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"Leerstände tun uns nicht gut"

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Der Vorsitzender der Stadtinitiative Thomas Gauß über die Stimmung im Heilbronner Einzelhandel zum Weihnachtsgeschäft

Von Bärbel Kistner
Prominente Schließungen von alteingesessenen Geschäften in der Heilbronner Innenstadt wie Holzäpfel in der Lohtorstraße trüben die positive Stimmung im örtlichen Einzelhandel.
Foto: Lasse Löffler
Prominente Schließungen von alteingesessenen Geschäften in der Heilbronner Innenstadt wie Holzäpfel in der Lohtorstraße trüben die positive Stimmung im örtlichen Einzelhandel. Foto: Lasse Löffler  Foto: Lasse Löffler

Optimismus fürs Weihnachtsgeschäft, Ärger über Leerstände. Ein Gespräch mit dem Stadtinitiative-Vorsitzenden Thomas Gauß über die Stimmung bei Einzelhändlern zum Nightshopping am ersten Adventssamstag.

 

Wie sind Ihre Erwartungen fürs Weihnachtsgeschäft?

Thomas Gauß: Ich bin zuversichtlich. Die Rahmenbedingungen sind gut. Das winterliche Wetter sorgt für vorweihnachtliche Atmosphäre, das ist besser als in vielen Jahren zuvor.

 

Online-Riese Amazon wird sich vermutlich ein noch größeres Stück am Umsatzkuchen sichern als im Jahr zuvor. Nervt Sie das nicht?

Gauß: Je näher Weihnachten rückt, desto mehr spricht das für uns. Das Gewünschte ist rechtzeitig da, wir packen es schön ein. Manche Kunden kommen zu dem Schluss, dass sie Produkte als wertvoller empfinden, wenn sie sie statt online im stationären Handel kaufen.

 

Vorausgesetzt, das Angebot vor Ort ist da. Der Heilbronner Handel machte jüngst eher mit Schließungen von sich reden. Kein Anlass zur Sorge?

Gauß: Wenn H&M an einer exponierten Lage wie der Fleiner Straße schließt, bleibt das niemandem verborgen. Es gibt tatsächlich deutliche Veränderungen in der Innenstadt. Ich befürchte, dass eine Entwicklung auf uns zukommt, die nicht nur dem Handel Sorgen bereiten muss. Alle Akteure müssen sich die Frage stellen, wie ihre Stadt in Zukunft aussehen soll. Warum sollte man noch nach Heilbronn kommen, wenn es keinen Handel mehr gäbe?

 

Wer trägt die Verantwortung für die zunehmenden Leerstände?

Gauß: Die Entwicklung wird auch von Hauseigentümern selbst verursacht. Viele nehmen lieber Mieter mit wenig Standorttreue, die ein paar Euro mehr bezahlen, als an jemanden zu vermieten, der von hier kommt und ein längerfristiges Engagement plant. Ein Filialist wie H&M kalkuliert ganz kühl. Wenn der Deckungsbeitrag einer Filiale nicht mehr stimmt, wird sie geschlossen, auch vor Ablauf des Mietvertrags. Und die Fläche steht leer. Derzeit findet eine Marktbereinigung statt, auch ausgelöst durch den wachsenden Online-Anteil.

 

Von der Marktbereinigung sind demnach auch große Marken und Filialisten betroffen?

Gauß: Die Expansionsmanager der Filialketten sind deutlich zurückhaltender. Das ist aber kein Heilbronner Problem. In großen Städten in Nordrhein-Westfalen gibt es teilweise dramatisch viele Leerstände. Auch wenn wir in Heilbronn eine bessere Situation haben, ist es unter dem Vorzeichen eines sich verändernden Marktes und der Onlinekonkurrenz der Einzelhandelsbesatz in Heilbronn umso wichtiger.

 

Muss eine Stadtverwaltung stärker eingreifen?

Gauß: Ich habe die Erwartung, dass die Verwaltung nicht regulierend, aber gestaltend in den Markt eingreift. Das ist in der Vergangenheit viel zu wenig passiert. Wir brauchen in Heilbronn ein konstantes Leerstandsmanagement. Das kann doch nicht Aufgabe eines Vereins sein. Wir haben eine Wirtschaftsförderung, und die muss finanziell und personell so ausgestattet sein, dass sie das Leerstandsmanagement konsequent angehen kann.

 

Sollte das nicht längst passiert sein?

Gauß: Es gab viele Absichtserklärungen, nur, ich kann noch nichts davon erkennen. Auf alle Fälle muss man schnell handeln und darf das Problem nicht auf die lange Bank schieben. Leerstände an ganz prominenten Stellen tun einer Innenstadt nicht gut. Da muss man über Zwischennutzungskonzepte nachdenken. Ein Instrument wie der Masterplan ist dafür viel zu langsam.

 

Redet man sich im Rathaus die Situation des Handels schön?

Gauß: Ich sehe die Stadtverwaltung in der Pflicht, unterstützende Maßnahmen umzusetzen. Wenn ein so wichtiger Bereich wie der Handel rückläufig ist, kippt eine Innenstadt aus der Balance. Ich erwarte nicht, dass die Stadt selber Handel betreibt, aber dass sie sich um Leerstände kümmert.

 

Die HMG hat eine Citymanagerin. Warum ist sie nicht zuständig?

Gauß: Sie managt das, was in der Stadt da ist, und das macht sie aus meiner Sicht sehr gut. Der Türöffner für Handelsunternehmen, die neu nach Heilbronn kommen, muss aber die Wirtschaftsförderung sein.

 

Seit der Fusion von Stadtinitiative und HMG nimmt man den Handel weniger wahr. Täuscht der Eindruck?

Gauß: Als Stadtinitiative-Vorsitzender bin ich zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der HMG. Da kann man nicht ständig auf den Deckel hauen. Wir sitzen stärker in einem Boot als früher, dürfen aber trotzdem mal kritisch sein.

 

Zur Person

Thomas Gauß (47), seit 2009 erster Vorsitzender der Stadtinitiative und in vierter Generation Inhaber des Heilbronner Sporthauses Saemann an der Kaiserstraße. Gauß hat einen eigenen Onlineshop und war Ideengeber für den gemeinsamen Händlerauftritt shop.mein-heilbronn.de/.

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Kommentare

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Hans-Ulrich Wagner am 02.12.2017 10:00 Uhr

Nicht nur in der Heilbronner Innenstadt gibt es einige Leerstände von Geschäften, sondern auch in der Stadtteilen wie z.B. in Böckingen. Ich zählte kürzlich entlang der Ludgwigsburger- und Klingenbergerstraße mindestens 10 Leerstände. Okay, manche Geschäfte wurden altershalber geschlossen oder da der Inhaber verstorben ist. Böckingen verödet langsam aber sicher, wenn nicht bald eingeschritten wird. Dann bleibt einem langfristig nicht anderes übrig als im Online-Handel einzukaufen oder Lebensmittel bei Lidl und Kaufland. Andere Geschäfte gibt es in Heilbronn ja kaum noch.

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Peter Henschel am 01.12.2017 19:31 Uhr

Hier muss man wohl etwas korregieren. Keine Frage der Onlinhandel ist
ein zunehmender Wettbewerb. Aktuell zeichnet sich hier aber eine Kostrenfrage
ab bzgl der Paketpreise. Diese scheinen nicht mehr im Rahmen zu liegen und
man spricht von Preiserhöhungen. Hier scheint der Markt zu regeln und die
vorhandene Wettbewerbsverzerrung zu lindern. Heilbronn hat sich mit den
großen Investiitionen, wie z.B. in eine finanzpolitische Sackgasse mannöveriert.
Nun fehlt das notwendige Geld für weitere Investitionen in dasStadtmarketing.
Alles hat nun mal seine Grenzen! Eine Chance ist die Wettbewerbsverzerrungen
zu eliminieren, wie z.B. auch die Steuervermeidungen von internationalen
Konzeren wie z.B. Amazon und dem unsäglichen Niedriglohnbereich swoie
Subunternehmerunwesen bei den Paketdiensten!

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