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Marita Malicke hat von ihrem Vater Heinz Erhardt so einiges gelernt

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Ihre Kindheitserlebnisse haben es manchmal bis auf die große Bühne geschafft: in den Gedichten ihres Vaters. Marita Malicke aus Brackenheim ist die jüngste Tochter von Heinz Erhardt. Ein Gespräch über Humor und das Leben mit einem Vater, der sehr ernst sein konnte.

Von unserer Redakteurin Beate Windisch
Marita Malicke nimmt das Leben mit Humor. Gelernt hat sie dies von ihrem Vater Heinz Erhardt, einem der besten Komiker des Landes.
Foto: Andreas Veigel
Marita Malicke nimmt das Leben mit Humor. Gelernt hat sie dies von ihrem Vater Heinz Erhardt, einem der besten Komiker des Landes. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Gerade in diesen Zeiten ist der Komiker Heinz Erhardt in vielen Sendungen noch sehr präsent und ganz viele Humoristen zitieren ihn jetzt auch, sagt die 76-Jährige. Kein Wunder, hat er doch stets versucht, all den Widrigkeiten im Leben etwas Komisches abzugewinnen. 

 

Frau Malicke, bei allem Humor: Sind die Zeiten gerade nicht etwas traurig?

Marita Malicke: Nun, wir konnten zwar die Kinder und Enkelkinder nicht so oft sehen, aber es gibt ja zum Glück Whatsapp und Videocall und so. Wir hatten und haben also immer noch sehr viel Spaß miteinander und machen uns auch mitunter lustig über die Situation. Für meinen Vater aber wäre die Zeit wirklich schlimm gewesen, er hätte ja nicht auftreten können. Und er wurde ja schon hibbelig, wenn er mal zwei Wochen am Stück zu Hause war.

 

Ihr Vater hat ja selbst sehr schwierige Zeiten erlebt - die Trennung der Eltern, den Krieg - und ist einer der größten Komiker des Landes geworden. Trotzdem oder gerade deswegen?

Malicke: Er war einfach so. Er war ja eigentlich ein totaler Einzelgänger und hat schon in der Schule die Lehrer zum Lachen gebracht. Das war eigentlich unbewusst. Als ihm dann bewusst wurde, dass er die Leute zum Lachen bringen konnte, hat er das eben zu seinem Beruf gemacht. Obwohl er ja eigentlich Klaviere verkaufen sollte im Laden des Großvaters. Doch mein Vater hat lieber auf den Klavieren gespielt, als sie verkauft.

 

Wie lustig war es bei Familie Erhardt zu Hause? Gab es da immer komische Gute-Nacht-Geschichten oder so etwas?

Malicke: Gute-Nacht-Geschichten hat mein Vater uns nie erzählt. Aber wenn er gearbeitet und seine Gedichte geschrieben hat, dann hat er uns alle zu sich geholt, egal wie alt wir waren, hat sie uns vorgelesen, auf unsere Reaktionen geschaut und sich dann auch sehr daran gehalten, wie wir reagiert haben. Wenn wir also gelacht haben, hat er das später dann auch verwendet. Er hat ja viele Gedichte aus seinen Beobachtungen heraus gemacht, das fanden wir Kinder großartig. Das Nasshorn und das Trockenhorn zum Beispiel entstanden nach einem Besuch im Hamburger Zoo Hagenbeck. Da hatte er zwei Nashörner beobachtet, und eines davon war tatsächlich ins Stolpern gekommen. Und die Geschichte von der Kellermaus, die zur Fledermaus wurde, hat er geschrieben, nachdem sich eine Fledermaus in mein Kinderzimmer verirrt hatte.

 

Für seine LP "Was bin ich wieder für ein Schelm" hat Heinz Erhardt seinerzeit eine Goldene Schallplatte bekommen. War Ihr Vater tatsächlich ein Schelm oder war er das nur auf der Bühne?

Malicke: Mein Vater konnte schon sehr komisch sein, aber wir Kinder haben ihn ja mehr arbeitend am Schreibtisch erlebt. Er war auch nicht der Pausenclown, der Witze erzählt. Seine Scherze hatten immer alle Hand und Fuß, die waren gut überlegt.

 

Sie selbst haben mal über sich gesagt, der Clown in der Familie seien Sie gewesen?

Malicke: ? ja, aber mein Vater hatte das gar nicht so gerne. Er hat immer gesagt: Albere nicht so rum! Aber die anderen fanden das immer sehr lustig, besonders seine Kollegen. Die haben manchmal etwas gesagt, und ich habe dann ein Wortspiel daraus gemacht.

 

Aber wäre da für Sie eine Zukunft auf der Bühne nicht logisch gewesen?

Malicke: Das wollte ich auch, aber mein Vater hat mich ausgebremst. Er hat gesagt: Entweder machst du es ganz oder gar nicht. Das hätte geheißen, ich muss mindestens so berühmt werden wie er, und das konnte ich nicht. Also bin ich Hundefriseuse geworden. Ich habe schon als kleines Kind Hunde sehr geliebt.

 

Hundesalon statt Theaterbühne: eine traurige Erinnerung?

Malicke: Nein, das war schon in Ordnung. Eine traurige Erinnerung ist eher, dass wir als Familie nie in den Urlaub gefahren sind. Mein Vater war ja pausenlos auf Tournee und hatte jeden Tag Termine. Aber einmal hat er gesagt: In den Schulferien fahren wir alle gemeinsam an die Ostsee. Wir hatten das Ferienhaus gemietet und die Koffer gepackt. Aber am Abend vor der Abreise hat mein Vater beim Gute-Nacht-Sagen gesagt: Wenn es morgen regnet, dann fahren wir nicht. Und es hat geregnet, und wir sind nicht gefahren. Die Koffer wurden wieder ausgepackt.

 

Oh?

Malicke: ... ja oh, wir waren natürlich traurig, haben diese Entscheidung aber stillschweigend hingenommen. Das war das einzige Mal, dass ein Familienurlaub geplant war. Aber was sollte er auch mit so einer Rasselbande an der Ostsee? Wir alle auf engstem Raum zusammen, damit konnte er glaube ich überhaupt nichts anfangen. Als er den Film "Witwer mit fünf Töchtern" gedreht hat, waren wir manchmal ganz schön eifersüchtig auf seine Filmtöchter. So, wie er auf der Leinwand versucht hat, die Familie zusammenzuhalten, so war er privat als Vater nicht. Aber wir durften nach diesem verpassten Urlaub immer mal mit auf Tournee. Und dann haben wir schon rumgealbert, auf den Hotelfluren die Schuhe vor den Zimmern vertauscht und so etwas. Also unseren Spaß hatten wir als Kinder schon.

 

Das Leben mit Humor nehmen, auch die weniger schönen Dinge, das konnte Ihr Vater sehr gut, oder?

Malicke: Ja, seine Eltern gingen ja schon kurz nach seiner Geburt getrennte Wege. Ich bin mir sicher, dass ihm als Kind oft alles andere als zum Lachen war. Vielleicht hat er aber schon damals entdeckt, dass Dinge, die man nicht ändern kann, leichter zu ertragen sind, wenn man sie mit Humor nimmt. Und manche Erfahrung war ja auch wie ausgedacht, dass er als Nichtschwimmer zur Marine eingezogen wurde zum Beispiel. Da hatte er übrigens in einem seiner Filme fast ein Déjà-vu. In "Drillinge an Bord" musste er ins Wasser springen, dafür hatte man extra ein Nichtschwimmerbecken aufgebaut. Und was passiert: Er ist ausgerutscht und tatsächlich untergegluckert. Und die Kameraleute haben noch gedacht: Dass macht er aber toll, der Erhardt. Dabei kam er einfach nicht mehr hoch. Schwimmen hatte er nie gelernt. Das hat er übrigens an uns Kinder weitergegeben: Wir sind alle keine guten Schwimmer.

 

Den Humor hat er Ihnen aber auch vererbt, wenn man zurückblickt auf die Wortspielereien in Ihrer Kindheit. Hilft Ihnen das heute in manchen Situationen ein bisschen?

Malicke: Diesen Humor haben wir alle vier geerbt. Ich glaube, wir nehmen alle deshalb manches ein bisschen lockerer, nicht so tragisch. Ich bin ein großer Optimist, ich versuche immer, das Beste aus einer Situation zu machen. Ich bin jetzt keine Witzkanone, aber ich lache gerne und habe Spaß.

 

Heinz Erhardt ist vor einigen Jahren bei einem ZDF-Ranking der besten Komiker des Landes auf Platz zwei gewählt worden, nach Loriot. Dabei waren seine Themen doch eigentlich auch immer bitterernst. Er schrieb über Liebeskummer, Depressionen?

Malicke: ... es war in den Kriegsjahren, als er bei der Marine war. In dieser Zeit machte sich bei ihm zum ersten Mal Hoffnungslosigkeit breit. Und diese hat er dann in Gedichten verarbeitet.

 

Fast jeder kennt auch das Gedicht von der Made und lacht darüber, dabei geht es um Abschied und Verlust, also wirklich nichts Witziges.

Malicke: Er hat einfach das Leben reflektiert, seine Umgebung beobachtet, und da geht es halt manchmal so zu.

 

Warum ist Ihr Vater heute noch so präsent?

Malicke: Sein Humor ist einfach zeitlos. Vieles von dem, was er vor Jahrzehnten geschrieben hat, trifft auf Dinge zu, die auch heute passieren. Sein Humor war außerdem sauber und ging nie unter die Gürtellinie. Keiner weiß besser als wir Kinder, wie ernst unser Vater den Humor nahm, an jedem kleinen Gedicht feilte er wieder und wieder. Nie war er wirklich zufrieden. Sich nur über andere lustig zu machen, das ist nämlich ganz sicher kein Humor. Ich finde, Humor ist schon eine sehr ernste Sache und sollte immer auch einen ernsten Hintergrund haben.

 

Zur Person

Marita Malicke wurde 1944 in Hohensalza im heutigen Polen geboren. Sie war das vierte Kind von Gilda und Heinz Erhardt. Sie hat zwei Schwestern und einen Bruder. Nach dem Krieg zog die Familie 1948 nach Hamburg. Marita Malicke ist gelernte Hundefriseuse, zog nach der Hochzeit aber mit ihrem Mann Heinz Malicke nach Siegen, wo sie in seiner gynäkologischen Praxis mitarbeitete. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie viele Jahre in Berlin. Marita Malicke hat vier Kinder und acht Enkelkinder. Vor acht Jahren zog sie in den Landkreis Heilbronn in die Nähe ihrer jüngsten Tochter Nina und lebt mit ihrem Lebensgefährten und den beiden Mopsdamen Ilvy und Vicky in Brackenheim. 

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