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OB Mergel: "Heilbronn lebt mit der Kraft der zwei Herzen"

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Der Heilbronner Oberbürgermeister Mergel blickt im Interview nachdenklich auf 2020 zurück, zeigt sich aber für 2021 optimistisch. Im Zukunftspark Wohlgelegen will die Stadt die Innovationsfabrik II bauen, die neue Brücke beim Hauptbahnhof soll Buga-Brücke heißen.

"Auch im Corona-Jahr 2020 ging die Stadtentwicklung in Heilbronn in allen Bereichen planmäßig weiter", erklärte Oberbürgermeister Harry Mergel im Jahresinterview. Auch für 2021 sieht er die Stadt gut aufgestellt.
Foto: Ralf Seidel
"Auch im Corona-Jahr 2020 ging die Stadtentwicklung in Heilbronn in allen Bereichen planmäßig weiter", erklärte Oberbürgermeister Harry Mergel im Jahresinterview. Auch für 2021 sieht er die Stadt gut aufgestellt. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Das Corona-Jahr 2020 war für den Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel (64) ein Jahr der "beispiellosen Herausforderung". Im Stimme-Interview spricht er ferner über die Bildungs- und Wissensstadt Heilbronn, die Stadtentwicklung und seine Wünsche.

 

2020 war wegen der Corona-Pandemie ein besonderes Jahr. Welchen Stellenwert nimmt dieses Jahr in Ihrer Amtszeit und in der Nachkriegsgeschichte der Stadt Heilbronn ein?

Harry Mergel: Generationen, die bislang nur Aufschwung, wachsenden Wohlstand und nahezu uneingeschränkte Freiheit erlebt haben, spüren auf einmal Grenzen und Existenzängste. Das ist für jeden einzelnen, aber auch für unsere Stadtgesellschaft eine beispiellose Herausforderung.

 

Was bewegt Sie dabei besonders?

Mergel: Mich berührt die Tatsache, dass unsere Nachkriegs- und Aufbaugeneration, der wir so vieles zu verdanken haben, durch die Pandemie besonders hart getroffen wird. Da wir in einem starken Land und einer gut funktionierenden Demokratie leben, wird es uns gelingen, die Krise zumindest ökonomisch zu bewältigen. Die psychischen und sozialen Folgen werden uns aber noch lange Zeit beschäftigen.

 

Wo steht die Stadt - auch finanziell - nach dem Ende der Corona-Zeit?

Mergel: Unsere permanente Aufgabe, Heilbronn ökonomisch, ökologisch, sozial und gesellschaftlich zukunftsfähig zu machen, haben wir in der Pandemie nicht vernachlässigt. Und da Heilbronn derzeit die "Stadt mit der Kraft der zwei Herzen" ist, dürfen wir auch sehr optimistisch in die Zukunft schauen.

 

Was verstehen Sie unter der "Stadt mit der Kraft der zwei Herzen"?

Mergel: Neben der originären Stadtentwicklung erfolgt gerade in atemberaubender Geschwindigkeit der Ausbau Heilbronns zur Forschungs- und Wissensstadt. Diesen Trumpf, den in dieser Qualität sonst keine deutsche Stadt spielen kann, verdanken wir vor allem Dieter Schwarz und dessen Verbundenheit zu seiner Heimatstadt.

 

Haben Sie, was Corona betrifft, stets richtig entschieden oder würden Sie aus heutiger Sicht und neuen Erkenntnissen anders entscheiden?

Mergel: Natürlich reflektiere und zweifle auch ich manchmal. Zum Beispiel, wenn ich auf die vergleichsweise hohen Infektionszahlen blicke, die durchaus auch an unserer intensiven Teststrategie liegen können. Ziel bleibt, auch bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 möglichst alle Kontakte nachzuverfolgen, diese zu testen und alle positiv Getesteten zu isolieren. Damit schützen wir die Gesunden. Ich würde mich auch heute wieder für diese Vorgehensweise entscheiden.

 

Gibt es in der Stadt Corona-Hotspots?

Mergel: Nein, es gibt keine lokalen oder soziologischen Auffälligkeiten.

 

Welche Projekte im Hoch- und Tiefbau können nach Corona mittelfristig noch realisiert werden?

Mergel: Die Stadtentwicklung geht in allen Bereichen planmäßig weiter. So schaffen wir mit unserer Wohnungsoffensive im Neckarbogen und im Nonnenbuckel 1000 neue Wohnungen. Und im Bildungsbereich investieren wir rund 60 Millionen Euro in den Neubau und die Sanierung von Schulen. Zudem machen wir die städtischen Schulen fit für den digitalen Unterricht. Die Erschließungsbrücke für den Neckarbogen wird fertig. Wir werden dem Gemeinderat vorschlagen, sie Buga-Brücke zu nennen.

 

Der Ausbau der Stadt zur Bildungs- und Wissensstadt ist aber auch die Basis für ihre Wirtschaftskraft.

Mergel: Richtig, Wissensstadt schafft Wirtschaftskraft. Künftig auch durch die Start-up-Schmiede Campus Founders und die Programmierschule école 42.

 

Auf welche Events im kommenden Jahr freuen Sie sich besonders?

Mergel: Zunächst freue ich mich über jeden kleinen Schritt auf dem Weg zur Normalität. Wann aber Veranstaltungen wieder stattfinden können, vermag ich heute nicht zu prognostizieren. Bis zum 30. Juni sind ja alle städtischen Großveranstaltungen abgesagt. Es wird keinen Pferdemarkt, keinen Trollinger Marathon und auch kein Buga-Jahresfest geben.

 

In den vergangenen Monaten gab es viele Menschen, die aufopferungsvoll gearbeitet haben. Können Sie sich ein rein städtisches Corona-Dankeschön vorstellen?

Mergel: Sowohl in den Kliniken als auch in der Verwaltung wurde auf die außergewöhnlichen Belastungen und die großartigen Leistungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen reagiert. Neben der Zahlung von Prämien haben wir durch weitere Anerkennungen, zum Beispiel Sonderurlaub, mobiles Arbeiten und ein flexibles Eingehen auf die jeweilige Familiensituation, Dank und Wertschätzung zum Ausdruck gebracht.

 

Der Zukunftspark ist ein Vorzeigestandort für innovative Unternehmen. Tut sich da Neues?

Mergel: Nicht nur für die Wissensstadt, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Heilbronn könnte 2021 ein sehr gutes Jahr werden. Und das liegt nicht nur daran, weil wir im Zukunftspark Wohlgelegen hinter dem dortigen Parkhaus, Richtung Zoll, die Innovationsfabrik II bauen, sondern auch an den sich anbahnenden Entwicklungen.

 

Baubürgermeister Hajek und seine Ämter gerieten zuletzt häufiger in die öffentliche Kritik. Nicht nur einmal mussten Sie Feuerwehr spielen. Gab es klärende Gespräche zwischen Ihnen und Herrn Hajek?

Mergel: Für den Kollegen Hajek und sein Baudezernat gilt die schwäbische Weisheit: Wer viel schafft, macht auch mal Fehler. Wir sind ständig im intensiven Austausch. Dabei werden auch kritische Themen nicht ausgespart.

 

Was erhoffen Sie sich vom Jahr 2021?

Mergel: Schön wäre es, mal wieder mit Freunden am langen Tisch zu sitzen, Feste zu feiern oder Urlaub zu machen. 2020 hat mir gezeigt, Dinge, die wir bisher als selbstverständlich wahrgenommen haben, als Geschenk zu betrachten.

 

Würden Sie gerne im Wahljahr 2022 als dann wiedergewählter OB das Heilbronner Weindorf eröffnen?

Mergel: Es ist immer eine besondere Freude, das Weindorf zu eröffnen. Allerdings sollten wir den ersten vor dem zweiten Schritt machen. Zunächst würde ich dies gerne im Jahr 2021 tun.

 

Zur Person

Harry Mergel (64) ist seit 1. Mai 2014 Oberbürgermeister der Stadt Heilbronn. 1974 trat Mergel, der aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stammt, der SPD bei. Von 1989 bis 2005 saß er für die SPD im Gemeinderat der Stadt und war von 1996 bis 2005 auch SPD-Fraktionsvorsitzender. 2005 wurde er vom Gemeinderat zum Schul,- Kultur- und Ordnungsbürgermeister gewählt. 2013 erfolgte die Wiederwahl. 2014 gewann Mergel die Wahl zum Oberbürgermeister im ersten Wahlgang mit 55,9 Prozent gegen Martin Diepgen (CDU). Mergel ist seit 1989 mit Beate Bindereif-Mergel verheiratet. Sie haben zwei erwachsene Kinder und wohnen in Sontheim. 

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