Stimme+
Heidelberg/Neckarsulm
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Lidl-Briefbombe: Richter sprechen Rentner frei

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Das Landgericht Heidelberg hat im Prozess um explosive Postsendungen an Lebensmittelfirmen einen Rentner frei gesprochen. Der Angeklagte müsse nur eine Geldstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von Munition zahlen, hieß es bei der Urteilsverkündung am Freitag. Der Ulmer hatte stets seine Unschuld beteuert.

Die Verteidiger schauen ernst, doch sind hoch zufrieden: Steffen Lindberg (links) und Jörg Becker loben die Arbeit des Heidelberger Landgerichts.
Foto: Adrian Hoffmann
Die Verteidiger schauen ernst, doch sind hoch zufrieden: Steffen Lindberg (links) und Jörg Becker loben die Arbeit des Heidelberger Landgerichts. Foto: Adrian Hoffmann  Foto: Hoffmann, Adrian

Das Landgericht Heidelberg hat im Prozess um explosive Postsendungen an Lebensmittelfirmen, unter anderem eine Lidl-Verwaltung in Neckarsulm, einen Rentner frei gesprochen. Der Angeklagte Klaus S. müsse nur eine Geldstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von Munition zahlen, heißt es bei der Urteilsverkündung am Freitag. Der 67-Jährige aus Ulm hatte stets seine Unschuld beteuert.

"Mir fällt ein Stein vom Herzen", sagt Klaus S., als er aus dem Gerichtssaal tritt. Und: "Natürlich bin ich erleichtert."

Aus Sicht des Vorsitzenden Richters, Markus Krumme, ist das Ergebnis des Gerichtsverfahrens unbefriedigend, aber im deutschen Rechsstaat gelte die Maxime: "im Zweifel für den Angeklagten". Die Kammer sei bis zuletzt nicht von der Täterschaft von Klaus S. überzeugt gewesen - allerdings auch nicht von seiner Unschuld. Solche Ergebnisse von Gerichtsverfahren seien bisweilen in einem Rechtsstaat unvermeidlich, erklärt Krumme.

Angeklagter saß sieben Monate in U-Haft

Das sei vor allem für die unmittelbaren Opfer der Sprengstoff-Anschläge unbefriedigend, führt der Vorsitzende Richter aus. Die Allgemeinheit müsse nun damit leben, dass Klaus S. eventuell doch die Taten begangen haben und nicht verurteilt worden sein könnte. Ebenso könne es sein, dass ein unbekannter oder mehrere unbekannte Täter für die Anschläge verantwortlich sind.

 


Mehr zum Thema

Das Foto zeigt einen Rettungshubschrauber beim Abflug. Foto: privat
Neckarsulm
Lesezeichen setzen

Briefbombe explodiert in Lidl-Verwaltungsgebäude


Für den Angeklagten Klaus S. habe das Verfahren "tiefe Einschnitte" bedeutet. Er saß sieben Monate in Untersuchungshaft, zudem ist er laut Richter Krumme früh medial als "der Paketbomber" an den Pranger gestellt worden. Damit müsse S. leben. Als Angeklagter, der freigesprochen wurde, steht ihm eine Entschädigung zu. Diese wird nach Angaben seines Anwalts Lindberg mit einem Tagessatz von 75 Euro berechnet. Abzüglich der Strafe, die er für den unerlaubten Besitz von Munition zahlen muss, bleiben Klaus S. somit knapp 14 000 Euro.

Staatsanwaltschaft prüft Revision

Die Staatsanwaltschaft hatte mehr als vier Jahre Haft gefordert. Sie hält den Rentner für schuldig, eine Sprengstoffexplosion herbeigeführt sowie gefährliche Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung begangen zu haben. Mittels selbstgebauter Sprengsätze habe der Elektriker Geld von den Firmen erzwingen wollen. Oberstaatsanwalt Lars Jörgen Geburtig betont, die Staatsanwaltschaft ermittle grundsätzlich in alle Richtungen "und das haben wir auch von Anfang an gemacht". Ob die Behörde in Revision gehen werde, werde geprüft.

Richter Krumme regt an, ob die Ermittler die Beauftragung einer privaten Hundeführerin intern diskutieren möchten. Es war behauptet worden, dass der Geruch des Tatverdächtigen noch Wochen später von Hunden wahrgenommen worden sei - unter anderem auf der Autobahn, auf die sich der Geruch des Mannes durch die Lüftungsanlage eines Autos abgelegt haben müsste. Gutachten hätten im Verlauf der Verhandlungen ein "vernichtendes Ergebnis" zur umstrittenen Thematik Car-Trailing erbracht, so Krumme.

Verteidiger "sind hoch zufrieden"

Die Heilbronner Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf spricht von einer sehr sorgfältigen Urteilsbegründung des Gerichts, die das Ergebnis der Beweisaufnahme abgebildet habe. "Der Tatnachweis wurde nicht gegeben", sieht auch sie als von der Schwarz Gruppe beauftragte Vertreterin der Nebenklage. "Wir sind hoch zufrieden, dass der Albtraum für unseren Mandanten ein Ende genommen hat", sagt Verteidiger Steffen Lindberg. Er und sein Kollege Jörg Becker hatten auf Freispruch plädiert, weil ihr Mandant nach einem anthropologischen Gutachten mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht der gesuchte Mann sei.

Sicher ist nach Ansicht des Landgerichts jetzt nur: Ein Mann war es, der im Februar in der Ulmer Postfiliale in der Rosengasse die explosiven Pakete aufgegeben hatte.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben