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Realschulen brauchen neue Prüfungsaufgaben

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Nachdem in Bad Urach ein Umschlag mit Prüfungsaufgaben geöffnet wurde, ist die Realschulprüfung im Fach Deutsch erst am 27. April. Den Lehrern fehlt dadurch wichtige Korrekturzeit. Die Schüler starten ihre Prüfungen jetzt mit Mathematik. Das Kultusministerium hat die Polizei eingeschaltet.

Von Tanja Ochs
2014 Heilbronn, Realabschlussprüfung Deutsch, Heinrich-v.-Kleist- Realschule

Foto: Archiv/Sawatzki
2014 Heilbronn, Realabschlussprüfung Deutsch, Heinrich-v.-Kleist- Realschule Foto: Archiv/Sawatzki  Foto: Sawatzki

Unterricht statt Prüfungsstress: 2100 Zehntklässler hätten am Mittwoch in den Realschulen von Stadt- und Landkreis Heilbronn ihre Deutschklausur schreiben müssen, fast 500 sind es in Hohenlohe. Doch stattdessen gibt es überall Unterricht nach Stundenplan.

Die Prüfung wurde verschoben, nachdem in Bad Urach der Umschlag mit den Aufgaben offen gefunden wurde. Die Entscheidung sei konsequent, sagt Volker Dörfler, Rektor der Heilbronner Mörike-Realschule. "Daran gibt es nichts zu kritisieren." Trotzdem sei man alles andere als glücklich.

Wenig Zeit für die Korrektur

Die Schüler der Hermann-Greiner-Realschule haben die Neuigkeit gelassen aufgenommen, erzählt Rektor Roland Berger. Allerdings wäre Deutsch vermutlich für manche der leichtere Einstieg in die Klausuren gewesen, sagt er. Jetzt geht es am Freitag mit Mathematik los. Den zusätzlichen Unterrichtstag können alle nochmal nutzen, um sich darauf vorzubereiten, meint Sven Hertner, Rektor der Heilbronner Dammrealschule.

Problematischer sei die Verschiebung der Prüfung für die Lehrer. Nicht ohne Grund starten die Prüfungen traditionell mit Deutsch, schließlich ist eine Zweitkorrektur vorgesehen. Der neue Zeitplan sei sehr sportlich. "Den Kollegen fehlen acht bis zehn Tage", betont auch Rita Eichmann, Rektorin der Weibertreuschule in Weinsberg. Sie werde ihren Lehrern deshalb ein bis zwei Korrekturtage einräumen - auch wenn das bedeutet, das anderer Unterricht ausfällt: "Die Prüfung hat Priorität."

Schüler haben Angst, dass sie aus dem Rhythmus kommen

Das weiß auch Silke Döll, Rektorin der Selma-Rosenfeld-Realschule in Eppingen. Der neue Prüfungstermin fällt auf ihre Einsetzungsfeier, beides sei nicht zu verschieben. Also wird die Amtseinführung "mit Notprogramm" gewürdigt. "Die Prüfung ist wichtiger", sagt Silke Döll. Sie hat ebenso wie ihre Kollegen ihre Zehntklässler am Dienstagmorgen persönlich informiert.

Sie habe versucht, es positiv darzustellen und die längere Vorbereitungszeit herauszustreichen. Trotzdem hätten viele lieber am Mittwoch angefangen. "Das ist ein mentale Geschichte", findet auch Rita Eichmann. Die Schüler waren auf die Klausur eingestellt und kommen jetzt aus dem Rhythmus, sagt Volker Dörfler. Am Ergebnis dürfte die Verschiebung allerdings wenig ändern: "So eine Prüfung wird nicht auf den letzten Metern entschieden", sagt der Schulleiter.

Polizei ist eingeschaltet

Bei ihm steht der Karton mit den Prüfungsaufgaben wie bei allen anderen Schulen noch im Safe. "Der ist sehr gut verklebt und öffnet sich nicht einfach so", sagt er. Die Schulen müssen die Umschläge versiegelt zurück ans Schulamt geben, das laut Ministerium die "Vernichtung sicherstellt". Ersatz gibt es bereits, weil immer drei Aufgabensätze erstellt werden, die können allerdings aus Sicherheitsgründen nicht einfach an die Schulen gemailt werden, heißt es in Stuttgart. Umschläge werden versiegelt und müssen bis zum Prüfungstag in Schultresoren gelagert werden.

In Bad Urach wurden die Unterlagen nacheinander von mehreren Personen aufbewahrt, zeitweise auch bei einer Lehrkraft zu Hause. Es lasse sich nicht rekonstruieren, von wem und wann der Umschlag geöffnet wurde, erklärt das Kultusministerium. Zur Klärung des Sachverhalts habe man die Polizei eingeschaltet.


Unentschuldbar

Ein Kommentar von Tanja Ochs

So wie sich Sportler auf einen Wettkampf fokussieren, arbeiten Schüler auf eine Prüfung hin. Die Anspannung steigt, je näher das Ereignis rückt. Im Idealfall wird alle Konzentration zu einem bestimmten Zeitpunkt gebündelt, um Leistung beziehungsweise Wissen abzurufen. Für 40 000 Realschüler im Land war der Prüfungsbeginn so gesehen ein Fehlstart. Die Jugendlichen wären heute bereit gewesen – jetzt müssen sie die Spannung bis Freitag halten.

Die Schüler sind zu Recht enttäuscht, viele von ihnen wollten die Klausur nach monatelanger Vorbereitung vermutlich einfach hinter sich bringen. Die Lehrer haben weniger Zeit für die Korrektur der Klausuren, die im Fach Deutsch am umfangreichsten ist. Außerdem sind in allen Schulen neue Raum-, Vertretungs- und Aufsichtspläne notwendig. Der organisatorische Aufwand ist also groß, ganz zu schweigen von den Kosten für den Druck der Aufgabenzettel, die Vernichtung der alten Umschläge, die neuen Siegel.

Fehler sind menschlich. Im Fall von Bad Urach hätten sie aber vermieden werden können, wenn sich alle an die Vorschriften gehalten hätten. Den Schulen wurden die Sicherheitshinweise mitgeliefert, Rektoren sprechen von „eindeutigen Bestimmungen“. Diese zu ignorieren, ist reine Nachlässigkeit. Dass ein Lehrer die Aufgaben unbeaufsichtigt zu Hause rumliegen lässt, ist durch nichts zu entschuldigen. Die Unachtsamkeit einer einzelnen Schule zieht einen ungeheuren Rattenschwanz nach sich.

 

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