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Menschen erkennen, die gefährlich werden können

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Eine Bluttat wie in Würzburg schockiert. Der mutmaßliche Täter befand sich zuvor in psychiatrischer Behandlung. Erkennen Ärzte nicht, wenn jemand gefährlich werden kann? Dr. Matthias Michel vom Klinikum am Weissenhof in Weinsberg gibt Antwort.

Bei dem Angriff am 25. Juni hatte ein Somalier drei Frauen in einem Kaufhaus getötet. Auf der Straße und in einer nahen Bank verletzte er danach laut Polizei sechs Menschen schwer und einen leicht. Foto: dpa
Bei dem Angriff am 25. Juni hatte ein Somalier drei Frauen in einem Kaufhaus getötet. Auf der Straße und in einer nahen Bank verletzte er danach laut Polizei sechs Menschen schwer und einen leicht. Foto: dpa  Foto: Nicolas Armer (dpa)

Ein Mann tötet in Würzburg drei Frauen. Die genauen Hintergründe der Bluttat sind noch ungeklärt. Der mutmaßliche Täter befand sich zuvor in psychiatrischer Behandlung. Treten in der Region psychisch auffällige Menschen in Erscheinung und lösen wie jüngst in Heilbronn-Böckingen einen Polizei-Einsatz aus, kommen sie in der Regel ins Klinikum am Weissenhof in Weinsberg. Erkennen Ärzte dort immer, ob jemand gefährlich ist?

Befinde sich jemand in einem akuten Erregungszustand, seien in vielen Fällen Drogen und Alkohol im Spiel, sagt Klinik-Direktor Dr. Matthias Michel. Klinge die Erregung ab und gebe es nichts zu behandeln, können die Menschen die Klinik verlassen. Eine Schizophrenie beispielsweise oder bipolare Störung verschwinde jedoch nicht einfach nach ein paar Tagen.

Eine Gefahr für sich oder andere

In den allermeisten Fällen gelinge es, die Patienten herauszufiltern, von denen eine Gefahr für sich selbst oder für andere ausgehe, sagt Michel. Warum es so schwer ist zu erkennen, ob jemand zur Gewalttat neigt? "Man kann nicht in die Köpfe hineingucken", sagt Michel. Eine Prognose gelte außerdem nur für einen bestimmten Zeitraum. Es gebe im Alltag vielfältige Faktoren von außen, die einen Menschen mit psychischen Problemen destabilisieren könnten. "Vielleicht nimmt jemand seine Medikamente nicht oder es treten Stressfaktoren auf, die vorher nicht bekannt waren."

Oft könnten Menschen gut mit einer Erkrankung leben, meint Marion Mauch-Lauck. Die Richterin am Amtsgericht Heilbronn kümmert sich um die Fälle, in denen ein Patient nach Einschätzung der Ärzte in der Klinik bleiben soll, weil sie in ihm eine Gefahr sehen. Der Betreffende aber will gehen.


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"Wir haben hier fast täglich, auch an den Wochenenden, Richter vor Ort", sagt Michel. Das Prozedere gibt das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz des Landes vor. "Sonst wäre es ja Freiheitsberaubung", sagt Mauch-Lauck. Stellt die Klinik einen Antrag auf Unterbringung, spricht die Richterin mit Ärzten und mit dem Patienten. Sie schaut sich die fachlichen Gutachten an. "Zumeist sind die Fälle eindeutig", sagt Mauch-Lauck. Es komme schon mal vor, dass einem Richter die Begründung der Ärzte nicht reiche, sagt Michel. Wenn notwendig, bekomme der Patient von Amts wegen einen Rechtsanwalt zur Seite gestellt. "Es ist ein sehr sicheres Verfahren, um allen Beteiligten gerecht zu werden", meint Michel.

Häufig suchten Menschen bei sie erschütternden Gewalttaten nach einer Erklärung, sagt Michel, der zudem als Gerichtsgutachter tätig ist. "Oft heißt es, derjenige muss doch krank sein, wenn er so etwas tut." Dem sei nicht so. "Es gibt grausame Delikte. Die Täter sind aber meistens nicht psychisch krank, sondern einfach nur böse."

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