Straftäter flüchten aus Psychiatrie: Was über die vier Männer bekannt ist
Nach der Flucht von vier Straftätern aus dem Klinikum am Weissenhof hat die Polizei einen der Flüchtigen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hat nun Auskunft über die Hintergründe der Männer gegeben. Das Klinikum äußert sich derzeit nicht.

Nach dem Ausbruch und der Flucht von vier Männern aus dem Maßregelvollzug des Weinsberger Klinikums am Weissenhof am Mittwoch kann die Polizei einen ersten Erfolg vermelden: Einer der Flüchtigen ist nach Hinweisen von Zeugen bereits am Donnerstagabend gefasst worden. Das Klinikum am Weissenhof indes schweigt sich aus und beantwortet weder Fragen zum aktuellen Geschen noch allgemeine Fragen zu einer Fluchtgefahr von Straftätern, die sich aufgrund des sogenannten 64er-Paragrafen in der Klinik aufhalten. In dem Paragrafen ist geregelt, dass Straftäter mit Suchtproblematik zunächst therapiert werden sollen - ein Umstand, der nach Einschätzung von Fachleuten regelmäßig zum Verkürzen von Haftzeiten missbraucht wird.
Kritik an Entwicklung im Maßregelvollzug
Der ärztliche Direktor Matthias Michel stehe heute für ein Gespräch nicht zur Verfügung, sagte Weissenhof-Sprecherin Claudia Kellermann am Freitag. In einem Interview mit der Heilbronner Stimme vor zweieinhalb Jahren hatte Michel kritisiert, dass viele Patienten im Maßregelvollzug inzwischen als "voll schuldfähig" eingestuft sind. Die Situation habe sich in den letzten Jahren "erheblich zugespitzt", sagte er damals. Inzwischen seien 70 Prozent aller Patienten "voll schuldfähig", früher seien es nur 20 Prozent gewesen. Michel bemängelte, dass die Gesetzeslage darauf ausgelegt sei, Verbrecher in den Maßregelvollzug zu leiten anstatt in Justizvollzugsanstalten.
Wie das baden-württembergische Sozialministerium mitteilte, stand bei drei der vier flüchtigen Männer ein Therapieabbruch bevor - was für sie einen Wechsel von der Klinik ins Gefängnis bedeutet hätte. Weissenhof-Sprecherin Kellermann sagte, Auskünfte über die Schuldfähigkeit der Flüchtigen unterlägen der ärztlichen Schweigepflicht.
Was zu den Flüchtigen bekannt ist
Die Staatsanwaltschaften Heilbronn und Mosbach geben hierzu Auskunft. Der bereits gefasste Flüchtige Benjamin N. sei wegen mehrerer Körperverletzungen und einer gefährlichen Körperverletzung sowie Diebstählen verurteilt worden, sagt ein Sprecher der Mosbacher Staatsanwaltschaft. Bei einer der Taten sei er stark alkoholisiert und nach psychiatrischer Begutachtung vermindert, bei allen anderen Taten aber voll schuldfähig gewesen. Mekail Ademi, nach dem aktuell noch gefahndet wird, habe eine Reihe von Kindergarteneinbrüchen in ganz Baden-Württemberg begangen. Zunächst sei man von voller Schuldfähigkeit ausgegangen, nach einer Begutachtung konnte man verminderte Schuldfähigkeit wegen Drogensucht nicht mehr ausschließen.
Zum Fall Yousef Cherif sagt die Sprecherin der Heilbronner Staatsanwaltschaft, man gehe in der Anklageschrift davon aus, dass zum Tatzeitpunkt Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit bestanden hätten und sie jedenfalls nicht auszuschließen sei. "Allerdings handelt es sich hierbei um eine vorläufige Einschätzung." Endgültig müsse das in der noch ausstehenden gerichtlichen Hauptverhandlung geklärt werden. Der Gesuchte Cristian Duga fällt in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Rottweil. Er sei wegen Diebstählen, Waffenbesitz und schwerem räuberischem Diebstahl verurteilt und als voll schuldfähig eingestuft worden, sagt die dortige Sprecherin.
Mit Bettlaken abgeseilt
Wie berichtet, hatten die flüchtigen Straftäter am Mittwoch gegen 22 Uhr ein Sicherheitsglas auf Station M 34 durchbrochen und sich mit Bettlaken aus mehreren Metern Höhe abgeseilt. Die Polizei suchte mit einem großen Aufgebot nach den Männern, die sie als gefährlich einschätzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gemeinschaftlich begangener Gefangenenmeuterei.
Maßregelvollzug
Im Paragraf 64 des Strafgesetzbuches heißt es: "Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die [...] auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt", solle das Gericht Therapie anordnen.


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