Neue Füße für das Heilbronner Käthchen
Die bei einem Unfall beschädigte Heilbronner Käthchen-Statue wird zurzeit in der Kunstgießerei Strassacker bei Göppingen restauriert. Bei einem Besuch in den Werkstätten des Spezalbetriebs zeigt sich, dass die Skulptur schon wieder fast die Alte ist.
Als im Februar der Fahrer eines Transporters beim Rangieren die berühmte Heilbronner Käthchen-Statue am Marra-Haus vom Sockel stürzte, war der Ärger groß. Die 55 Jahre alte Skulptur des Heilbronner Bildhauers Dieter Läpple kippte bei dem Unfall rücklings zu Boden. Die Füße des Käthchen rissen dabei auf, auch das Bein war lädiert. Wer sollte das 200 Kilo schwere Kunstobjekt wieder instandsetzen?
Diese Frage war am Ende dann doch einfacher als gedacht zu beantworten. Denn der Künstler hatte sein Werk 1965 in enger Zusammenarbeit mit der Kunstgießerei Strassacker hergestellt, die ihr Stammhaus in Süßen bei Göppingen hat. Der Fachbetrieb bekam folgerichtig auch den Auftrag für die Restauration der Bronze-Skulptur. Bei einem Besuch in den Werkstätten des weltweit agierenden Traditionsunternehmens zeigt sich, dass das Käthchen fast schon wieder ganz die Alte ist. Bei der Stippvisite wird aber auch klar, wie schwer es ist, genau das hinzubekommen.
Das Käthchen wirkt hier fast ein bisschen verloren
In der Abteilung der Ziseleure versteht man fast sein eigenes Wort nicht mehr. Die Metallbildner hämmern auf ihre Werkstücke ein. Irgendwo setzt jemand eine Flex an Stahl an, Funken sprühen. Aus großen Fenstern dringt viel Licht in den Raum. Das Käthchen wirkt hier fast ein bisschen verloren. Die Statue ist mit einem Seil gesichert, hängt an einem Kran und steht fest mit ihrem Fundament auf zwei Holzböcken. Metallbildner David Häderle legt an den frischen Schweißnähten ihrer Füße letzte Hand an. Mit gezielten Hammerschlägen auf sogenannte Punzen glättet er die Oberfläche der Metalllegierung, die noch stark glänzt und sich von der jahrzehntealten Patina, die den Rest der Figur bedeckt, extrem abhebt.
"Wir haben Teile des Standbeins neu gegossen und eingesetzt", beschreibt Vertriebsleiter Peter Mühlhäußer die Vorprozedur. Der Haltestab im Inneren des Beines, der bei dem Sturz gebrochen war, wurde auch wieder angeschweißt. Dann kam die Figur samt Fundament auf eine Richtplatte und wurde wieder ins Lot gezogen. Zum Schluss wurden die Risse an den Füßen zugeschweißt, bis Ziseleur David Häderle dem Ganzen den letzten Schliff verleiht.
Die Rezepturen sind geheim
Der nächste Schritt ist fast Zauberei: Die Patinierwerkstatt sieht ein wenig aus wie ein Alchemisten-Labor. Überall stehen Kübel, Wannen und andere Gefäße mit Flüssigkeiten herum. Das ist das Reich von Patineur Recep Sari. Er ist schon seit 1986 bei Strassacker beschäftigt, hat mit Läpple lange und intensiv zusammengearbeitet. "Ich habe sogar ein Käthchen im Kleinformat bei mir zu Hause", sagt Sari, der auch stolz einen Verkaufskatalog von Läpples Werken zeigt, in dem der Künstler eine Widmung für den Patineur hinterlassen hat.
Saris Aufgabe ist es nun, die glänzenden Schweißnähte so wie den Rest der Skulptur aussehen zu lassen. Dabei braucht man viel Erfahrung - und Mittelchen, die er auf die Legierung aufträgt und sogleich mit einem Schweißbrenner einarbeitet. Das Ganze dauert etwa eine halbe Stunde pro Fuß. "Wichtig ist ein gutes Timing", erklärt der Fachmann. "Man muss manchmal in Sekundenschnelle entscheiden, wie man vorgeht." Das Tempo der Bearbeitung bestimme immer das Material selbst.
Welche Mittelchen Recep Sari verwendet, verrät er nicht. "Das sind Geheimrezepturen." Seine Aufgabe fasst er so zusammen: "Ich muss in drei Minuten hinkriegen, was die Oxidation in 300 Jahren mit der Bronze macht." Im Vordergrund stehe dabei, die Handschrift des Künstlers nicht zu verändern. Dabei kommt Sari natürlich zugute, dass er Läpple, der im März 2019 verstorben ist, gut kannte. Da Strassacker mit dem Bildhauer das Käthchen schuf, ist im Betrieb auch die exakte Zusammensetzung der Kupfer-Zinn-Legierung bekannt, aus der die Figur gegossen ist. Bronze hat seine ganz eigenen Eigenschaften. Das weiche Material kann nur eine bestimmte Zeit bearbeitet werden. Dann ist Schluss. Recep Sari zieht einen Vergleich: "Das ist wie beim Menschen. Wenn wir uns satt gegessen haben, können wir nicht mehr aufnehmen."
Die Mitarbeiter bleiben neutral und objektiv
Sari beschreibt Läpple, den Menschen, als "sehr fein, nett, zielbewusst". Ein Urteil über die Kunstwerke selbst erlaubt er sich nicht. "Wir müssen uns bei unserer Arbeit neutral stellen", erklärt der Patineur. "Wir müssen objektiv sein", ergänzt Vertriebsleiter Peter Mühlhäußer, der selbst frei schaffender akademischer Bildhauer ist. Viele Strassacker-Mitarbeiter haben eine künstlerische Ader. Das bleibt bei dem intensiven Job wohl nicht aus. Zu der ganzen ästhetischen Kontroverse, die die Käthchen-Statue noch bei ihrer Aufstellung verursacht hatte, äußern sich Sari und Mühlhäußer nicht. Nur so viel sagt der Vertriebsleiter: "Sie hat was von einem kecken Mädchen." Ansonsten gelte als Grundsatz in der Firma: "Wir müssen immer alles so machen, wie es der Künstler will."
In einer Hinsicht wird Strassacker jedoch grundsätzlich etwas am Käthchen ändern: bei der Art und Weise wie es wieder aufgestellt wird. Der Betrieb hat auch den Auftrag bekommen, die Figur an seinem angestammten Platz auf dem Betonsockel am Marra-Haus zu installieren. Im Schadensgutachten seien Spannungsrisse im Haltestab festgestellt worden, die schon vor dem Unfall vorhanden gewesen sein sollen, berichtet Mühlhäußer. Dieser Stab habe die einzige Verbindung der Statute mit dem Sockel hergestellt. "Das war wohl nicht immer so, der letzte Standort war ja nicht der einzige der Figur."
Früher sei das Objekt an allen Ecken des rechteckigen Käthchen-Fundaments mit dem Sockel verschraubt worden. Eine viel festere, stabilere Verbindung, die jetzt bei der Wiederaufstellung abermals so ausgeführt wird. Im Herbst ist dies geplant. Nachträglich habe sich die labilere Befestigung als Vorteil herausgestellt, so Mühlhäußer. Denn wäre die Skulptur an vier Ecken angeschraubt gewesen, hätte sich die ganze Plattform verbogen. Diesen Schaden zu reparieren, wäre noch aufwendiger geworden.