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So ergeht es den Helden des Alltags während des zweiten Lockdowns

  
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Sie sind Helden des Alltags: Menschen mit systemrelevanten Berufen, die arbeiten gehen, während das öffentliche Leben runterfährt. Es gab Applaus vom Balkon und Prämien-Versprechen. Wie geht es ihnen heute? Wir haben nachgefragt.

Corona und der damit verbundene erste Lockdown haben so einiges auf den Kopf gestellt. Das öffentliche Leben wurde heruntergefahren, Straßen und Büros waren verwaist, Supermarktregale wie leer gefegt und Verunsicherung dominierte den Alltag vieler Menschen. Mittendrin: Die Helden des Alltags, Menschen mit systemrelevanten Berufen, die den Laden sprichwörtlich am Laufen gehalten haben.

Ob Busfahrer, Apotheker, Ärzte, Tankwarte oder Lebensmittelverkäufer, wir haben im April 2020 mit ihnen gesprochen, gefragt, wie es ihnen ergeht und inwiefern sich ihre Arbeit durch Corona verändert hat. Knapp ein Jahr später und inmitten des zweiten Lockdowns wollen wir wissen, ob sich etwas geändert hat. Ist die Wertschätzung für ihre Arbeit geblieben und haben Unternehmen die Möglichkeit genutzt, ihren Mitarbeitern mit einer Corona-Prämie für die Zusatzbelastungen der Pandemie zu danken?

 

  1. 1

    Für die Sorgen der Menschen ein offenes Ohr haben

    Lumtureje Bajramaj-Hasanaj von der Harfensteller-Apotheke in Heilbronn berichtete im März 2020 von einem regelrechten Ansturm auf Schutzausrüstung. Daran hat sich bis heute wenig geändert. "Wir verkaufen weiterhin viele Handschuhe und Desinfektionsmittel, aber am meisten Masken", sagt die pharmazeutisch-technische Assistentin. Engpässe gebe es keine. Für Vorrat sei gesorgt. Seit einigen Wochen führt Bajramaj-Hasanaj Corona-Schnelltests durch und das ununterbrochen von 14 bis 18 Uhr. Bedenken, sich mit Corona zu infizieren, hat sie keine: "Ich fühle mich sicher."

    Wertschätzung für ihre Arbeit bekommt die 30-Jährige vor allem von älteren Menschen. "Sie sind dankbar, dass wir geöffnet haben. Oft suchen sie das Gespräch, um ihre Gedanken oder Sorgen mit uns zu teilen", erzählt sie. Auch vom Chef gab es Anerkennung in Form eines steuer- und sozialversicherungsfreien Corona-Bonus. "Wir haben uns alle sehr darüber gefreut." Bajramaj-Hasanaj ist dankbar, dass sie arbeiten kann. Für sie persönlich sind Erzieher die wahren Alltagshelden, weil ihr Sohn tagsüber in der Kita untergebracht ist. "Ich bin froh, dass es die Notbetreuung gibt, sonst könnten mein Mann und ich nicht arbeiten gehen." 

  2. 2

    "Angst ist in meinem Beruf Fehl am Platz"

    Peter Breitenbach vom Heilbronner Orthozentrum erzählt, dass er nach wie vor gerne zur Arbeit geht. Und das trotz der Tatsache, dass erst vor kurzem ein Patient in der Praxis war, der im Nachgang positiv auf Corona getestet wurde. Ende Oktober 2020 waren außerdem zwei Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Seitdem ist das Tragen von FFP2-Masken für das gesamte Personal Pflicht. "Wir haben sofort reagiert", erinnert sich der Orthopäde. Es wurden Kontaktlisten erstellt und man war im ständigen Austausch mit dem Gesundheitsamt. Letztendlich mussten zwei Mitarbeiter in Quarantäne. Angst, sich mit Corona zu infizieren, hat er nicht. "Die wäre in meinem Beruf Fehl am Platz." 

    Anerkennung für seine Arbeit bekommt Peter Breitenbach per Brief von offiziellen Stellen wie der kassenärztlichen Vereinigung. "Sie ermuntern, durchzuhalten und drücken ihre Wertschätzung für unsere Arbeit aus", sagt der Orthopäde. Aber auch Patienten, die zur Untersuchung kommen, zollen ihren Respekt. "Die wenigsten können sich vorstellen, acht Stunden am Stück einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen." 

  3. 3

    Mehr Wertschätzung für den Beruf verzeichnet

    Auch wenn sich die Arbeit nach wie vor auf einem hohen Niveau befindet, macht Nicole Kopp von der gleichnamigen Textilpflegefirma aus Untereisesheim eine traurige Feststellung: "Da die zweite Corona-Welle deutlich heftiger ist als die erste, spüren wir so langsam, dass überdurchschnittlich viele Bewohner der Alten- und Pflegeheime an Covid-19 versterben." Diese Beobachtung macht Nicole Kopp - sie ist eine von insgesamt drei Geschäftsführern - an den zunehmenden Abmeldungen fest. "Wenn ein Bewohner wieder aus dem Heim auszieht, weil er entweder in ein anderes wechselt, zurück zur Familie kann oder verstirbt, wird der Bewohner im System abgemeldet." Eine Abmeldung bedeute aber mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Umzug oder dergleichen, sondern den Tod eines Bewohners. "Das ist auch die Rückmeldung, die wir derzeit bekommen, wenn wir mit Alten- und Pflegeheimen Kontakt haben." 

    Was sich noch im Vergleich zum ersten Lockdown verändert hat? "Wir merken, dass der Bevölkerung langsam immer mehr bewusst wird, wie wichtig unsere Branche ist." Außerdem seien die Mitarbeiter froh, einen krisenfesten Beruf ausüben zu können. Aufgrund eines Umbauprojektes und den Mehrausgaben durch Corona, sei die Textilpflegefirma aber nicht in der Lage gewesen, dem Personal eine Prämie auszuzahlen. Trotzdem ist man stolz auf die Mitarbeiter, "die nach wie vor großartig mit uns an einem Strang ziehen".

  4. 4

    "Die Leute lachen gar nicht mehr"

    Manchmal muss Zeynep Zoroglu vom „Markt am Tor“ in Öhringen ihre Kunden noch ermahnen, denn: "Nicht alle halten genug Abstand oder tragen die Maske richtig", erklärt sie. Abgesehen davon habe sie aber vor allem zu ihren Stammkunden eine besondere Beziehung aufgebaut. "Sie sind mir noch mehr ans Herz gewachsen. Wenn jemand mal eine Woche nicht da war, mache ich mir gleich Sorgen und frage mich, ob alles okay ist", gibt sie zu. Nachdenklich stimmen sie die Gesichter ihrer Nachbarn, Geschäftsleute, die ihren Läden wegen des Lockdowns schließen müssen. Ab und zu kommen sie bei Zeynep Zoroglu Gemüse oder Obst einkaufen, erzählt sie, aber die Stimmung sei schlecht: "Sie lachen gar nicht mehr und sehen sehr traurig aus. In deren Haut möchte man nicht stecken. Ich bin froh, arbeiten zu dürfen, sonst würde es mir nicht anders gehen."

  5. 5

    Hamsterkäufe gibt es keine mehr

    Lydia Tisch.

    Zu Beginn des ersten Lockdowns hat Lydia Tisch von der Aquarin-Getränkewelt in Bad Friedrichshall unter anderem von einem Kunden berichtet, der gleich 30 Kisten Mineralwasser auf einmal gekauft hatte. „Die Leute hatten Angst und waren verunsichert“, erinnert sie sich. „Mittlerweile hamstern die Menschen aber nicht mehr.“ Kollegin Ursula Roder kann dem nur zustimmen. Das Kaufverhalten der Kunden habe sich normalisiert. Am Anfang hätten sich die Menschen ihre Keller mit Getränken vollgestellt. „Wir mussten palettenweise Wasser auffüllen, so schnell ging alles weg“, sagt sie und ergänzt: „Das war ähnlich wie mit dem Klopapier.“

    An Masketragen und Abstandhalten hätten sich die Kunden gewöhnt. Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, habe Lydia Tisch nie gehabt. „Man muss es nehmen, wie es kommt und sich nicht verrückt machen“, betont sie. Jeder Kunde, der reinkommt, könne Corona haben. „Man steckt nicht drin.“ Für eine schöne Überraschung hat im Dezember ihr Chef gesorgt, als Lydia Tisch und ihre Kollegen einen Corona-Bonus ausgezahlt bekom

  6. 6

    Kaum noch einen Kunden ermahnen

    Handschuhe tragen und stündlich die Theke desinfizieren - das gehört für Sylvia Ullmann von der Shell-Tankstelle in Nordheim seit dem ersten Lockdown zum Arbeitsalltag. An der Kasse ist außerdem eine Plexiglas-Scheibe zum Schutz der Mitarbeiter angebracht und Klebestreifen auf dem Boden markieren den Abstand, den die Kunden zur Verkaufstheke halten sollen.

    Was hat sich seit dem ersten Lockdown verändert? Sylvia Ullmann muss überlegen. "Am Anfang waren die ganzen Sicherheitsvorkehrungen eine echte Umstellung", gibt sie zu. Nicht nur für sie selbst, auch für die Kunden. Die musste sie teilweise oft ermahnen, beim Schlange stehen Abstand voneinander zu halten. "Das war schlimm. Aber mittlerweile klappt alles super." Die Menschen hätten die Regeln verinnerlicht und sich daran gewöhnt. Wie schon zum ersten Lockdown auch ist aktuell deutlich weniger los. "Klar, wenn ab 20 Uhr keiner mehr raus darf", sagt Sylvia Ullmann mit Blick auf die Ausgangssperre. 

 

 

 

 

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