Gemeindeverwaltungsverband Raum Weinsberg: Mutter von vier kommunalen Kindern wird 50
Vor 50 Jahren nahm der Gemeindeverwaltungsverband "Raum Weinsberg" seine Arbeit auf. Die Kommunen Eberstadt, Ellhofen und Lehrensteinsfeld blieben dadurch selbstständig.

Es war zwar ein freiwilliger Akt damals - aber wie freiwillig ist etwas, zu dem die einzige Alternative Eingemeindung heißt? Eberstadt, Ellhofen und Lehrensteinsfeld wären heute vermutlich Teilorte von Weinsberg, hätten sich die Entscheidungsträger 1971 nicht dafür erwärmen können, unter dem Dach eines Verbandes in verschiedenen Bereichen mit der Weibertreustadt gemeinsame Sache zu machen. So wollte es das Land.
Das war die Ausgangslage, als der GVV "Raum Weinsberg" im Januar 1972 seine Arbeit aufnahm. Heute, ein halbes Jahrhundert später, ist die Dauer-Kooperation der vier Kommunen eine Selbstverständlichkeit. Für viele der 22.000 Einwohner dürfte der GVV ein eher abstraktes Konstrukt sein. Dabei begleitet der Verband die Menschen im Alltag viel häufiger, als ihnen bewusst ist.
Knöllchen vom Verband
Parkt ein Eberstädter in seinem Heimatort falsch und kassiert dafür ein Knöllchen, kommt es vom GVV. Trifft sich ein junger Ellhofener mit Freunden im Weinsberger Jugendhaus, ist der Verband sein Gastgeber. Klingelt bei einer älteren Lehrensteinsfelderin morgens jemand von der Sozialstation, um beim Waschen und Anziehen zu helfen, so steht auch dahinter der GVV. Und wenn im Wald ein Baum gefällt wird, kann es gut sein, dass er im Auftrag des GVV zu Boden geht.
Für den Weinsberger Bürgermeister Stefan Thoma ist der GVV eine Art fünfte Kommune oder "eine Mutter mit vier erwachsenen Kindern". Und das größte ist die Weibertreustadt. Thoma ist nicht nur Rathauschef, sondern auch Verbandsvorsitzender. Dieses Amt hat das Weinsberger Stadtoberhaupt inne, seit es den GVV gibt. Das ist kein Muss, macht aber Sinn, weil der Verband seinen Sitz im Weinsberger Rathaus hat.

Thoma sagt: "Alle vier Verbandskommunen sind aktuell gut aufgestellt" - eben auch, weil sie Teil einer größeren Einheit seien und so Spielräume hätten, eigene Akzente zu setzen. Die Gründung sei "sehr weitblickend" gewesen.
Vor 50 Jahren wohnten im Verbandsgebiet 14.500 Menschen - so viele sind es heute fast allein in Weinsberg. Ellhofen hatte 1972 gerade mal 2070 Einwohner (heute 3750), in Eberstadt waren es 2030 (heute 3120), Lehrensteinsfeld hatte etwa halb so viele Einwohner wie heute, nämlich 1270. In Weinsberg lebten 9140 Menschen, heute sind es knapp 13.000.
Wimmental, Grantschen und Gellmersbach wurden wenige Jahre später nach Weinsberg eingemeindet. Warum heirateten sie nicht auch in den GVV ein? Thoma: "Sie waren zu klein und hätten auch im Verband ihre Selbstständigkeit nicht halten können." Das Land Baden-Württemberg habe damals klare Ansagen gemacht.
Neue Aufgaben kommen hinzu
Das Land würde wohl ebenso viel Druck machen, sollte sich der GVV je auflösen wollen, mutmaßt Thoma. Schließlich habe es üppige finanzielle Geburtshilfe geleistet. Aber ans Auflösen ist nicht zu denken - im Gegenteil. Der Verband übernimmt immer neue Aufgaben für seine Mitglieder.

Aktuell laufen Bewerbungsgespräche für einen gemeinsamen Klimaschutzmanager. Thoma: "Die Zusammenarbeit ist hervorragend." Der GVV gehöre zu "den leistungsfähigsten Gemeindeverwaltungsverbänden im Land".
Streit endete vor dem Verwaltungsgerichtshof
Das war nicht immer so: Ihre größte Krise, die 2001 in einer juristischen Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gipfelte, durchlebte die Körperschaft öffentlichen Rechts, als Weinsberg in den Spitzäckern einen Handelshof-Markt ansiedeln wollte.
Eberstadt, Ellhofen und Lehrensteinsfeld gingen damals auf die Barrikaden, weil sie Schaden für ihren örtlichen Einzelhandel fürchteten. Der Markt steht längst, heißt inzwischen Kaufland, und der Zwist ist passé. Thoma: "Es ist wie in einer großen Familie. Da gibt es auch mal Zoff." Wichtig sei es, "den Wert der Familie zu erkennen und sich zusammenzuraufen".

Für den GVV arbeiten etwa 100 Menschen: 50 allein bei der Sozialstation, 50 weitere im Weinsberger Rathaus. Von diesen 50 sind 20 ausschließlich beim Verwaltungsverband beschäftigt. Der Rest splittet seine Arbeit anteilig in GVV und Stadt.
Claus Ehmann schüttelt den Kopf. Interessenskonflikte? "Nein. Die gibt es nicht." Claus Ehmann verantwortet sowohl die Finanzen der Stadt als auch des Verbandes. Man mache seine Arbeit - und wisse zu trennen.
Daten und Fakten
Der Gemeindeverwaltungsverband "Raum Weinsberg" wurde am 21. Dezember 1971 aus der Taufe gehoben. Es war die Zeit der Gemeinde- und Kreisreformen. In der Hildthalle dabei waren die Gemeinderäte der vier Orte sowie die damaligen Bürgermeister Erwin Heim (Weinsberg), Gerhard Schumann (Eberstadt), Ernst Schulz (Ellhofen) und Erwin Wölfle (Lehrensteinsfeld). Seine Arbeit nahm der GVV zum 1. Januar 1972 auf. Bei der ersten Verbandsversammlung im November 1972 war mittlerweile Jürgen Klatte Weinsberger Bürgermeister. Er wurde auch zum Vorsitzenden gewählt. Der GVV war der erste seiner Art im Landkreis Heilbronn.

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