Spätregenmission muss viel Geld nachzahlen
Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden: Die Beilsteiner Glaubensgemeinschaft muss für ein Ehepaar 180.000 Euro Rentenversicherungsbeträge nachzahlen. Es laufen viele ähnliche Verfahren. Der Mission drohen große finanzielle Probleme.

Die Deutsche Spätregenmission muss 180.000 Euro Rentenbeitrage für ein 2013 ausgeschiedenes Ehepaar nachzahlen. Das hat das Sozialgericht Heilbronn entschieden. Der freikirchlichen Glaubensgemeinschaft drohen damit enorme finanzielle Probleme. Nach Auskunft des Gerichts laufen derzeit 60 ähnliche Verfahren. Bei der Verhandlung wurde erneut deutlich, dass die Mission Druck auf Mitglieder ausübt.
Eine große Kirche, Wohngebäude, Werkstätten: Die Europa-Zentrale der Spätregenmission sitzt in Beilstein. Zu aktuellen Zahl der Bewohner macht der Missionsvorstand dieser Redaktion gegenüber keine Angaben. Zuletzt ging die Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen Landeskirche von 120 Männer, Frauen und Kindern aus. Dazu kommen mehrere Hundert Menschen, die verteilt in Süddeutschland wohnen.
Zahlreiche ähnliche Verfahren anhängig
Die Zahl der Aussteiger wächst und damit der Druck auf die Mission. Grund: Die Rentenversicherung fordert Nachzahlungen für Rentenbeiträge. Dies wiederum versucht der Vorstand in einer Reihe von Verhandlungen vor dem Sozialgericht abzuwenden. Im aktuellen Fall ist er damit gescheitert.
„Für mich hat das Urteil Signalcharakter für viele andere Verfahren“, sagt Rechtsanwalt Martin Kerdels, der einige ausgeschiedene Missionsmitglieder vertritt. „Insgesamt reden wir über Millionenbeträge“, erklärte der Anwalt dieser Redaktion. Diese Einschätzung teilt das Sozialgericht. Pressesprecher Joachim von Berg hält es für möglich, dass sich die Forderungen auf einen zweistelligen Millionenbetrag summieren.“
Rentenversicherungsbeiträge nicht abgeführt
Im jetzt entschiedenen Verfahren geht es um ein Ehepaar, das von 1967 und 1972 bis 2013 in Glaubenshäusern der Spätregenmission gelebt hat. Sie machten deutlich, jeden Tag hart für die Mission gearbeitet zu haben, ohne dafür ein Entgelt bekommen zu haben. Rentenversicherungsbeiträge führte die Spätregenmission nicht ab, verwies auch vor Gericht auf die Versorgungszusage der Gemeinschaft. Im Klartext: Die Mission kümmere sich um die Mitglieder bis zu deren Tod.
Das Sozialgericht urteilte dagegen, dass die Spätregenmission sehr wohl 180.000 Euro nachzahlen muss, weil das Ehepaar unversorgt ausgeschieden sei. Das Rückkehrangebot reiche nicht aus, um ein versorgungsloses Ausscheiden zu verneinen. „Wir sind zwar froh über die Entscheidung, bedauern aber, dass wir in unserem Alter noch vor Gericht mussten“, sagte die Frau, die anonym bleiben möchte.
Ehepaar spricht von Einschüchterungen
In die Glaubensgemeinschaft zurückzukehren, kommt für das Ehepaar nicht in Frage. Sie skizzierten vor Gericht ein Leben, das geprägt gewesen sei von beständigen Einschüchterungen, Drohungen und Zwang. Diese Aussagen passen zu vielen Berichten ehemaliger Missionsmitglieder (wir berichteten mehrfach). Besonders in der Kritik steht die Prophetie. Dabei nehmen Missionsverantwortliche für sich in Anspruch, das Wort Gottes zu verkünden, um damit Drohkulissen aufzubauen. Der aktuelle Vorstand beteuert, dass dies in der alten Form nicht mehr praktiziert werde.
Martin Kerdels rechnet damit, dass der Missionsvorstand Rechtsmittel einlegen wird, um Zeit zu gewinnen. Eine entsprechende Anfrage ließ die Beilsteiner Zentrale unbeantwortet. Völlig unklar ist, wann und ob überhaupt Nachzahlungen an die Rentenversicherungen fließen. Die Glaubensgemeinschaft kämpft seit Jahren mit erheblichen fiananziellen Schwierigkeiten, eine Insolvenz konnte nur knapp abgewendet werden. Der Vorstand der Spätregenmission macht zu finanziellen Fragen keine Angaben, verweist auf Gespräche mit den Rentenversicherungen.