Kein einziger Apfel muss am Baum verfaulen
Kommunen in der Region bieten Obst zum Selberpflücken an. Dennoch nehmen nur wenige Menschen das Angebot wahr. Unterdessen hat der Rückgang von Streuobstwiesen in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen - zum Nachteil der Artenvielfalt.

Pickepackevoll hängen die Kirschbäume. Sie schmücken leuchtend das grüne Sommerkleid, das sich über die sanften Hügel der Region legt. Liebhaber der süßen Leckerei haben dieses Jahr Glück. Und auch die Apfelernte scheint üppig auszufallen. Doch vielerorts vergammelt das Obst am Baum oder auf dem Boden. Keinen scheint es zu kümmern, was Mutter Natur Gehaltvolles schenkt.
Gerade die Kirsche hat es in sich. Sie enthält viele Mineralstoffe, Spurenelemente und hat einen hohen Gehalt an Vitaminen. Wer sie ernten möchte, muss sich beeilen. Doch woher nehmen? Ein kleiner Überblick über die Region Heilbronn und Hohenlohe.
In Obersulm stehen mehr als 1000 Obstbäume auf Gemeindeboden, der größte Teil auf Streuobstwiesen, erklärt Alexander Bartelmann vom Liegenschaftsamt. Knapp die Hälfte davon sei verpachtet, schätzt er. Sowohl auf der Internetseite von Obersulm als auch im Amtsblatt weise die Gemeinde darauf hin, dass Obst gepflückt werden darf. "Für einen größeren Baum verlangen wir zehn Euro, für einen kleineren acht." Das Interesse sei begrenzt. "Leider nehmen es nicht viele Bürger wahr. Der Großteil bleibt hängen."
Obst vor Ort gepresst
Etwa 150 Obstbäume stehen in Möckmühl auf stadteigener Fläche. Unter den Kirsch-, Apfel- und Birnenbäumen seien viele alte Sorten dabei, erklärt Anette Metzger vom Stadtbauamt. Jedes Jahr gebe es zwischen 15 und 18 Interessenten. Pro Apfelbaum verlangt die Stadt Möckmühl 15 Euro. Eine Besonderheit: "Bei uns kommt an einem Tag das Saftmobil." Geerntete Äpfel werden vor Ort gepresst und in Tetra-Packs abgefüllt. Somit erhält jeder Apfelpflücker auch Saft von den Äpfeln, die er geerntet hat.
In Bretzfeld rufen nach Angaben von Rolf Köhler vom Liegenschaftsamt immer mal wieder Interessenten an, die sich für Obst von Bäumen auf Gemeindegrund interessierten. Oftmals stehen die Bäume am Straßenrand. "Es ist nicht geklärt, wem der Baum eigentlich gehört", sagt Köhler. Eine Vielzahl sei aber verpachtet. Köhler schätzt den Bestand auf etwa 50 Stück. "Wenn keiner das Obst holt, verfault es oder es holt jemand und wir bekommen es nicht mit."

Bauhofleiter Reinhold Sigloch von der Gemeinde Zaberfeld erklärt, dass etwa 50 bis 60 Apfel-, Birnen- und Kirschbäume auf gemeindeeigenen Flächen stehen. "Früher hat das die Gemeinde verkauft. Heute ist das den Aufwand nicht wert." Unter den Birnenbäumen sei auch die bei Schnapsbrennern begehrte Palmischbirne. Nach Angaben von Dr. Franz Rueß, Leiter der Abteilung Wein- und Obstbau bei der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg, ist die Sorte das erste Mal im Jahr 1598 in der Literatur erwähnt. Das Interesse an Äpfeln variiere, abhängig davon, ob es ein apfelreiches Jahr ist, oder nicht, erklärt Sigloch.
Sammelaktion von Schülern und Kindergartenkindern
"Heilbronn hat 50.000 Stadtbäume und ist damit die Stadt mit den meisten Bäumen pro Bewohner in Deutschland", teilt Pressesprecherin Suse Bucher-Pinell mit. Sie weist auf das AHA (Alles Heilbronner Äpfel)-Programm hin, bei dem Schüler und Kindergartenkinder aus Heilbronn Fallobst von mehr als 900 Obstbäumen ernten und zu Saft verarbeiten lassen.
Wer kein Obstgrundstück sein Eigen nennt, kann sich an seine Gemeinde oder den Landschaftserhaltungsverband im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis wenden. Sie versuchen sich als Vermittlungsstelle von Streuobstwiesen-Eigentümern und -Interessenten. Erfreulich aus Sicht von Ute Schimmele vom Verband in Heilbronn sei, dass sich auch junge Menschen für das Thema Streuobstwiesen interessieren. Wer ein Baumgrundstück übernehmen möchte, erhalte zudem Baumschnittkurse. "Es braucht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wachstum und Fruchtertrag." Die Pachthöhe sei Vereinbarungssache.
Pflege der Bäume notwendig
Professor Dr. Klaus Schmieder von der Universität Hohenheim weist auf den Wert von Streuobstwiesen für die Artenvielfalt hin. Bei einer Untersuchung in Sachsen-Anhalt habe man 3600 Tier- und Pflanzenarten festgestellt. "In Baden-Württemberg dürften es deutlich mehr sein." Der Rückgang der Streuobstwiesen sei in den vergangenen zehn Jahren drastisch ausgefallen. Deren Ausweisung als Ausgleichsfläche für Baumaßnahmen sei zwar ein notwendiger Schritt. "Die Bäume müssen aber auch gepflegt werden." Schmieder schätzt, dass nur jeder fünfte Baum das fünfte Jahr erlebt. Ein weiterer Faktor sei die Ü-70-Regel. "Ein Großteil der Streuobstwiesenbesitzer ist älter als 70 Jahre alt."
Ernten erwünscht in der Kraichgaustadt

In Eppingen gibt es die Idee, ungenutztes Obst für den nicht-kommerziellen Gebrauch freizugeben, schon seit 2019. Der Bauhof der Stadt markiert jährlich etwa 140 kommunale Bäume mit weißen Stofftüchern. Bei Baumreihen, etwa entlang von Radwegen, wird nur der erste und der letzte Baum markiert. "Die dazwischen sind aber ebenfalls freigegeben", erläutert Cathrin Leuze von der städtischen Pressestelle.
Auch Privatleute, die über Streuobstbäume verfügen, diese aber nicht abernten können oder wollen, haben die Möglichkeit, die weißen Bänder im Rathaus abzuholen. Davon sei aber in diesem Jahr noch kein Gebrauch gemacht worden. Auch im vorigen Jahr sei die Aktion von privater Seite kaum unterstützt worden.
Rezepte für Marmelade oder Kuchen
Was tun mit dem heimischen Obst? Marmelade kochen zum Beispiel. Wer sich von neuen Rezeptideen inspirieren lassen oder selbst ein Marmelade-Rezept einstellen möchte, kann dies auf dem Bürgerportal Meine.Stimme tun. Der direkt Link zum Mitmachen oder Anschauen lautet www.meine.stimme.de. Unter www.meine.stimme.de sind auch Rezeptvorschläge für Obstkuchen zu finden. Jeder, der sich kostenlos registriert hat, kann selbst einen Beitrag einstellen. Das Anschauen der Texte und Fotos auf den Portalen funktioniert auch ohne Registrierung.
Bürgerportal: www.meine.stimme.de

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