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Professor Trumpp will dem Krebs den Garaus machen

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Der Stammzellenforscher Andreas Trumpp aus Flein entwickelt neue Therapien gegen Krebs. Sein Team hat sich insbesondere aggressiven Formen wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Leukämie angenommen. Bald startet eine klinische Studie an Patienten.

Von Carsten Friese
Das Mikroskop-Bild zeigt ein NervenzellenNetzwerk. Es wird von Stammzellen gebildet, die aus menschlichen Blutzellen umprogrammiert wurden. Diese Zellen sollen krankes Nervengewebe ersetzen.                                                     
Foto: DKFZ
Das Mikroskop-Bild zeigt ein NervenzellenNetzwerk. Es wird von Stammzellen gebildet, die aus menschlichen Blutzellen umprogrammiert wurden. Diese Zellen sollen krankes Nervengewebe ersetzen. Foto: DKFZ  Foto: Hi-Stem, Heidelberger Institut für Stammzellforschung und Experi

Er hat schlafende Krebsstammzellen entdeckt. Er arbeitet mit seinem Team aus internationalen Wissenschaftlern mit Hochdruck daran, effektive Therapien gegen Krebs zu entwickeln und ist von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in Stuttgart mit dem Landesforschungspreis 2018 ausgezeichnet worden. Professor Andreas Trumpp (54), in Heilbronn geboren und in Flein aufgewachsen, kommt zu großen Ehren. Bei der Preisverleihung nannte die Ministerin den Molekularbiologen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg "einen Spitzenwissenschaftler", der mit dazu beitrage, dass der Forschungsstandort Baden-Württemberg "an der Weltspitze" bleibe.

Wer den Leiter der DKFZ-Abteilung Stammzellen und Krebs sowie Direktor des Heidelberger Instituts für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin zum Gespräch trifft, erlebt einen freundlichen, eloquenten und ganz und gar nicht abgehobenen Wissenschaftler. Einen dreifachen Familienvater, der in San Francisco und Lausanne an führenden Universitäten forschte, der heute Chef von rund 80 Mitarbeitern ist. Eine 65-Stunden-Woche ist für Trumpp Normalität. Was ihn antreibt? "Krebs bringt so viel Leid über Menschen. Ich möchte ihn besser verstehen und helfen, ihm hoffentlich bald die Gurgel abzudrehen", sagt er in plakativen Worten.

Wann gesunde Zellen böse Nachkommen produzieren

Die Stammzellen, sein Forschungsfeld, sind mit Blick auf den Menschen Fluch und Segen zugleich. Nur Stammzellen, die in allen Organen auftreten, können sich im Gegensatz zu Billionen normaler Gewebezellen dauerhaft teilen und fast unbegrenzt Nachkommen produzieren. Sie sorgen für die Erneuerung von Gewebe wie der Haut, der Schleimhäute von Mund bis Magen, im Darm oder im Blut- und Immunsystem.

Ist alles gesund, fallen die meisten Stammzellen in einen Schlafzustand. In Alarmsituationen werden sie dann aktiviert, um bei Blutverlust, Vergiftungen oder Infektionen neue Zellen zu produzieren. Krebszellen entstehen, wenn das Erbgut einer Zelle verändert wird. Zum Beispiel durch UV-Licht; wenn bei der Zellteilung aus Pech oder Zufall ein Fehler entsteht; oder wenn giftige Substanzen wie im Zigarettenrauch, massive Umweltgifte oder ein langjährig hoher Alkoholkonsum den DNA-Code verändern. Das Dilemma: Wenn solche Genveränderungen in einer Stammzelle auftreten, werden die Mutationen an alle Nachkommen lebenslang weitervererbt. Die Saat breitet sich im Körper aus. Kommen weitere Mutationen hinzu, entwickelt sich eine Tumorzelle, die dann den Krebs entstehen lässt.

Bei schlafenden Krebsstammzellen verpuffen gängige Medikamente

Wo der Wissenschaftler ansetzt, um Krebs aufzuhalten? Er hat mit seinem Team entdeckt, dass auch Krebsstammzellen den vorübergehenden Schlafzustand nutzen. In diesem Zustand aber verpuffen Krebs-Medikamente. Ruhende Krebsstammzellen sind resistent. Eine Vorbehandlung mit einem speziellen Botenstoff soll schlafende Krebsstammzellen aktivieren und eine erste Therapieform sein, um die bösen Zellen mit Hilfe gentechnisch umprogrammierter eigener Immunzellen eines Patienten zu bekämpfen. "Noch ist das Zukunftsmusik", betont Trumpp.

Viel weiter ist das Team im Kampf gegen aggressiven Bauchspeicheldrüsenkrebs. Krebszellen produzieren in dem Organ große Mengen eines Enzyms, das Krebsmedikamente unwirksam macht. Wird ein spezieller Hemmstoff eingesetzt, kann die Enzymaktivität blockiert werden - und Krebsmedikamente können doch wirken. Hier stehen Trumpp und Kollegen vor dem Start einer klinischen Studie, in der die Therapie an 30 Patienten getestet werden soll. Etwa drei Jahre wird die Studie dauern.

Bei Versuchen mit Mäusen hat Therapie bei Blutkrebs funktioniert

Und auch bei einer aggressiven Leukämie-Form (Blutkrebs) sind die Forscher daran, einen Hemmstoff zu entwickeln, der ein Enzym blockiert, was zum Absterben von Krebszellen führt. In Versuchen mit Mäusen, so Trumpp, habe der Mechanismus funktioniert. Ohne diese Tierversuche gehe es nicht, betont er - weil lebendes menschliches Untersuchungsmaterial wie Tumorzellen aus Blut oder Krebsgewebe sehr begrenzt sei.

Hochkomplexe Technik setzen die Wissenschaftler in den Laboren ein. Dazu gehören ein Zellsortiergerät mit Lasertechnik, das aus 100 Millionen Zellen die wenige tausend Stammzellen heraussammelt, ein DNA-Sequenziergerät oder ein Massenspektrometer mit Ionenquelle zur Analyse von Zellproteinen. Andreas Trumpp arbeitet seit gut 15 Jahren nicht mehr selbst an Experimenten im Labor. Er bespricht und bewertet die Ergebnisse mit seinen Wissenschaftlern und Partnern, plant neue Versuche, schreibt Veröffentlichungen und wirbt Forschungsgelder ein. Oft ist der 54-Jährige auch beim wissenschaftlichen Austausch auf Fachkonferenzen. Im Jahr 2018 sammelte er beruflich rund 170 000 Flugmeilen in vier Kontinenten.

Auszeichnung für das ganze Team

In seinem Heimatort Flein ist Trumpp regelmäßig. Er besucht seine 98-jährige Mutter und Freunde von der Schulzeit. Der Haigern und der Sonnenberg sind Lieblingsplätze aus frühen Jahren. "Ich hatte hier eine tolle Kindheit", blickt der begeisterte Tänzer und Skifahrer zurück. Über den mit 100 000 Euro dotierten Landesforschungspreis hat er sich riesig gefreut. Der Preis sei für das ganze Team eine Auszeichnung "für die Arbeit von vielen Jahren". Und er sei Ansporn, auch weiter mit wichtigen Erkenntnissen aus der Stammzellenforschung zum Kampf gegen Krebs beizutragen. Damit es gelingen kann, der aggressiven, weit verbreiteten Krankheit in absehbarer Zeit den Garaus zu machen.


Dicht dran am Nobelpreisträger

Landesforschungspreisträger 2018: Der Biologe Professor Andreas Trumpp. Foto: Friese
Landesforschungspreisträger 2018: Der Biologe Professor Andreas Trumpp. Foto: Friese  Foto: Friese, Carsten

1964 in Heilbronn geboren, wuchs Andreas Trumpp in Flein auf, am JKG in Sontheim machte er Abitur. Nach dem Biologiestudium schrieb er im Europäischen Labor für Molekularbiologie in Heidelberg seine Doktorarbeit. Danach forschte er sieben Jahre an der Universität in San Francisco im Labor von Krebsforscher und Nobelpreisträger J. Michael Bishop. Dann ging er als Forschungsgruppenleiter ans Schweizer Institut für experimentelle Krebsforschung in Lausanne. 2008 wechselte er zum Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg, übernahm die Leitung der Abteilung Stammzellen und Krebs.

Sein ältester Sohn hatte vor einigen Jahren selbst Krebs, der mit schwerer Chemotherapie erfolgreich bekämpft wurde. Diese Erfahrung hat Andreas Trumpp zusätzlich motiviert.

 

 

Mit Millionen-Etat auf dem Weg zum Erfolg

Eine Labormitarbeiterin am flüssigen Stickstofftank zur Lagerung von Stammzellen.
Foto: Hi-STEM
Eine Labormitarbeiterin am flüssigen Stickstofftank zur Lagerung von Stammzellen. Foto: Hi-STEM  Foto: Hi-Stem, Heidelberger Institut für Stammzellforschung und Experi

Nicht nur im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist Prof. Andreas Trumpp im Kampf gegen Krebs aktiv. Er leitet zudem ein Forschungsinstitut in den den DKFZ-Räumen in Heidelberg. Hinter dem Firmentitel Hi-STEM gGmbH steht ein gemeinnütziges Unternehmen, das im Jahr 2008 als privat-öffentliche Partnerschaft gegründet wurde. Ein Gesellschafter und Hauptgeldgeber ist das staatlich getragene DKFZ, der andere Gesellschafter ist SAP-Gründer und TSG-Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp mit seiner Stiftung. Wie das?

Dietmar Hopp habe früher schon verschiedene Biotech-Firmen aufgebaut, eine habe sich auch mit Stammzellen beschäftigt, erklärt Andreas Trumpp. Als er nach Heidelberg wechselte, entstand die Idee, etwas Neues mit eigenen Laboren aufzubauen. So kam die Kooperation im Kampf gegen die Volkskrankheit zustande. Regelmäßig kommt Hopp auch im Institut vorbei. Das Ziel der Partnerschaft: durch hochkarätige Grundlagenforschung an normalen und bösartigen Stammzellen neue diagnostische und therapeutische Verfahren für Krebspatienten zu entwickeln.

70 Mitarbeiter sind im Institut beschäftigt

Die Räume erstrecken sich auf 850 Quadratmeter. 70 Mitarbeiter sind im Institut beschäftigt, vom Molekularbiologen über Biochemiker, Humanmediziner, Mathematiker, Informatiker bis zu Technikern und Verwaltungsmitarbeitern. Das Budget liegt bei drei bis vier Millionen Euro im Jahr, inklusive eingeworbener Drittmittel.

"Wie Leben funktioniert, hat mich schon immer fasziniert", blickt Trumpp auf die Schulzeit mit den Lieblingsfächern Biologie und Sport. Als die Gentechnologie aufkam, war ihm klar: "Das will ich machen."

Sport, Kalt-Warm-Wechsel und Bewegung an frischer Luft verzögern Altern

Was der Krebsforscher Menschen rät, um Krebs vorzubeugen? Keine Zigaretten, kein intensiver Alkoholkonsum ist bekannt. Massives Übergewicht vermeiden, rät Trumpp, weil Übergewicht chronische Entzündungen fördere. Zudem sei Sport "komplett wichtig" sowie den Körper einem Wechsel "kalt-warm" und frischer Luft auszusetzen. Alte Menschen sollten rausgehen, sich im Freien bewegen, um die Zellerneuerung anzuregen. Sonst laufe der Alterungsprozess schneller ab. Eine ausgewogene, breite Ernährung mit Fleisch, Gemüse, Obst sei wichtig. Vegane Kost sieht er kritisch, vor allem für Kinder sei es gefährlich, weil ihr Energiebedarf "riesig ist". Und: Man soll Dinge tun, die einen glücklich machen - denn das stimuliere das Immunsystem.

 
 
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