Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen Merken

Neun Parteien planen in Heilbronn gemeinsam, wie sie wohnen wollen

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Die Baugruppe Apollo 19 ist glücklich in der Stadtausstellung auf dem Buga-Gelände in Heilbronn gelandet: Warum sich Baugemeinschaften nicht nur für die weitere Bebauung des Neckarbogens empfehlen.

Von Bärbel Kistner
Apollo-19-Gebäude im Neckarbogen: Die goldfarbenen Klappläden sind der perfekte Sonnenschutz. Die Fenster lassen sich aufschieben, so wird der Wohnraum zum Freiluftzimmer. Ellen Schneider-Kohler (re.) hat Besuch von Sonja Kömmet und Lukas.
Apollo-19-Gebäude im Neckarbogen: Die goldfarbenen Klappläden sind der perfekte Sonnenschutz. Die Fenster lassen sich aufschieben, so wird der Wohnraum zum Freiluftzimmer. Ellen Schneider-Kohler (re.) hat Besuch von Sonja Kömmet und Lukas.  Foto: Veigel, Andreas

Der Name von Apollo 19 ist ganz bewusst gewählt: Wie einst die berühmte Raumfahrtmission Apollo 11 wollten die Mitglieder der Baugemeinschaft in Heilbronn Neuland betreten. Sie sind ein Wagnis eingegangen und mittlerweile erfolgreich gelandet - im Neckarbogen, in der Stadtausstellung der Bundesgartenschau.

Baugruppen waren ausdrücklich erwünscht, sich im Modellquartier im Neckarbogen beim Investorenauswahlverfahren um ein Grundstück zu bewerben. Eine möglichst große Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen sollte realisiert werden. Das Konzept von Apollo 19 passte, so gab es den Zuschlag.

Im Neckarbogen sollte eine möglichst große Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen realisiert werden

Treibende Kraft waren Robert Kömmet und Ellen Schneider-Kohler, beide begeistert vom Neckarbogen und der Idee einer Baugemeinschaft. "Ich bin total froh, dass wir jetzt fertig sind", sagt der 50-jährige Architekt, der mit seiner Frau Sonja und dem neun Monate alten Lukas eingezogen ist: in eine Wohnung genau nach den Vorstellungen der Familie. Direkt hinter der Wohnungstüre steht die Badewanne, eingerahmt von Topfpalmen, mit Blick auf den Floßhafen, der direkt vor dem Apollo-19-Gebäude im Baufeld I liegt.

Ein hoher Öko-Standard war für die Baugruppe wichtig: Deshalb wurde beim Bau viel Holz eingesetzt.
Ein hoher Öko-Standard war für die Baugruppe wichtig: Deshalb wurde beim Bau viel Holz eingesetzt.  Foto: Veigel, Andreas

Neun Parteien und 19 Personen haben sich für das gemeinsame Planen und Bauen zusammengefunden und das Mannheimer Architekturbüros Motorlab mit dem Bau beauftragt. Ein hoher Öko-Standard stand auf der Prioritätenliste ganz oben: Viel Holz kam zum Einsatz, auch für tragende Elemente. Gedämmt wurde mit Zellulosefasern. Drei Millionen Euro Projektkosten waren veranschlagt. "Doch auch uns hat die gute Baukonjunktur erwischt", berichtet Kömmet.

Hoher Öko-Standard mit viel Holz

Es war ein langer und mitunter anstrengender Weg, bis jeder Bewohner seine Schlüssel in Empfang nehmen konnte - denn als Baugemeinschaft zu bauen, ist das Gegenteil von schlüsselfertig. In Dutzenden Sitzungen wurde diskutiert, geklärt, entschieden - und auch mal gestritten. Ganz ohne Konflikte ließ sich das Projekt nicht realisieren. Doch fast alle, die sich anfangs dafür entschieden hatten, blieben auch dabei. Bei neun Parteien hat es nur einen Wechsel gegeben.

Eine professionelle Begleitung des Planungsprozesses hält die Baugemeinschaft dabei für unverzichtbar. "Auf alle Fälle haben wir das Vorurteil widerlegt, dass Baugruppen nicht zu Potte kommen, weil sie sich zu Tode diskutieren", betont Kömmet. Apollo 19 hat als erstes Projekt in der gesamten Stadtausstellung Richtfest gefeiert. Mit dem Ergebnis sind alle glücklich.

Auch interessant: Schätzen Sie in diesem Quiz, was Wohnungen in der Region kosten  

 

Baden mit Aussicht: In der vierten Etage steht die Badewanne im Wohnraum mit Blick auf den Floßhafen im Bundesgartenschaugelände.
Baden mit Aussicht: In der vierten Etage steht die Badewanne im Wohnraum mit Blick auf den Floßhafen im Bundesgartenschaugelände.  Foto: Veigel, Andreas

Bei Gebäuden von Bauträgern müssten sich "die Bewohner an die Grundrisse anpassen, bei uns ist es genau umgekehrt", erklärt Ellen Schneider-Kohler, auch sie ist Architektin. Individuelle Wohnwünsche wurden berücksichtigt. Die Aufteilung der Räume war flexibel, die Ausstattung sowieso. Zwischen 60 und 150 Quadratmeter messen die 15 Wohnungen. Einige Apartments sind so konzipiert, dass sie zusammengelegt oder auch abgetrennt werden können, falls sich die Lebenssituation der Bewohner ändert.

Es gibt einen breiten Altersquerschnitt bei Apollo 19. Die Erwachsenen sind zwischen 35 und 66 Jahre alt. Baugruppen können beim Konzept aber auch andere Schwerpunkte setzen: Mal sind es nur Familien oder Senioren, die sich zusammenfinden. Oft ist die gemeinsame Grundlage, kostengünstiger bauen zu können als mit einem Bauträger.

Baugemeinschaften bringen ein Viertel voran

Die Mischung aus Nähe und Distanz gefällt Ellen Schneider-Kohler: Einen Zwang, sich zu treffen, gibt es nicht. Apollo 19 heißt für sie: "Wohnen mit sehr guten Nachbarn." Baugemeinschaften bringen auch ein Viertel voran: "Sie bringen Herzblut für das Quartier mit und identifizieren sich mit dem Umfeld", meint Schneider-Kohler. Die 65-Jährige hat für das Wohnen in der Stadt ihr Einfamilienhaus am Rande aufgegeben. Dort hätten sie und ihr Mann nicht alt werden wollen. Im Neckarbogen und mit Apollo 19 hat das Paar genau das gefunden, was für ihren Lebensabschnitt passt.

Ihr Know-how wollen die Pioniere gerne weitergeben. Ellen Schneider-Kohler hofft auf viele Nachahmer der Baugruppen-Idee für die weitere Bebauung des Neckarbogens: "Wir wünschen uns hier noch viele interessante Nachbarn."

Zeitplan

Der Zeitplan war ziemlich eng: Juni 2013 Projektentwicklung einer Baugemeinschaft, Suche nach Mitstreitern, Treffen mit Interessierten, Teilnahme an Infoveranstaltungen Juli 2014 Namensgebung Apollo 19 Oktober 2014 Information über das Interessenbekundungsverfahren Januar 2015 vertiefte Phase des Interessenbekundungsverfahrens Februar 2015 Apollo 19 Mini-Architektenwettbewerb, Sieger ist Motorlab Architekten (Mannheim); Gründung der Planungsgemeinschaft März 2015 Start des Investorenauswahlverfahrens, Ausgabe des Gestaltungshandbuchs Juni 2016 Entscheidung im Investorenauswahlverfahren, Apollo erhält Parzelle I4, Gründung der "Apollo 19 Baugemeinschaft gbR" Januar 2016 Einreichung des Antrags auf Baugenehmigung April 2016 Baugenehmigung Juli 2016 Spatenstich Block I Dezember 2016 Kaufvertrag für das Grundstück Juni 2017 Richtfest bei Apollo 19; Teilungserklärung Juli 2018 Einzug erste Bewohner. Aus der Baugemeinschaft wurde eine Wohnungseigentümergemeinschaft.

Das Bauprojekt hat von Schwarmintelligenz profitiert, sagt Apollo-19-Mitglied Ellen Schneider-Kohler: Die Bewohner haben viele Fähigkeiten, kreativen, technischen, kaufmännischen und technischen Sachverstand. Die Baugruppe gibt ihre Erfahrungen weiter an Interessierte. Kontakt: Robert@ apollo19.net. Im Neckarbogen gibt es im Baufeld J zudem noch eine weitere Baugruppe unter dem Namen Vario-Haus. Eine dritte Baugruppe war gescheitert. Was in Heilbronn bisher fehlt, ist eine Kontaktstelle bei der Verwaltung, wie es sie in vielen Städten bereits gibt, um Baugemeinschaften zu beraten.

 


Heilbronn
Heilbronn  Foto: Veigel, Andreas

Übersicht zur Wohnungsnot in Heilbronn und Umgebung

Die Redaktion der Heilbronner Stimme hat Entwicklungen, Folgen und Lösungsmöglichkeiten zur Situation auf dem regionalen Wohnungsmarkt beleuchtet. In Interviews, Analysen und Schilderungen von Betroffenen blicken die Stimme-Mitarbeiter auf verschiedene Aspekte. 

>>>Hier gelangen Sie zur Übersichtsseite

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben