Bundesweiter Streik am Freitag – Das sagen Mitarbeiter und Fahrgäste
Die Gewerkschaft Verdi hat am Freitag zu einem bundesweiten Streik im Nahverkehr aufgerufen. In Heilbronn fahren keine Stadtbusse und auch die Stadtbahnen fahren nicht durch die Innenstadt.

Wer im Alltag auf die öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, hat es momentan schwer. Nachdem der GDL-Streik am Montag sein Ende genommen hat, legt die Gewerkschaft Verdi nach und hat am Freitag zu einem ganztägigen Warnstreik in fast allen Bundesländern aufgerufen. Hintergrund für die Niederlegung der Arbeit sind parallele Tarifverhandlungen des ÖPNV. Verdi fordert kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen einzelnen Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld. „Wir kämpfen gemeinsam mit unseren Arbeitskräften, dass die Forderungen erfüllt werden“, sagt Katharina Kaupp, Geschäftsführerin der Verdi in Heilbronn.
„Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, dass wir wieder mehr Nachwuchs und Arbeitskräfte bekommen“, so Kaupp. Da über die SWHN-Leitstelle der Stadtbahnverkehr abgewickelt wird, fahren die AVG-Linien S4, S41 und S42 nicht durch die Heilbronner Innenstadt. Die Bahnen werden über den Hauptbahnhof umgeleitet, jedoch kommt es zu einzelnen Fahrtausfällen.
Großes Nachwuchsproblem und Mitarbeitermangel führt zu überfüllten Bussen
"Wenn die Forderungen nicht angenommen werden, dann sollten mindestens drei Tage gestreikt werden. Und wenn das nichts bringt, sollten wir nochmal eine Woche stehen bleiben", sagt Marinus Nikolaus. Wenn er die Macht hätte, würde er dazu aufrufen, eine Woche stehen zu bleiben. "Wir haben die letzten zwei Jahre keine Lohnerhöhung bekommen und die Inflationsprämie nur in Ratenzahlung", sagt der 45-Jährige.
Marinus Nikolaus hat Mitleid mit den Fahrgästen, die ihr heutiges Ziel nicht erreichen. "Das Problem ist, dass wir kämpfen müssen und leider betrifft es nur die Fahrgäste und nicht die da oben", meint der Nikolaus. Auch seine Kinder sind von dem Streik betroffen und sind heute nicht zur Schule gekommen.
Streik am Freitag: Unfreundliche Gesichter und kein Schlafrhythmus für Busfahrer
Auch Gerhard Scheutz denkt, dass weiter gestreikt wird, wenn die Forderungen nicht angenommen werden. "Wenn zum Beispiel die IG Metall streikt und die Audi eine Woche geschlossen ist, interessiert das keinen. Aber wenn die öffentlichen Verkehrsmittel streiken, sind wir die bösen Bus- oder Bahnfahrer. Das kann so nicht sein", sagt Scheutz, der seit fast 40 Jahren Busfahrer ist. Er und seine Kollegen machen ihren Beruf gerne, wollen aber dementsprechend entlohnt werden. "Für die Zeit wie wir arbeiten und auf was wir alles verzichten müssen. Man kann in keinem Verein richtig mitmachen, die Hoch- und Abendschulen kann man auch nicht benutzen, weil das bei unseren Arbeitszeiten nicht geht", erklärt der 62-Jährige.
Er kann sich auch an keinen Schlafrhythmus gewöhnen, da er jeden Tag anders aufstehen muss. "Man hat es schon bei den Bauernprotesten gesehen, dass der Regierung das vollkommen egal ist. Die lachen doch darüber." Er findet es außerdem schade, dass der Beruf nicht mehr so wertgeschätzt wird wie vor zehn bis 15 Jahren. "Jeder kommt in den Bus und zieht ein unfreundliches Gesicht. Man wird nicht mal mehr gegrüßt", sagt der Pfedelbacher.
Der Nachwuchs fehlt im Nahverkehr
"Die Forderungen die wir gestellt haben sind schon lange fällig und wenn diese nicht angenommen werden, müssen wir weiter auf die Straße gehen", sagt Necati Karaali. Er meint außerdem, dass sie mehrere Tage streiken müssen, wenn die Forderungen nicht angenommen werden. "Wir hoffen, dass wir es nicht planen müssen und der Arbeitgeber uns entgegenkommt. Das heute ist erstmal ein Signal, dass wir hinter unseren Forderungen stehen", sagt der 48-Jährige.
Auch er hat Mitleid mit den Fahrgästen, aber es gab auch viel positives Feedback der Bevölkerung. "Sie verstehen es teilweise. Aber das viele auch verärgert sind, verstehe ich auch", meint der Mann aus Neckarzimmern. Es fehlt vor allem an Nachwuchs. "Viele wollen keine Schichten oder an Wochenenden arbeiten. Deswegen haben wir auch Fachkräftemangel und ein Nachwuchsproblem. Die Schichtarbeit macht krank und dadurch fallen auch viele Arbeitskräfte aus", sagt Necati Karaali.
Unterschiedliche Sichtweisen für die Berechtigung des Streiks
"Ich bin auf die Stadtbusse angewiesen, deswegen musste ich auf die Bahn ausweichen", sagt Swetlana Bernt. Sie ist schon fast 1,5 Stunden zu spät bei der Arbeit, weil sie keine andere Möglichkeit hat. "Es ist wahrscheinlich kein leichter Beruf, deswegen kann ich es schlecht beurteilen. Aber heutzutage möchte jeder weniger arbeiten", meint die 34-Jährige. Sie findet es momentan berechtigt, dass die Gewerkschaft Verdi streikt. "Die von der GDL haben in letzter Zeit sehr oft ihre Arbeit nieder gelegt, aber die Ver.di streikt das erste Mal seit langem", sagt sie. Swetlana Bernt findet es trotzdem nervig, dass gestreikt wird.
Finn Stroheker fährt jeden Tag mit der Bahn nach Mosbach zum studieren. Er kommt wie letzte Woche oft zwei Stunden zu früh an der Universität an und kommt schwer heim, da zurück nach Hause auch viele Bahnen ausfallen. "Irgendwie geht es immer, aber es ist komplizierter dadurch. Wenn wieder was ausfällt, stehst du da und wartest zwei Stunden", sagt der junge Student aus Böckingen. Er findet es unnötig, dass man sich nicht auf einen Kompromiss einigt. "Wenn die Busse und Bahnen streiken dürfen, sollte es erlaubt sein, dass andere Branchen die auch unterbezahlt sind, auch ihre Arbeit niederlegen dürfen", sagt der 17-Jährige. Er findet es auch nicht in Ordnung, dass die Streiks direkt hintereinander sind. "Wäre das mal einer in einem halben Jahr oder in ein paar Monaten wäre das in Ordnung", sagt Finn Strohecker.
"Für die GDL habe ich kein Verständnis mehr, aber für die Stadtwerke Heilbronn habe ich Verständnis, da sie in ihrem Job alles geben und in Schichten arbeiten", sagt Nathalie Ihle. Sie findet, dass was unternommen werden soll, dass es nicht mehr so oft zu Streiks kommt. "Es ist für uns Fahrgäste nicht leicht zur Zeit und viele Chefs haben kein Verständnis dafür, wenn man zu spät kommt." Sie hat einen Freund bei den Stadtwerken, der immer ausgeknockt von der Arbeit ist. "Ich bin der Meinung, dass die Forderungen angemessen sind. Sie haben sich vor allem mehr Urlaubstage und Ruhezeiten verdient", sagt die Heilbronnerin. Die 29-Jährige findet, dass die Bevölkerung auch Verständnis haben muss.