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Heilbronn
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Kleines Areal mit großer Vergangenheit

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Das Quartier östlich des Kiliansplatzes, wo heute die Geschäfte des Klosterhofs Waren anbieten, bildete einst das vielschichtige Leben der Reichsstadt Heilbronn im Kleinen ab.

Von Kilian Krauth
Durchblick zur Kilianskirche: Klostergasse vor der Zerstörung Heilbronns 1944.
Foto: Stadtarchiv
Durchblick zur Kilianskirche: Klostergasse vor der Zerstörung Heilbronns 1944. Foto: Stadtarchiv

Der Begriff Klosterhof ist historisch keinesfalls verbürgt. Es handelt sich also um einen Kunstnamen, abgeleitet von der Klostergasse und vom einstigen sogenannten Klosterkeller. Auf dem Areal selbst stand nie ein Kloster, nur in direkter Nachbarschaft am heutigen Barthel-Gebäude: das Klarakloster, von dem bis heute ein hoher Mauerrest südlich der Klarastraße zeugt.

Auf dem 50-Ar-Areal östlich des Kiliansplatzes ist fast nichts mehr wie es war. Allein das Eckhaus zur Kaiserstraße mit Bäckerei Härdtner und Café Oben wurden 2007 nicht abgebrochen, die Nachbarschaft aber komplett: keine Spur mehr vom Kaufhaus Beilharz, vom Eiscafé Presutti, von Foto-Mangold, Tanzschule Bopp, von der Kilianspassage, Kneipen, Sex-Shop und Musikhaus Sproesser.

In den Fachwerkhäusern wohnten einst gut betuchte Bürger

Die historischen Vorgängerbauten, viele waren Fachwerkhäuser, gingen bereits beim Luftangriff am 4. Dezember 1944 verloren. Immerhin: Im Otto-Rettenmaier-Haus der Stadtgeschichte wird die Klostergasse an einer Ausstellungsstation intensiv beleuchtet. Sie bildete das vielschichtige Leben der ehemaligen Reichsstadt im Kleinen ab. Hier wohnten etliche gut betuchte und berühmte Bürger, Kaufleute, Weingärtner, Bürgermeister, Handwerker, Künstler und Pfarrer bis hin zum Reformator Lachmann und der Architekten- und Brauerfamilie Cluss.

An der Klostergasse 29 stellte Christian Zeller, der hier ab 1829 wohnte, als einer der Ersten in Württemberg Sekt her und baute Weine nicht mehr im "gemischten Satz", sondern sortenrein aus. In Haus Nr. 30 etablierte Carl Drechsler neben einer Buch- und Musikalienhandlung einen Verlag, der Werke des revolutionären Dichters Ludwig Pfau, des Stadtarztes Robert Mayer und des deutschen Sekt-Pioniers Heinrich Kessler druckte.

Gegenüber wohnte die Patrizier- und Kaufmannsfamilie Orth, die 1575 das Trappenseeschlösschen baute und ihr großes Haus an der Klostergasse 1830 der evangelischen Knabenschule überließ. Hier saßen der 1836 gegründete "Verein für nützliche Unterhaltung der Handwerkslehrlinge" und später das Gasthaus zum Goldenen Adler. 1880 wurde aus dem Anwesen die Herberge zur Heimat, die Reisenden "des Arbeiter- und Gewerbestands" ein Bett bot. 1937 wurde sie in Lachmann-Heim umbenannt. Im Zweiten Weltkrieg waren Zwangsarbeiter untergebracht.

600 Menschen kommen bei Luftangriff ums Leben

Das Haus Nr. 33 war zur Reichsstadtzeit das "Senioratshaus" für ältere Geistliche. In Haus Nr. 35 glückte 1828 durch Stadtarzt Georg Klett die erste erfolgreiche Bluttransfusion auf deutschem Boden - ohne dass man von vier Blutgruppen wusste. 1795 erwarb Werkmeister Georg Andreas Cluss das 1433 erbaute Haus Nr. 38 mit Hof und Garten. Ab 1822 wurde Sohn Heinrich Cluss als Bauunternehmer erfolgreich und kaufte ein weiteres Haus mit Scheune, Baumkelter und Weinkeller.

Und dann gab es bis zum Abbruch 2007 tatsächlich einen Klosterkeller, der ehedem wohl zum Klarakloster gehörte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zum Luftschutzraum. Beim Luftangriff vom 4. Dezember 1944, als die ganze Altstadt brannte, erstickten dort mehr als 600 Menschen.

 

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