Nicht nur Saft und Wein: Was der Rebstock so alles hergibt
Die Traubenlese ist dieser Herbsttage in vollem Gange. Aus Trauben lässt sich viel mehr machen als Saft, Wein oder Sekt. Auch Reben, Blätter, Blüten und Kerne taugen für besondere Spezialitäten.
Dass aus Trauben Saft, Wein und Sekt gewonnen wird, weiß jedes Kind. Dass in der Cognac-Flasche Weinbrand steckt, ist nichts Neues. Dass die Palette der Produkte, die aus Reben und aus deren Früchten hergestellt werden kann, gerade in Hofläden mitunter ganze Regale füllt, ist weniger bekannt. Etliche Genossenschaften und Güter haben mit Nudeln, Weinpralinen oder etwa Traubenkernöl ihr Sortiment erweitert. Sie eignen sich als Geschenke, aber natürlich auch zum eigenen Genuss. Manches fördert sogar die Gesundheit. Dr. Günter Röhrig von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg hat das weite Feld solcher Spezialitäten in einem ausführlichen Fachartikel beschrieben. Er steuert damit einige regionale Genießer-Tipps für diese Blickpunkt-Seite bei.
Direkt vom Rebstock
Im April treiben am Rebstock die ersten Knospen aus. Nach einigen Wochen sind die Blätter an den jungen Trieben etwa so groß wie eine Kinderhand und können mit Käse- oder Reis-Mixturen gefüllt und gegart werden. Aber Obacht: Der Weinberg sollte nicht frisch gespritzt sein. Auch beim Einlegen von Gurken können Traubenblätter als Würze dienen. Blätter mit Herbstfärbung eignen sich dagegen weniger zum Verzehr, dafür aber umso mehr als Dekorationsmaterial.
Unscheinbar ist die Traubenblüte. Sie vollzieht sich für Laien kaum sichtbar an wenigen Tagen im Juni. Dafür duften die zarten Gescheine wunderbar nach Jasmin. Daraus kann man Traubenblütenöl gewinnen, das den Sekt oder Likör verfeinert. Es wird aber auch für Kosmetika genutzt, etwa für Rasierwasser, Duschlotion, Seife. Auch das alte Rebholz findet Verwendung. Nicht nur als urig-knorriges Deko-Teil, sondern auch als Feuerholz oder bei Festen zum Backen von Zwiebelkuchen oder Brot.
Aus Trauben und Trester
Trauben kann man natürlich auch einfach essen, vor allem Aromasorten wie Muskateller und Tafeltrauben. In getrockneter Form heißen sie Rosinen: griechische Korinthen sind klein, schwarz, kernlos, türkische Sultaninen größer, hell, kernlos.
Verjus ist ein Grünsaft aus unreifen Beeren und dient in der Küche als mildes Würzmittel.Bei der Weinbereitung werden die Trauben abgebeert, gequetscht und gepresst. Der Saft wird abgezogen, der Trester taugt nicht nur zum Düngen oder Brennen. Er enthält auch Pektin, ein Verdickungsmittel für die Lebensmittelindustrie. Bei roten Sorten sind die Phenole interessant, die die Gesundheit fördern, weil sie etwa Trombosen vorbeugen und das "gute" HDL-Cholesterin anheben sowie das "böse" LDL absenken. Die ausgesiebten Kerne lassen sich zu Traubenkernöl verarbeiten. Gesünder und schmackhafter als industriell gewonnene Öle sind die kalt gepressten "nativen". Sie sind aber auch teurer: wegen der geringen Ausbeute.
Dem Most abgewonnen
Traubenmost ist beim Keltern ein noch alkoholfreies Zwischenprodukt, das vor der Gärung und nach der Filtration unter Zusatz von schwefliger Säure auch als Süßreserve genutzt wird. Die wird je nach Bedarf trockenen Weinen zugesetzt, um auf den gewünschten Zuckerwert zu kommen: von halbtrocken bis lieblich. Traubensaft muss dagegen schwefelfrei sein und wird normalerweise durch Erwärmen auf rund 80 Grad Celsius haltbar gemacht. Neuerdings wird Traubensaft auch in alkoholfreiem Secco verwandelt, indem man ihn mit Kohlendioxid spritzig macht. Most und Saft lassen sich mit Alkohol in Traubenlikör verwandeln. Liköre müssen mindestens 15 Volumenprozent Alkohol und pro Liter 100 Gramm Zuckerextrakt aufweisen. Recht bekannt ist Weinbergs-Pfirsichlikör, der aber oft aus Essenzen hergestellt wird. Hochwertiger sind Liköre aus Buketttrauben, Riesling, Dornfelder oder Spätburgunder. Teils gibt es auch recht exotisch klingende Getränke wie Winzerkaffee-Likör.
Aus fertigem Wein erzeugt
Das Staatsweingut Weinsberg spielt bei etlichen neuen Produkten in Deutschland eine Vorreiterrolle. Etwa beim schwäbischen Portwein, der aber hierzulande nicht so genannt werden darf. Dabei handelt es sich um ein hochprozentiges Weindestillat, das in der Gärung gestoppt und danach einer Holzfasslagerung unterzogen wurde.
Cognac und Weinbrand sind im Prinzip dasselbe. Sie werden aus Weinen in Brennereien destilliert und oft über Jahre hinweg in Holzfässern gelagert, daher die bräunliche Farbe.
Auch Weinhefe, die sich nach der Gärung im Holzfass oder im Stahltank absetzt, kann in flüssigem Zustand gebrannt werden. Dabei fallen viele Ölkomponenten ab. Dieses Hefeöl kann als Zusatzmittel bei der Herstellung von Bonbons, Gebäck, Kaugummi, Cognac und Kosmetika verwendet werden.
Manche Winzer versuchen auch, mit dem aktuellen In-Getränk Gin zu punkten. Der lässt sich statt mit Neutralalkohol auch mit einem hochprozentigen Weindestillat herstellen. Grundlage müssen aber immer Wacholderbeeren sein, denen die Neudeutsch sogenannten "Botanicals" zugesetzt werden.
Schorle & Co.
Das Weinrecht bietet auch die Möglichkeit, sogenannte weinhaltige Getränke herzustellen; bei ihnen muss der Weinanteil bei mindestens 50 Prozent liegen. Banales Beispiel: Schorle. Die gibt es inzwischen sogar auf Flasche, etwa bei der Genossenschaftskellerei Heilbronn.
Wermut fällt unter die aromatisierten Weine mit mindestens 75 Prozent Weinanteil: Der Wein wird mit Alkohol auf 14,5 bis 22 Volumenprozent gebracht. Zur Aromatisierung dürfen laut Gesetz natürliche Aromastoffe, Würzkräuter, Gewürze und geschmackgebende Lebensmittel zugesetzt werden. Auch die Süßung oder Färbung mit Zuckercaramel ist erlaubt.
Glühwein ist ein aromatisiertes weinhaltiges Getränk: Bei einem Weinanteil von mindestens 50 Prozent liegt der Alkohol bei mindestens sieben Volumenprozent. Er darf mit natürlichen und künstlichen Stoffen aromatisiert werden. Aromatisierter weinhaltiger Cocktail enthält weniger als sieben Volumenprozent Alkohol. Alle Aromatisierungsarten sind erlaubt. Sie werden oft mit Kohlensäure versetzt und kalt oder mit Eis serviert.
Obacht bei angeblich alkoholfreiem Wein
Alkoholreduzierte und alkoholfreie Weine sind stark im Kommen. Dabei wird dem Wein über Vakuumdestillation Alkohol entzogen, am Ende aber wieder etwas Originalwein zugesetzt, - also Obacht, daraus darf ein Alkoholgehalt bis zu vier Volumenprozent resultieren. Zudem wird zwecks Frische oft Kohlensäure zugesetzt.
Winzeressige werden langsam per Essigmutter, auch Essigpilz genannt, gewonnen oder durch eine Schnellgärung mit Essigbakterien im Spezialtank. Holzfasslagerung steigert die Güte. Weinessig muss mindestens sechs Prozent Säure aufweisen. Wenn man ihn mit Kräutern wie Basilikum, Thymian oder Rosmarin ziehen lässt, gewinnt man aus Weinessig Kräuteressig. Essig taugt nicht nur für den Salat, sondern selbst als Aperitif - wenn man ihn mit Wasser oder Saft auf 1,8 Prozent Säure verdünnt und etwas Honig oder Traubenmostkonzentrat zugibt. Als In-Getränk gehandelt wird Switchel: aus Ingwer, Essig, Zitrone, Honig plus Orangensaft, Erdbeerpüree oder Limettensaft.
Auch Essig kann lecker sein
Aus Essig lassen sich auch Gelees herstellen, beliebter sind sie aus Traubensaft oder Wein. Pralinen sind meist mit Bränden und Likören gefüllt, aber auch mit Eiswein und Essig. Pionier ist hier Eberhard Schell aus Gundelsheim.
Bei Wein-Nudeln oder Trollinger-Brot hat der Bäcker kurzerhand anstatt Wasser Wein in den Teig gegeben.