Nach 32 Jahren im Amt hört Rolf Kieser auf
Der älteste Rathauschef im Landkreis Heilbronn hört nach vier Amtsperioden in Brackenheim nun schweren Herzens auf. Der Abschied fällt ihm nicht leicht.

Rolf Kieser ist der älteste Bürgermeister in Stadt- und Landkreis Heilbronn. Nach 32 Jahren im Amt geht der 67-Jährige ab März in den Ruhestand. Der Abschied fällt dem Rathauschef sehr schwer.
Herr Kieser, wie geht es Ihnen?
Rolf Kieser: Nicht gut.
Warum geht es Ihnen nicht gut?
Kieser: ... (lange Pause) ... Weil es gar nicht so einfach ist aufzuhören.
Haben Sie realisiert, dass ab Montag wirklich Schluss ist?
Kieser: Noch nicht ganz. ... (Pause) ... Ich muss mir schon überlegen, wie es ab dem 1. März weitergeht.
Wissen Sie schon, was Sie am Montag machen?
Kieser: ... (Pause) ... Ja. Um 7.30 Uhr bin ich beim Physiotherapeuten. Er unterstützt mich, damit ich schmerzfreier laufen kann. ... (Pause) ... Um 10 Uhr schneide ich meine Reben ums Haus herum. Abends bin ich beim Lionsclub.
Sie sind Bürgermeister bis zur letzten Sekunde. Es hatte zuletzt fast den Anschein, als wollten Sie noch alles Mögliche auf den Weg bringen.
Kieser: Mein Beschäftigungsverhältnis geht bis zum 29. Februar. Das heißt, dass ich auch bis zu diesem Tag die Aufgaben so erledige, wie das in den vergangenen 32 Jahren der Fall war.
Warum sind Sie nicht noch einmal angetreten? Sie haben lange gezögert.
Kieser: ... (Pause) ... Um mehr Zeit für die Familie zu haben. Zum zweiten ... (Pause) ... habe ich jetzt auch ein Alter erreicht, bei dem man sich überlegen muss, ob das in dieser Fülle und mit der zeitlichen Beanspruchung noch weitergehen kann.
Sie fühlen sich aber fit?
Kieser: Vor vier Wochen bin ich Marathon gelaufen.
In Marrakesch ...
Kieser: Ja. Es ist mir sogar leichter gefallen als im September in Budapest. Ich bin sehr dankbar, dass mir das noch möglich ist. Das Laufen war für mich mentaler und körperlicher Ausgleich.
Sie sind bei Bürgern und Mitarbeitern beliebt. Von Kollegen werden Sie geschätzt. Was macht einen guten Bürgermeister aus?
Kieser: Mensch zu sein. ... (Pause)
Was heißt das?
Kieser: Es ist immer wieder notwendig, schwierige Entscheidungen zu treffen. Aber man muss seinem Gegenüber immer auf Augenhöhe begegnen. Den Bürgern gilt es als Bürger gegenüberzutreten. Frei nach Theodor Heuss: "Dem Menschen, egal wer er ist und woher er kommt, als Mensch zu begegnen."
Hat sich in den vergangenen 32 Jahren aus Ihrer Sicht das Berufsbild des Bürgermeisters stark verändert?
Kieser: Ja. Es gibt das Sprichwort: "Je mehr wir haben, desto mehr haben wir zu wenig." Das drückt aus, dass sich das Anspruchsdenken erhöht hat. Auch der Umgangston hat sich nicht verbessert. Das ist keine spezifische Situation in Brackenheim, sondern betrifft unsere Gesellschaft insgesamt.
Hat in den 32 Jahren das Amt auch Sie verändert?
Kieser: ... (Pause) ... Ja.
Inwiefern?
Kieser: Im Laufe der Zeit eignet man sich viel Wissen an. Wissen in der Sache. Aber auch Wissen darum, wie man mit den Bürgern umgeht. Ein Bürgermeister sollte derjenige sein, der am besten weiß, worauf es ankommt. Und der die Bürger in allen Stadtteilen am besten kennt. So dass ein großer Teil der Entscheidungen im Sinne der Gesamtbevölkerung ausfällt.
Sind Ihnen Entscheidungen schwergefallen?
Kieser: Ich habe gerne Entscheidungen getroffen. Die auch nicht immer die richtigen sein konnten. Aber wenn man die Gesamtentwicklung betrachtet, hat es im Großen und Ganzen schon gepasst.
Haben Sie sich bei Ihrem Amtsantritt vor 32 Jahren Ihr Wirken in Brackenheim so vorgestellt?
Kieser: Nein. Ich war vorher 13 Jahre in Sachsenheim, das dicht an Bietigheim liegt. Brackenheim hat eine zentrale Funktion zwischen größeren Städten wie Heilbronn, Ludwigsburg oder Bietigheim. Mir war schnell klar, dass es in Brackenheim aufgrund dieses zentralen Standortes für das Umland Entwicklungspotenziale gibt. Diese Chancen haben wir versucht zu nutzen. Und mit guten Mitarbeitern und Gemeinderäten, die wir hatten und haben, kann man schon einiges umsetzen. Aber wie sich das in 20 oder 30 Jahren entwickelt, kann man anfangs nicht überblicken.
Was ist Brackenheim im Lauf der Jahre für Sie persönlich geworden?
Kieser: Heimat. ... (Pause) ... Ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders hinzuziehen.
Worüber freuen Sie sich über die vergangenen 32 Jahre am meisten?
Kieser: Über den Zusammenhalt aller acht Stadtteile. Wir sind zusammengewachsen nach der Gemeindereform. Dazu haben sicher auch die Gesprächskreise beigetragen, die wir hier eingeführt haben. Ganz wichtig: Um das zu erreichen, brauchen Sie zufriedene und in sich gefestigte Ortsgemeinschaften. Das reiche Vereinsleben und die Strukturen in den Stadtteilen sind wichtig, damit die Integration gelingen kann.
Gibt es etwas, worüber Sie sich geärgert haben im Laufe der Jahre?
Kieser: Leider haben wir es noch nicht geschafft, den notwendigen Wohnraum zu schaffen. Es gibt viele junge Familien, die sich in unserer Gesamtstadt eine Zukunft aufbauen wollen. Die Infrastruktur wäre da, die Bauplätze haben wir aber nicht. Das schmerzt am meisten.
Was werden Sie ab Montag am meisten vermissen?
Kieser: Ich bin gerne mit Mitarbeitern und Gemeinderäten unterwegs, um die Lebensqualität für die Bürger unserer Stadt zu erhöhen und um uns weiterzuentwickeln.
Und ganz persönlich?
Kieser: Die Begegnungen mit den Menschen aus allen Bereichen. Unter anderem die 380 Geburtstagsbesuche und 76 Ehejubiläen, die 2019 auf dem Programm standen. Das ist sehr bereichernd.
Dass Sie wirklich aufhören, haben Sie noch nicht realisiert. Trotzdem: Haben Sie im Ansatz Pläne, was Sie ab März machen werden?
Kieser: Vorsitzender des Fördervereins Altenheim Zabergäu/Leintal. Wir unterstützen das Pflegeheim Haus Zabergäu. Und Vorsitzender des Fördervereins Gesundheitsversorgung Zabergäu und Umgebung. Unter anderem begleiten wir die Fertigstellung des Gesundheitszentrums. Außerdem haben wir einen Enkel von zwölf Jahren. Ihm hab ich versprochen, mehr Zeit zu haben. Und natürlich erwartet auch meine Frau, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen.
Sie gehen Brackenheim also nicht verloren.
Kieser: Nein. Und wenn es mir langweilig wird, komme ich zum Vorlesen in den Kindergarten. Oder ich gebe Essen in der Schulmensa aus. So könnte sich schon noch das eine oder andere im Ehrenamt ergeben.
Und es bleibt auch beim Ehrenamt?
Kieser: Ich habe nicht vor, mich nochmals verpflichten zu lassen.