In den VVS? Lauffen ist am Zug
Seit Jahren liebäugelt Lauffen mit einer Mitgliedschaft im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart. Durch die Reform des Stuttgarter Verbunds werden die Karten neu gemischt. In Kirchheim ist man davon wenig begeistert.

Seit Jahren liebäugelt Lauffen mit einer Mitgliedschaft im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart. Durch die anstehende VVS-Reform sind viele Tickets künftig deutlich günstiger. Die Karten für Lauffen und für viele Pendler aus der Region Heilbronn werden neu gemischt. Im Nachbarort Kirchheim am Neckar verbinden sich mit der Reform auch Befürchtungen.
Alte Diskussion neu befeuert
"Es muss ein Gemeinderatsbeschluss her", sagt Lauffens Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger. "Wir werden die Verhandlungen neu aufgreifen." Gemeint sind die Verhandlungen mit dem VVS, der sich anschickt, zum 1. April 2019 die größte Tarifreform seiner Geschichte umzusetzen. Das ist nun beschlossene Sache, nachdem noch Finanzierungsfragen zu klären waren. Land, Stadt Stuttgart und Landkreise haben sich verständigt, das erwartete Defizit von 42 Millionen Euro jährlich zu tragen.
Auch interessant: Was die Reform für Pendler aus der Region bedeutet
Schon 2016 hatte Lauffen erheben lassen, was es brächte, sich neben dem Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV) auch dem Stuttgarter Verbund anzuschließen - und was es kostet. Fazit damals: Es gäbe viele Gewinner, aber auch ein paar Verlierer. Pendler zwischen Lauffen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof würden draufzahlen, während Berufstätige mit einem Ziel anderswo in der Landeshauptstadt günstiger wegkämen. Doch das war vor der Reform.
Viele Fahrten rund um Stuttgart werden günstiger

Der VVS dampft seine unübersichtlichen 52 Zonen zu nur noch fünf Ringen ein. Viele Fahrten werden deutlich günstiger, vor allem für jene, die auf langen Strecken unterwegs sind. Von Kirchheim am Neckar sind es ins Stuttgarter Zentrum derzeit sechs Zonen, ab kommendem Frühjahr nur noch fünf. Lauffen ging bisher davon aus, bei einer VVS-Integration als eher unattraktives Anhängsel mit sieben Zonen Entfernung nach Stuttgart geführt zu werden. Jetzt ist Lauffens Verhandlungsposition: Wenn Mitglied, dann wie Kirchheim im fünften Tarifring. Alle Berechnungen aus dem Jahr 2016 würden hinfällig, alle Stuttgart-Pendler führen voraussichtlich günstiger.
Ein Preisbeispiel: Wer täglich von Lauffen zum Hauptbahnhof in Stuttgart pendelt, zahlt für das Abo der Deutschen Bahn 186,80 Euro. Für fünf VVS-Zonen wären es monatlich 139,17 Euro, knapp 25 Prozent weniger. Bei den Diskussionen im Lauffener Gemeinderat wird eine Rolle spielen, dass es die Eintrittskarte nicht kostenlos gibt. Für die VVS-Mitgliedschaft wäre ein sogenannter Verlustausgleich aus der Stadtkasse fällig. Laut Berechnungen von 2016 sind das rund 130 000 Euro im Jahr. Und noch einen Haken gibt es. Dass Lauffen mit gleichen Rechten wie Kirchheim integriert würde, ist kein Selbstläufer. Beilstein etwa, bislang einzige Heilbronner Kreisgemeinde im VVS, ist auch nach der Reform ein Anhängsel mit zusätzlicher Tarifzone.
Außenposten Kirchheim fürchtet mehr Verkehr
Die Grünen im Lauffener Gemeinderat, seit jeher Streiter für die Doppelmitgliedschaft, wollen Dampf machen. Ihr Vorsitzender Ralf Roschlau rechnet jedoch nicht mit einer schnellen Lösung: "Die Mühlen mahlen langsam." Im benachbarten Kirchheim hat man andere Bedenken. "Wir betrachten das mit einer gewissen Sorge", sagt Bürgermeister Uwe Seibold mit Blick auf die Tarifreform. Wird die VVS-Pendelei attraktiver, gilt dasselbe für Kirchheim als Park-and-Ride-Außenposten. Viele Pendler etwa aus dem Zabergäu fahren mit dem Auto nach Kirchheim, um dort in den Zug umzusteigen. Auf den Parkplätzen an den Gleisen sind Autos mit HN-Kennzeichen in der Mehrzahl. Die verkehrsgeplagte Gemeinde fürchtet neben den Vorteilen durch günstigere Tickets also noch mehr Autos in den Straßen.
Kommentar von Alexander Hettich
VVS-Reform: Steilvorlage für Lauffen
Politiker sind schnell dabei, ihre Errungenschaften als großen Wurf zu bezeichnen. In diesem Fall kann man die Einschätzung aus dem Landesverkehrsministerium unterstreichen. Die anstehende Reform des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) bringt für Tausende von Pendlern echte Verbesserungen.
Viele Tickets für Bus und Bahn werden rund um die Landeshauptstadt deutlich günstiger. Davon profitieren auch Berufstätige aus der Region. Allein rund 6000 Pendler fahren täglich aus Stadt und Landkreis Heilbronn zur Arbeit nach Stuttgart, für Tausende mehr liegt das Ziel im Kreis Ludwigsburg. Für viele dürfte sich die Frage des Umstiegs vom Auto auf die Schiene neu stellen.
Lauffen muss sich schleunigst darüber klar werden, ob die Stadt sich neben dem Heilbronner Verkehrsverbund auch dem VVS anschließen will. Für die Befürworter eines solchen Schritts ist die Reform eine Steilvorlage. Auf der anderen Seite stehen hohe Kosten für die Stadt, die eine VVS-Mitgliedschaft mit sich brächte. Das gilt es, neu abzuwägen – und zwar schnell, damit die Wirkung der Reform nicht verpufft.
Alles, was Verkehr von den überlasteten Straßen auf die Schiene bringt, ist zu begrüßen. Klar ist aber auch: Durch Preisnachlässe allein wird keine S-Bahn pünktlicher, kein Regionalzug zuverlässiger. Erst wenn die Qualität stimmt, wird aus dem großen Wurf bei der Tarifstruktur ein Erfolg der Verkehrspolitik.