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Taxifahrer lassen Blinden in Heilbronn am Bahnhof stehen – wegen dessen Hund

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Thilo Springer ist blind und auf einen Blindenhund angewiesen. In Heilbronn weigerten sich Taxifahrer nun, ihn mitzunehmen. Verbände reagieren empört.

Ein Blinder machte am Hauptbahnhof Heilbronn schlechte Erfahrungen.
Ein Blinder machte am Hauptbahnhof Heilbronn schlechte Erfahrungen.  Foto: Halfpoint/stock.adobe.com

Thilo Springer ist enttäuscht von seiner Heimatstadt Heilbronn. An einem Samstag Mitte April fährt der blinde SAP-Manager in Begleitung seines Blindenhundes mit dem Zug von Rosenheim nach Heilbronn. Am Hauptbahnhof möchte er mit dem Taxi zur Feier des 80. Geburtstags seines Vaters weiterfahren. Doch die Taxifahrer weigern sich, seinen Hund Nils mitzunehmen. Der Königspudel ist für den blinden Mann ein unerlässlicher Helfer im Alltag.

Fünf, sechs Taxis seien am Hauptbahnhof gestanden, erinnert sich Springer, der mit seiner Partnerin am Taxistand wartet. Die Männer sollen zwar angeboten haben, Springer und seine Partnerin mitzunehmen, jedoch ohne Hund.

Mehrmals habe er darauf hingewiesen, dass er als Blinder auf den Hund angewiesen ist. "Mir wurde erwidert, dass die Fahrer Anweisung von ihren Chefs bekommen hätten, keine Hunde zu befördern." Enttäuscht geht er zurück zum Bahnhof.

Keine Beförderung wegen Blindenhund: Taxizentrale reagiert verwundert

Springer ist seit einem Autounfall im Jahr 2017 nahezu komplett blind. "In der gesamten Zeit, seit ich erblindet bin, ist mir so eine verletzende, entwürdigende und ignorante Erfahrung noch nicht widerfahren", teilt er in einer E-Mail mit. Für Springer sei das eine seltsame Begründung der Taxifahrer gewesen. Schließlich fährt Nils seit Rosenheim im Zug mit. Zudem seien Taxifahrer verpflichtet, Blinde mit ihrem Begleithund mitzunehmen.

Die Taxi-Zentrale Heilbronn reagiert verwundert. Auch bei ihr beschwert sich Springer in der E-Mail. "Wir hatten an dem Tag kein Taxi von uns dort", sagt Vorstand Ugur Akseven. Dass sie einen blinden Fahrgast mit Begleithund nicht mitnehmen, sei kein übliches Verhalten von Taxifahrern.

Ein Sehbehinderter mit seinem Blindenhund dürfe gar nicht abgelehnt werden, erklärt der 34-Jährige. Ausnahme: Wenn der Fahrer eine Allergie gegen Hundehaare oder eine Phobie vor Hunden habe. "Wenn das ein Fahrer von uns gewesen wäre und ich das mitbekommen hätte, hätte das Konsequenzen. Wir hätten ihm die Erlaubnis entzogen."

Recep Bilgili reagiert ebenso erstaunt. "Unsere Fahrer würden einen Blinden mitnehmen", sagt der 63-jährige Chef von Taxi-Ruf in Heilbronn. Bilgili und Akseven gehen davon aus, dass es sich um Aushilfsfahrer, die sich mit einem Job auf 560-Euro-Basis samstags etwas dazuverdienen wollen, handelte.

Personenbeförderungsgesetz: Taxifahrer müssen Blinde mit Hund mitnehmen

Blitzumfrage am Taxistand neben dem Hauptbahnhof: "Normalerweise nehmen wir einen Blinden mit Hund mit", sagt Sedat Singil. Der 47-jährige ist selbstständiger Taxifahrer. Dass sich gleich fünf Taxifahrer weigern, könne er sich kaum vorstellen. "Die müssen ihn mitnehmen", sagt auch Johann Kordisch. Er fährt seit 35 Jahren Taxi. "Klar hätte ich ihn mit dem Hund mitgenommen."

Auch er betont, dass die Fahrer verpflichtet seien, einen blinden Fahrgast mit seinem vierbeinigen Begleiter mitzunehmen. "Wenn ich die Fahrer gesehen hätte, hätte ich ihnen die Ohren langgezogen." Er rät, sich die Nummer des Taxis geben zu lassen. Dem Fahrer drohten Konsequenzen.

Für Frank Stroh ist das Verhalten der Taxifahrer "unter aller Kanone". Der 77-Jährige ist Mitglied des Landesvorstands des Sozialverbands VdK. Laut Personenbeförderungsgesetz müsse ein Fahrer einen Blinden mit Hund mitnehmen. Ansonsten drohe der Verlust der Taxi-Lizenz. Springers E-Mail ist auch an den VdK gerichtet. "Er macht seinem Herzen Luft und weist auf Schwachstellen hin", sagt Stroh. Er betont, dass Menschen mit Behinderungen ein Teil der Gesellschaft seien. "Mit denen muss man umgehen können."

Problemstellen in Heilbronn für Menschen mit Sehbehinderung

Michael Krämer aus Heilbronn-Horkheim ist sehbehindert. Der 38-Jährige engagiert sich ehrenamtlich bei der Selbsthilfegruppe "Gemeinsam besonders stark". Er weist darauf hin, dass ein Blindenführhund ein Hilfsmittel für einen Menschen mit Sehbehinderung sei. "Zudem ein recht teures. Allein die Ausbildung kostet etwa 30.000 Euro."

An vielen Stellen in Heilbronn sei es für einen Sehbehinderten schwierig, sich zurechtzufinden. Es fehlten nach Krämers Meinung Blindenampeln in der Stadt. "Wie soll beispielsweise ein Blinder über die dreispurige Straße am Südbahnhof kommen?" Heilbronn habe nach seiner Meinung sehr viel Nachholbedarf in Sachen Barrierefreiheit für Blinde.

Springer ruft im Bahnhof schließlich seine Schwester an, die ihn abholte. "Was hätte ich gemacht, wenn ich niemanden gekannt hätte?" fragt er. Bei SAP kümmere er sich um das Thema Inklusion, damit Menschen mit Behinderung dieselben Chancen haben. "Ich nehmen an, dass dieser Zustand nicht erwünscht ist und es hier klare Positionierung seitens der Stadt Heilbronn braucht."

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