Nächtliches Ausgehverbot für Heilbronn ist umstritten
Nach dem Beschluss der Landesregierung muss sich Heilbronn mit seinen hohen Corona-Infektionszahlen auf eine nächtliche Ausgangssperre einstellen. In Gastronomie und Handel schwanken erste Reaktionen zwischen Verwunderung und der Erleichterung, dass es nicht noch härter kommt.

Die Stadt musste vage bleiben. Ausgangsbeschränkungen zwischen 21 und 5 Uhr hat das Land für Corona-Hotspots angekündigt. Heilbronn blieb am Donnerstag - eine Ausnahme in den vergangenen Wochen - knapp unter dem kritischen Grenzwert von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche, ist aber möglicherweise trotzdem von strengen Maßnahmen betroffen.
"Unser Infektionsgeschehen ist in der Tendenz rückläufig, aber längst nicht zufriedenstellend", sagte OB Harry Mergel am Abend. "Sobald der Erlass da ist, werden wir ihn mit einer kommunalen Allgemeinverfügung umsetzen", kündigte Mergel an. "Sie könnte Anfang nächster Woche rechtskräftig werden."
Die Entscheidung treffe jene Gastronomen, die in den letzten Wochen einen Lieferservice angeboten haben, sagt der Heilbronner Sachverständige Thomas Aurich. Die Branche tue sich ohnehin schwer, und jedes Mal, wenn man sich auf neue Regeln eingestellt habe, heiße es wieder "April, April". Die ernste Wahrheit sei: "Ein Teil der Branche wird verschwinden." Der Lockdown sei ein Schlag ins Gesicht der Gastronomie, so Aurich.
Andererseits verstehe er, dass die Politik etwas tun müsse, sagt der CDU-Stadtrat, "auch ausprobieren". Trotzdem sei die nächtliche Ausgangssperre schwer nachvollziehbar.
Es scheinen ohnehin schon weniger Leute unterwegs zu sein
Thomas Gauß, Vorsitzender der Stadtinitiative in Heilbronn, stellt sich die Frage, was die Maßnahme bringen soll. "Was soll ich da auf der Straße machen?" Gastronomie oder Clubs seien ohnehin geschlossen. Der Inhaber des Sportgeschäfts Saemann ist allerdings froh, dass die Ausgangssperre nur nachts gilt. "Ein kompletter Lockdown im Weihnachtsgeschäft würde uns das Genick brechen", sagt der Unternehmer. Schon jetzt seien die Kundenzahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen.
Allein am vergangenen Mittwoch zählte Gauß in seinem Geschäft fast 30 Prozent weniger Kunden als vor Corona. "Und das ist nicht das Ende der Fahnenstange", an anderen Tagen seien schon bis zu 60 Prozent weniger Kunden unterwegs gewesen. Ob nun die nächtliche Ausgangssperre weiter zur Verunsicherung beiträgt und möglicherweise auch tagsüber zu weniger Menschen in der Stadt führt, könne er nicht sagen. "Aber es wird nicht von Vorteil sein", vermutet der Vorsitzende der Stadtinitiative.
Eine völlig neue Situation
Die Busse im Stadtgebiet werden trotz Ausgangsbeschränkung auch in den Abendstunden unterwegs sein, erwartet Gerhard Gross, Geschäftsführer des Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehrs (HNV). Schließlich müssten viele Arbeitnehmer nach wie vor spät von ihrem Job nach Hause kommen.
Die Heilbronner Polizei wird in den nächsten Tagen ihre Strategie besprechen. "Für uns ist das auch eine völlig neue Situation", so ein Sprecher. Kontrollen werde es auf jeden Fall geben.
Gelassen bleibt Helga Hoffmannn. Für die Pächterin der Total-Tankstelle an der Kolpingstraße in Sontheim hat sich am Donnerstag nicht viel verändert. Man müsse abwarten, was die Verordnung konkret bedeutet. "Tankstellen gelten aber grundsätzlich als systemrelevant, und unsere Kunden müssen auch abends und nachts die Möglichkeit haben, zu tanken." Ob nun etwa der notwendige Kauf von Lebensmitteln als triftiger Grund für einen nächtlichen Tankstellenbesuch gilt, bleibt offen. "Unsere Öffnungszeiten halten wir jedenfalls im erlaubten Rahmen ein", sagt Hoffmann.

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