Seelische Gesundheit: Strategien, um die inneren Dämonen zu besiegen
Junge Heilbronnerin erzählt zur Woche der seelischen Gesundheit von der Angst, nicht gut genug zu sein und was ihr geholfen hat.

Das Leben ist ein ICE, und manchmal muss man aufs Abstellgleis fahren, um Luft zu holen. Jana Kreisler (Name geändert), hat das jüngst so gemacht, als sie Urlaub hatte. Das haben sie und ihr Partner niemandem verraten. Stattdessen sind sie einfach mal aufs Abstellgleis: "Das war erholsam und schön."
Jana Kreisler versucht, ihre Seele in Balance zu halten
Jana Kreisler versucht, gut auf sich achtzugeben, um ihre Seele in Balance zu halten. Denn tut sie es nicht, kann es lebensgefährlich werden für sie. Einen Suizidversuch hat die 36-Jährige hinter sich, zwölf Wochen war sie in der Klinik. Diagnose: rezidivierende, also sich wiederholende Depression. In der "Woche der seelischen Gesundheit" will sie für Verständnis für psychische Krankheiten werben, die noch immer stigmatisiert seien.
Sie hat immer gedacht, dass man viel aushalten muss
Sie selbst hatte immer solche Phrasen im Kopf, erzählt sie. "Du bist doch jung, wie kann es dir so schlecht gehen?" Oder "Lehrjahre sind keine Herrenjahre". "Ich habe immer gedacht, dass man viel aushalten muss, mein Selbstwertgefühl war im Keller." Sie empfand sich als "Alien", als "Außenseiterin", und auch als Nichtsnutz.
Das zwanghafte Vergleichen hat sie inzwischen besser eingedämmt
"Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben. Hatte nicht die Karriere gemacht, nicht die Familie gegründet, nicht das Haus gebaut, von dem ich gedacht hatte, das gehört dazu. Und so schlank und vorzeigbar wie andere war ich auch nicht." Wie andere: Dieses zwanghafte Vergleichen versucht sie inzwischen besser einzudämmen. Versucht zu sehen, was gut ist. Zum Beispiel, dass ihr Partner zu ihr hält, auch in ihrer schweren Lebenskrise 2019.
Mit ihrem Partner gründet sie eine Selbsthilfegruppe
Gemeinsam mit ihm hat sie eine Selbsthilfegruppe in Heilbronn gegründet für junge Erwachsene mit Depressionen, die "Defenders". Etwas Ähnliches gab es bis dahin in der Region nicht. Bei den Zusammenkünften gehen die Betroffenen ähnlich vor, wie sie es etwa in der Tagesklinik Heilbronn gelernt haben, einer Einrichtung des Klinikums am Weissenhof in Weinsberg: Es gibt eine Vorstellungs- und eine Befindlichkeitsrunde, in der jeder erzählt, was sein Höhepunkt des Tages war. Das kann ein Waldspaziergang sein, wie die Enten im Neckar geplantscht haben, dass einem ein Passant auf der Straße ein Lächeln geschenkt hat oder dass man es in die Gruppe geschafft hat.
Hier kommen auch Krisenauslöser zur Sprache
In der Themenrunde kommen Trigger, Krisenauslöser, zur Sprache. Bei Jana Kreisler ist das, "wenn mich jemand benutzen will". Die Folge: "Ich ziehe mich zu stark zurück." Beim Abschluss reflektieren die Defenders, was sie von dem Abend heimnehmen. Der Name "Defend", auf englisch "sich verteidigen", entstand aus der Idee heraus, "dass wir etwas wert sind und für uns einstehen". Auch Treffen in der Stadt, im Biergarten oder Wanderungen gehören zum Programm. Teil der Gruppe sind zwei Ersthelfer für psychische Gesundheit.
Die Langzeittherapie ist ein wichtiger Anker
Ein weiterer fester Anker ist für Jana Kreisler die Langzeittherapie bei einer neutralen Person, bei der "ich aus mir herausgehen kann, ohne mich zu verstellen. Und bei der ich Sachen anspreche, die andere verletzen könnten". Doch, es gibt sie noch, die dunklen Phasen, aber sie sind nicht mehr ganz so schwarz, auch dank ihres guten medizinisch-therapeutischen Netzwerks. Ein Notfallmedikament steckt trotzdem immer im Geldbeutel.
Ihre Ruhephasen verteidigt sie jetzt besser
Die Heilbronnerin will nachsichtiger mit sich selbst sein, wenn sie öfter müde ist und weniger Antrieb hat als früher. "Meine Ruhephasen muss ich verteidigen." Die enorme Taktung soll sie nicht mehr dominieren, im Job, in der Freizeit, im Haushalt, wenn sie dem schwäbischen Mantra gemäß denkt, "dass die Bude immer tipptopp sein muss". Sie will den Energietank auf einem guten Level halten. "Ich überlege, was ich genießen kann. Das Duftöl in der Wohnung, Vogelgezwitscher am Breitenauer See, die Lieblingsserie." Regelmäßig führt sie ein Dankbarkeitstagebuch.
Insgesamt, findet Jana Kreisler, hat sie durch die seelische Krankheit auch viel über sich gelernt. "Ich habe mich stark entwickelt und weiß jetzt besser, wer ich bin und was meine Werte sind."
Selbsthilfegruppe Defenders in Heilbronn
Jana Kreisler weist darauf hin, dass es "mehr Suizide als Verkehrsunfälle" gibt und wie wichtig Prävention ist. Zu vielen seelischen Krankheiten gibt es in Heilbronn Selbsthilfegruppen, für Depression, Burnout, ADHS. Der Kontakt der Defenders: shg-depression-heilbronn.de.