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Lichtverschmutzung: Die Nacht wird immer mehr zum Tag

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Dauerhaftes künstliches Licht wirkt sich nachteilig auf die Umwelt aus. Deshalb ist eine ökologische Stadtbeleuchtung sinnvoll.

Indem unsere Umwelt künstlich erhellt wird, gibt es hierzulande keinen richtigen Sternenhimmel mehr zu sehen. Beispielhaft in Heilbronn: das Landratsamt (oben), die Campus-Brücke und die Innenstadt mit Kilianskirche.
Indem unsere Umwelt künstlich erhellt wird, gibt es hierzulande keinen richtigen Sternenhimmel mehr zu sehen. Beispielhaft in Heilbronn: das Landratsamt (oben), die Campus-Brücke und die Innenstadt mit Kilianskirche.  Foto: Seidel, Ralf

Es ist Nacht, aber nicht mehr wirklich dunkel: Seit Jahren sorgt die Dauerbeleuchtung von Straßenlaternen oder Leuchtreklame dafür, dass der Nachthimmel immer heller wird. Künstliches Licht gehört zu unserem Alltag, von spätnachts bis frühmorgens - und verursacht die sogenannte Lichtverschmutzung oder Lichtsmog.

Wenn die Nacht zum Tag wird

Im astronomischen Sinne heißt das: Der Nachthimmel wird durch das künstliche Licht überblendet. Aus Umweltsicht wirkt sich das nachteilig auf Ökosysteme aus. Die Lichtverschmutzung bringt unmittelbare Folgen mit sich, nicht nur für Insekten, Vögel oder Fledermäuse, sondern auch für uns Menschen. Und es gibt auch wirtschaftliche Gründe gegen die Aufhellung der Nacht.

Licht erhellt nicht nur unser Leben, sondern vermittelt auch Wohlbefinden und Sicherheit. Die Beleuchtung kann ein ganzes Stadtbild prägen, indem Monumente in Szene gesetzt werden. Menschen erleuchten während ihrer Abwesenheit ihre Wohnungen, um Einbrecher abzuschrecken. Straßenlaternen sollen den nächtlichen Heimweg sicherer machen.

Dabei sind die Kriminalitätsrate und Beleuchtung zwei voneinander völlig unabhängige Faktoren, wie der Astronom Florian Freistetter in seinem Podcast "Sternengeschichten" sagt. Und weiter, dass es kaum noch Menschen gebe, die die weiten Teile unserer Galaxie - die Milchstraße - überhaupt schon einmal in ihrer vollen Pracht gesehen hätten.


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Europäer sehen die Milchstraße oft nicht in ihrer vollen Schönheit

Denn der Himmel ist selbst bei tiefer Nacht in weiten Teilen der Welt nur noch als ein Abklatsch dessen zu sehen, was eigentlich beobachtet werden könnte. Rund 80 Prozent der Menschen leben unter einem lichtverschmutzten Himmel, heißt es in einem Forschungsbericht des Bundesamts für Naturschutz von 2019. Die Milchstraße ist laut Lichtverschmutzungsatlas von 2016 für mehr als ein Drittel der Menschheit, darunter 60 Prozent der Europäer, verborgen. Forscher gehen davon aus, dass die Lichtverschmutzung weltweit um zwei Prozent jährlich sowohl an Reichweite als auch an Intensität zunimmt.

 

Bortle-Skala erfasst die Lichtverschmutzung

In Mitteleuropa ist ein außergewöhnlich dunkler Himmel, wie er den Klassen eins oder zwei der sogenannten Bortle-Skala entspricht, schon gar nicht mehr zu beobachten. Die Skala gibt den Grad der Lichtverschmutzung an einem astronomischen Beobachtungsstandort an. In innerstädtischen Gebieten zeigt sich gerade mal ein Sternenhimmel der Klassen sieben bis neun der Bortle-Skala. Die dunkelsten Klasse eins oder zwei, bei der freie Sicht auf den vollen Sternenhimmel besteht, eröffnet sich nur noch in abgelegenen Gebieten wie in Afrik oder in speziellen Sternenparks.

Die hell erleuchtete Campus-Brücke in der Heilbronner Innenstadt
Die hell erleuchtete Campus-Brücke in der Heilbronner Innenstadt  Foto: uschipohl

 

Schädlich für viele Tiere

Stetig künstlichem Licht ausgesetzt zu sein, wirkt sich allerdings auf die Umwelt aus: Der Natur- und Umweltschutzbund (Nabu) schätzt, dass jährlich rund eine Milliarde Insekten in Deutschland nachts an Straßenlaternen an Erschöpfung sterben, weil sie von deren Ultraviolettanteil besonders stark angezogen werden. Viele Insekten fehlen dann etwa als Bestäuber im Ökosystem, und dessen Gleichgewicht kommt ins Wanken. Bei Tieren kann dauerhaftes Licht den Fortpflanzungsrhythmus stören: Fledermäuse, die wie rund 30 Prozent aller Säugetiere dämmerungs- oder nachtaktiv sind, werden verwirrt. Unnatürliches Licht bei Nacht kann außerdem den Wachstumszyklus von Pflanzen beeinträchtigen, die sogenannten Lichtglocken machen Zugvögel orientierungslos. Und nicht nur in den Himmel hinauf, auch ins Wasser hinab kann dauerhaftes Licht abstrahlen und Lebewesen stören.

Schlaf- und Hormonstörungen

Das konstante Aufhellen der Umwelt beeinflusst auch unsere menschliche "innere Uhr", die von dem Wechsel von Tag und Nacht synchronisiert wird. So sind Störungen des Hormonhaushalts oder Schlafstörungen möglich, weil "Menschen empfindlich auf den blauen Anteil der Displays von Smartphones und Lesegeräten reagieren. Denn eigentlich sind wir auf

rötliches Abendlicht geeicht", erklärt Volker Geis, Experte beim Heilbronner Science-Center Experimenta. Die langfristigen Auswirkungen von Lichtverschmutzung sind Gegenstand aktueller Forschungen.

Bedarfsangepasste Beleuchtung

Die Innenstadt mit der Kilianskirche.
Die Innenstadt mit der Kilianskirche.  Foto: Wachter

Für den öffentlichen Raum ist die Beleuchtung gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Eine europäische Norm beschreibt zumindest die Standards der Beleuchtungsklassen bei der Straßenbeleuchtung. Dabei wäre ein exzessiver, dauerhafter Lichteinfluss eigentlich vermeidbar. Viele Kommunen haben dennoch kein sinnvolles Konzept für eine ökologische Stadtbeleuchtung, bemängelt der Nabu. Schon allein, wenn Straßenlaternen Licht nicht gezielt, sondern zu allen Seiten abgeben, wird es verschwendet, auch finanziell. Bürger und Kommunen sollten warmes Licht und weniger Lichtstärke verwenden, rät Volker Geis. Die Beleuchtung sollte bedarfsangepasst und zielgerichtet sein, und auch nur in einem sinnvollen Zeitraum strahlen. Alles andere sei, zusätzlich zur Lichtverschmutzung, auch Geldverschwendung. Durch effiziente Leuchtmittel, moderne Lichttechnik und Steuerungsgeräte ließen sich Energieverbrauch und Kosten der öffentlichen Beleuchtung über die Hälfte reduzieren, so der Nabu.

Volker Geis weist darauf hin, dass der Sternenhimmel außerdem als Kulturgut in Vergessenheit gerät, wenn er kaum noch sichtbar ist. Durch den versperrten Blick aufs Universum könnte das Sinnieren der Menschen über die unendliche Weite - und das Interesse an der Astronomie - abnehmen.

 

 
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