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Notbetrieb an Schulen: Rektor spricht von Betreuung statt Unterricht

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Der Verband Bildung und Erziehung sieht zunehmenden Notbetrieb an vielen Schulen im Land. Die Einschätzung teilen viele Verantwortliche in der Region Heilbronn, aber nicht alle.

Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 800.000 Lehrkräfte.
Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 800.000 Lehrkräfte.  Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Viele Schulen sind im Notbetrieb. Zu dieser Einschätzung kommt der Verband Bildung und Erziehung (VBE). "Unterm Strich sind wir über alle Schularten hinweg an einem kritischen Punkt angelangt", sagt der Landesvorsitzende Gerhard Brand.

Eine VBE-Studie kommt zum Ergebnis, dass jede zehnte Grundschule, 20 Prozent der Sekundarschulen und 40 Prozent der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren den Regelbetrieb nicht abdecken können. Schulen in der Region Heilbronn teilen diese Einschätzung, das Schulamt nicht.


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Schulleitung schildert die schwierige Situation

"Schule findet statt, sie muss stattfinden", heißt es gegenüber unserer Zeitung aus einer Schulleitung, die namentlich nicht genannt werden will. "Wir können keinen Unterricht ausfallen lassen." Weil Lehrer fehlten, müssten Fächer zusammengelegt und größere Klassen gebildet werden. Der Schule gehe es noch verhältnismäßig gut, so die Schulleitung. Andernorts sehe es dramatischer aus.

Das wirkt sich aber aus: Weil woanders mehr Lehrer fehlen, müsse die Schule dorthin Kollegen abgeben, die dann für den eigenen Unterricht fehlen. Wenn ein Kollege ausfällt, müsse man umplanen. Auch die Schulleitung übernehme Unterricht. Und kranke Lehrer schickten von zu Hause Material - damit die Kinder unterrichtet werden können. Schülern werde man so "mit Sicherheit" nicht gerecht, betont die Schulleitung. "Wenn man ehrlich ist, findet Betreuung statt, kein Unterricht."

GEW sieht dramatische Lage an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren

Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht das ähnlich. Irgendwie finde Schulbetrieb statt, sagt der GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn und ergänzt: Dabei gehe es aber noch gar nicht um den Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schulen. "Wir haben keine Lehrerreserve." Corona spiele bei den Ausfällen eine Rolle, man benötige Personal für ukrainische Kinder.

"Zudem rollt eine Erkältungswelle recht heftig durch die Schulen." Sehr dramatisch sei die Situation an jenen SBBZ, in denen geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche unterrichtet werden. Harald Schröder: Dort herrsche ein großer Personalmangel.

Es geht nicht nur um den Regelunterricht

Der Frust in Lehrerzimmern sei enorm, sagt Sebastian Lutz, VBE-Landesbezirksvorsitzender Nordwürttemberg und VBE-Geschäftsführer Kreisverband Hohenlohe-Franken. Die vergangenen Jahre seien bereits anstrengend gewesen, sagt er. Durch Corona seien viele Lehrer ausgefallen, die Lücken aber durch Mehrarbeit des übrigen Kollegiums geschlossen worden. Dieses Jahr würden die Schulen aber schon mit weniger Kollegen starten. Sebastian Lutz erwartet in den kommenden Wochen eine große Belastung. "Die Lehrer können schon gar nicht mehr." Die Stimmung sei im Keller. Die Bereitschaft, wieder Mehrarbeit zu leisten, sei nicht mehr da.

Sebastian Lutz blickt dabei über den Regelunterricht hinaus, er sei nur ein Teil der Schule. "Da gehört noch viel mehr dazu." Schlimm wäre es für Kinder, stünden aufgrund des Lehrermangels Ausflüge oder Arbeitsgemeinschaften auf der Kippe.

Das gelten als Ursachen des Lehrermangels

150 Schulleiter von Gymnasien trafen sich kürzlich mit Grünen-Kultusministerin Theresa Schopper. Mit zu den Hausaufgaben des Ministeriums gehöre, "dass es besser wird mit der gymnasialen Grundversorgung", sagt Marco Haaf, der die Direktoren in der Region als Sprecher vertritt. Die Situation in den Lehrerzimmern sei angespannt. "Schwanger werden darf niemand."

Marco Haaf macht mehrere Punkte aus, weshalb an Schulen schon lange Lehrer fehlten: "Wenn es der Wirtschaft gut geht, tut sich die öffentliche Hand schwer, Personal zu finden." Zudem habe sich das Studium verändert: Studenten könnten sich jetzt noch recht spät gegen das Lehramt entscheiden. Zudem sei die Arbeit der Lehrer komplexer geworden. Zusatzaufgaben seien hinzugekommen, nichts gestrichen worden.

So schätzt das Schulamt die Lage ein

"Es ist bekannt, dass die Versorgung nicht gut ist", sagt Markus Wenz, der das staatliche Schulamt in Heilbronn leitet. Man steuere aber seit Jahren mit "sinnvollen Mitteln" gegen. Sinnvoll ist seiner Meinung nach alles, was den Schülern zugutekomme.

"Ich bin sicher, dass angesichts der nicht guten Versorgung und den aktuell wieder hohen Infektionszahlen die eine oder andere Stunde ausfällt, obwohl die Schulleitungen und Kollegien versuchen, auch diesen Engpass durch Vertretungen und organisatorische Umbauten zu kompensieren." Vorübergehende Engpässe würden gar nicht gemeldet. Unterm Strich ist Markus Wenz aber sicher: So schlecht, wie es der VBE sieht, sei es in der Region Heilbronn nicht.

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