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Bad Friedrichshall
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Rodung in Bad Friedrichshall: Bei Apfelbaum-Virus gilt Nulltoleranz

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14 Bäume wurden mit dem Einverständnis von Naturschützern zum Schutz des Reiserschnittgartens gefällt. Der Betrieb hat europaweite Bedeutung. Der Nabu hilft bei Ersatz-Pflanzung.

Auf den Flächen des Reiserschnittgartens Baden-Württemberg in Bad Friedrichshall wachsen zahlreiche Obstbäume, deren Triebe als sortenreines Vermehrungsmaterial in ganz Deutschland und in Europa verkauft werden.
Fotos: Katharina Müller
Auf den Flächen des Reiserschnittgartens Baden-Württemberg in Bad Friedrichshall wachsen zahlreiche Obstbäume, deren Triebe als sortenreines Vermehrungsmaterial in ganz Deutschland und in Europa verkauft werden. Fotos: Katharina Müller  Foto: Müller, Katharina

Normalerweise kämpfen Naturschützer um jeden Baum - vor allem um selten gewordene Streuobstbäume. In Bad Friedrichshall wurden nun jedoch mit dem Einverständnis des Nabu und der Unteren Naturschutzbehörde 14 Apfelbäume an einer Landesstraße beim Stadtteil Jagstfeld gefällt. Sie hatten die Apfeltriebsucht. Das allein wäre jedoch kein Grund gewesen, sie sofort zu roden.

Die Gehölze mussten weg, weil sich in unmittelbarer Nähe Flächen des Reiserschnittgartens Baden-Württemberg befinden. Dort wird sortenreines Vermehrungsmaterial für Kern- und Steinobstbäume gezüchtet, das keinesfalls mit einer Krankheit infiziert werden darf, erklärt Horst Schulz vom Nabu Bad Friedrichshall. "Es gilt eine Nulltoleranz", teilt die Stadt mit, die Eigentümerin der Streuobstflächen ist, auf denen die kranken Bäume standen.

Der Reiserschnittgarten, oder auch Obstmuttergarten, in Heuchlingen ist mit 23 Hektar der größte von noch lediglich dreien in ganz Deutschland. Die beiden anderen Reiserschnittgärten befinden sich in Meckenheim im Rheinland und in Hannover (Niedersachsen). In den 1980er-Jahren hatte noch nahezu jedes Bundesland solche Gärten. Der Betrieb in Bad Friedrichshall hat aufgrund seines großen Sortiments an Steinobst sowie an historischen und regionaltypischen Streuobstsorten eine große Bedeutung, teilt Manuel Geiser, Referent für Obstbau und Pflanzengesundheit beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart mit. Sie können zum Großteil in keinem anderen Schnittgarten bezogen werden.

500 Obstsorten für die Produktion von einer Million Bäume

Horst Schulz findet sogar, dass der Reiserschnittgarten "der wichtigste in Deutschland ist". Er hält mehr als 500 Obstsorten vor. Das ist Material für die Produktion von rund einer Million Bäume, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Knapp 50 Prozent des bundesweit abgegebenen Vermehrungsmaterials stamme jedes Jahr aus Bad Friedrichshall. Zu den Kunden gehören unter anderem Baumschulen und professionelle Obstbaubetriebe. Beim Steinobst werden die Reiser, also Triebe der Bäume mit Knospen, europaweit nachgefragt, informiert das RP.

Ein einsamer Birnbaum steht noch neben einer gerodeten Fläche. Hier mussten kranke Apfelbäume weichen, um den Reiserschnittgarten zu schützen.
Ein einsamer Birnbaum steht noch neben einer gerodeten Fläche. Hier mussten kranke Apfelbäume weichen, um den Reiserschnittgarten zu schützen.  Foto: Müller, Katharina

Das Sortiment in Bad Friedrichshall wächst an verschiedenen Standorten. Das ist laut Manuel Geiser wichtig, da Krankheiten ausbrechen können oder, wie im vergangenen Jahr in Bad Friedrichshall, Hagel die Ernte von Reisern stark beeinträchtigen kann. Der Garten wird ständig durch den amtlichen Pflanzenschutzdienst des Landes Baden-Württemberg kontrolliert. So wurde auch festgestellt, dass die 14 Apfelbäume an der L1089 eine Gefahr darstellen. Die Kosten von rund 4000 Euro für die Rodung tragen die Stadt Friedrichshall und das Land je zur Hälfte. So sei es angedacht, teilt Manuel Geiser mit.

Streuobstbäume sind landschaftsprägend

Damit die Bäume nicht einfach verschwinden, hat das Land gemeinsam mit der Stadt, dem Landratsamt und dem Nabu eine Lösung gefunden. Es werden neue Bäume im selben Areal gepflanzt, das zum Teil im Landschaftsschutzgebiet liegt. "Eigentlich hätten es neue Apfelbäume sein sollen", sagt Uwe Genzwürker von der Unteren Naturschutzbehörde. Streuobstbäume seien landschaftsprägend und wurden zugunsten des Ackerbaus über die Jahre immer weniger. Sie gelte es, wo immer es geht, neu zu pflanzen. Zum Schutz des Reiserschnittgartens durften aber keine Bäume aus der Familie der Rosengewächse mehr gepflanzt werden, erklärt er. Dazu gehören Apfel- und andere Obstbäume. Sie könnten erneut Viruskrankheiten übertragen.

Somit habe man sich auf Gehölze wie Haselnuss, Winterlinde, Hainbuche und Stieleiche geeinigt. Die 16 Ersatz-Bäume stellt die Reiserschnittgarten Baden-Württemberg GmbH & Co. KG, informiert das RP. Sobald sie geliefert werden, helfen Freiwillige des Nabu beim Pflanzen, verspricht Schulz. Derzeit gebe es aber noch Lieferengpässe. Auch eine Blumenwiese, eine Hecke und Nistkästen legen die Naturschützer als Lebensraum für Tiere an.

Reiserschnittgarten ist inzwischen ein privates Unternehmen

Der Reiserschnittgarten in Bad Friedrichshall war ehemals staatlich und wurde vom Land geführt. 1998 wurde er privatisiert und 2013 zur Reiserschnittgarten Baden-Württemberg GmbH & Co. KG. Das Land begleitet das Unternehmen bei gesundheitlichen Belangen der Pflanzen und ist für die Zertifizierung zuständig. Es ist wichtig, das Umfeld und die Gärten frei von Krankheiten zu halten, da sie sich sonst schnell und über weite Strecken verbreiten, teilt die Stadt mit.

 
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