja, habe ich auf jeden Fall. Es gibt einen familiären Hintergrund, der mit reingespielt hat, dann wurde das fortgesetzt in privaten Beziehungen. Irgendwann − wie heißt es so schön − ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich bin darauf gestoßen, dass das ein Muster ist. Seitdem ist mir vieles klar geworden und ich konnte auch vieles hinter mir lassen, weil ich erkannt habe, was eine toxische Beziehung mit einem macht.

 

Können Sie ein Beispiel nennen?

Künstler: In einer toxischen Beziehung erfahren Sie normalerweise eine Art von Zurücksetzung oder Erniedrigung. Dass Sie das auf sich ziehen, liegt für gewöhnlich daran, dass Sie schon länger falsche Glaubenssätze mit sich herumschleppen: Sie denken, Sie hätten das Negative verdient, weil Sie nichts anderes kennen. Das ist jedoch ein Irrtum, der nur entstand, weil Sie ein negatives Muster verinnerlicht haben. Solche Muster sind so mächtig, dass Ihr Unterbewusstsein Sie automatisch immer wieder in die Richtung zieht, die Ihnen nicht gut tut.

 

Ist es so, dass eher Frauen unter dominanten Männern leiden?

Künstler: Die meisten toxischen Beziehungen werden von narzisstischen Persönlichkeiten verursacht. Es ist tatsächlich so, dass es zweimal mehr narzisstisch veranlagte Männer gibt als Frauen, die in ihren Beziehungen ihre Partner dann auch entsprechend zum Opfer machen.

Ein selbstgefälliger Mensch braucht einen schwachen Partner wie ein Spiegelbild, um sich stark zu fühlen?

Künstler: Das ist ein negatives Spiegelbild. Das Programm eines Narzissten geht in die Richtung, dass er Selbstbewusstsein vortäuscht, weil er mit seiner Unzulänglichkeit nicht zurechtkommt. Erst wenn er sein Gegenüber so erniedrigt, dass es sich sichtbar schlecht fühlt, ist er zufrieden.

 

Das klingt eher danach, als ob beide Partner Hilfe brauchen. Der unterlegene Partner braucht Hilfe, der narzisstische Teil braucht eine Therapie. Wo setzen Sie da an?

Künstler: Ich bin ja kein Therapeut, sondern Coach. Eine toxische Beziehung braucht kein Mensch. Beide Partner brauchen Hilfe. Der narzisstische toxische Part hat für gewöhnlich absolut keine Einsicht, weil es ja zu seinem Selbstbild gehört, dass er keine Fehler an sich akzeptiert. Bei ihm heißt es immer, ich bin in Ordnung, die anderen sind schuld. Den zu einer Therapie zu bewegen, wird sehr schwer sein. Der andere Part ist viel zugänglicher und hat erstmal jede Menge Schmerz. Bei beiden müsste sich etwas ändern, damit es besser wird.

 

Dieses Selbstgefällige hat doch jeder. Nur manche leben das vielleicht mehr aus. Ist Narzissmus grundsätzlich immer nur schlecht?

Künstler: Das ist eine sehr gute Frage, weil es dazu verschiedene Standpunkte gibt. Zum Teil wird Narzissmus grundsätzlich für schlecht befunden. Andererseits verhält es sich so, dass narzisstische Anteile in jedem von uns sind. Es gibt den noch gesunden grünen Bereich und dann gibt es Ausprägungen bis zum wirklich krankhaften und sogar bösartigen Bereich.

 

Was wäre denn gesund?

Künstler: Wir brauchen einen gesunden Egoismus, um zu überleben. Wenn wir da völlig blank wären dann hätten wir nicht mal einen Selbsterhaltungstrieb. Ein gesundes Selbstbewusstsein, auch mal bisschen Selbstgefälligkeit, zeigt, dass man zuversichtlich ist bezüglich des eigenen Könnens, nach dem Motto: Ja, das schaffe ich.

 

Der unterlegene Part braucht mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstbehauptung, ja vielleicht selbst ein wenig Narzissmus?

Künstler: Richtig, ja. Im Grunde genommen heißt es nichts anderes, als dass sie mehr sie selbst sind. Sie haben sich durch negative Einflüsse von sich selbst entfernt. Man muss diese Menschen zu sich selbst zurückführen, damit sie zu ihrem gesunden Narzissmus zurückfinden, den sie verloren haben und dadurch so wehrlos geworden sind, dass krankhafte Narzissten sie zum Opfer machen können.

 

Sie haben bei einem Speaker Slam einen Preis gewonnen. Wie kann man ein komplexes Thema in nur zwei Minuten darstellen?

Mit Storytelling. Ich habe einfach eine Geschichte aus meiner kindlichen Vergangenheit erzählt, aus der deutlich hervortrat, welchen toxischen Einflüssen ich zu jener Zeit ausgesetzt war. Ich hab ganz auf die emotionale Schiene gesetzt und erzählt, wie man da rauskommt beziehungsweise wie man das rechtzeitig erkennt, bevor man zu tief und zu lange drin steckt.

 

Ich möchte noch als letzte Frage auf Ihren Namen zu sprechen kommen. Nomen est Omen: Sehen sie sich selbst als Künstler?

Künstler: Insofern ich so heiße, habe ich das perfekte Recht dazu. Aber auch, weil ich gerne zeichne und male.

 


Zur Person

Oliver Künstler ist gebürtiger Heilbronner (Jahrgang 1970) und nun wohnhaft in Untereisesheim. Beim Internationalen Speaker Slam in Wiesbaden gewann er unter 200 Teilnehmenden mit seinem Vortrag zum Thema „Toxische Beziehungen“ den Excellence Award. Der Life Coach für das Erkennen und Vermeiden toxischer Beziehungen veröffentlicht ein Buch „Was du nicht weißt, das man dir tut“.  

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