Partnergewalt: Hinschauen ist eine Frage von Zivilcourage
Der Weiße Ring appelliert: Zivilcourage zeigen, für Betroffene einstehen und die eigenen Werte hochhalten
"Partnergewalt ist ein Thema, das möchte man nicht wahrnehmen", sagt Dieter Ackermann, Außenstellenleiter der Opferhilfe Weißer Ring in der Region Heilbronn. Angesichts der hohen Fallzahlen wünscht sich der 63-Jährige, "dass die Gesellschaft hinguckt". Dass Angehörige, Freundinnen und Nachbarn einfach mal nachfragen, wenn ihnen auffällt, dass jemand zum Beispiel still geworden ist oder in kurzer Zeit viel Gewicht verliert. "Man kann doch einfach sagen: Mir fällt auf, dass du so ruhig geworden oder so dünn geworden bist."
Nicht nur in akuten gewalttätigen Situationen handeln
Hinschauen, potenzielle Opfer ansprechen - auch das ist Zivilcourage. Zivilcourage sei mehr, als in eine akute gewalttätige Situation in der Öffentlichkeit einzugreifen. Darauf macht die Hilfsorganisation Weißer Ring für Opfer von Kriminalität mit Sitz in Mainz aufmerksam. In einer Pressemitteilung des Vereins anlässlich des Tags der Zivilcourage heißt es, es gehe nicht immer darum, sich körperlich einzumischen. "Wichtig ist, dass gehandelt und nicht weggeschaut wird." Zivilcourage bedeute auch, sich für die eigenen Werte einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen.
Aktueller Fall in Rheinland-Pfalz: Frau stirbt
In Heilbronn wünscht sich Dieter Ackermann mehr Sensibilität für das Thema Partnergewalt. Er stellt beispielsweise fest: Schlägt ein Mann aus der gehobenen Gesellschaftsschicht zu, wird das von unbeteiligten Dritten, die etwas ahnen, lieber unter den Teppich gekehrt. "Kein Nachbar möchte den Herrn Abteilungsleiter anzeigen." Ackermann verweist auf Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA). Es erfasst alle angezeigten Fälle, das sogenannte Hellfeld.
Dabei erstattet längst nicht jede Betroffene Anzeige, einige erfahren von Hilfsorganisationen und Beratungsstellen Unterstützung, andere suchen bei einem Anwalt Rat. Laut BKA gibt es in Deutschland im Jahr 2021 (aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor) 143 016 Fälle von Gewalt in Partnerschaften. 80 Prozent der Opfer sind weiblich. Einige von ihnen sterben. So ist Ende August eine Frau aus Mainz lebensgefährlich verletzt worden. Vergangenen Mittwoch ist die 47-Jährige an ihren schweren Verletzungen gestorben. Die Polizei geht davon aus, dass der Ehemann die Frau verletzt hat.
Der Weiße Ring appelliert, für andere einzutreten, sich für sie stark zu machen, laut zu werden. Ackermann wünscht sich, dass auch vom Partner misshandelte Frauen den Mut finden und sich outen. "Dass sie sagen: Ich dulde das nicht." Dass sie Prügel nicht entschuldigen, nicht als ihren Fehler ansehen.

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