In den Fußgängerzonen befolgt die Mehrheit die Maskenpflicht
An Tag eins der neuen Freiluftregel tragen viele Passanten in der Heilbronner Innenstadt den Mundschutz. Es gibt einige Kritiker der neuen Maßnahme - ein hohes Bußgeld zahlen will aber keiner.

Der Sprung in die neue Corona-Hotspot-Zeit in der Heilbronner Innenstadt läuft überraschend gesittet ab. Am ersten Tag der neu eingeführten Maskenpflicht in den Fußgängerzonen und einigen Seitenarmen haben am Freitag auffallend viele Bürger bereits das Stoffband auch im Freien im Gesicht. "Etwa 80 bis 85 Prozent haben die Maske an", stellt eine Streifenmitarbeiterin des Kommunalen Ordnungsdienstes der Stadt in der Fleiner Straße gegen 11 Uhr fest.
Die Stadtmitarbeiterin und ihr Kollege klären Passanten "oben ohne" über die neue Maskenpflicht auch im Freien auf, zeigen eine Karte mit den ausgewiesenen Straßen. Einige haben die neue Pflicht vergessen, andere wissen noch nichts davon. Heute erkläre man erst einmal die Neuerung, sagt die Frau in Uniform. Nur wenn Bürger sich ganz uneinsichtig zeigen, komme es zu einer Anzeige, betont der Kollege. Sie sind auch überrascht, wie viele schon mit Maske unterwegs sind Aber: Zwei Beleidigungen hat das Streifenduo heute auch schon erlebt.
Irrsinn oder ein notwendiger Schutz für alle?
Die Stadt Heilbronn hat auf die stark gestiegenen Infektionszahlen reagiert. Die liegen über der Alarmschwelle von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Die Maskenpflicht im Freien soll vor allem in der Fußgängerzone mehr Schutz vor allem bei vollen Straßen bieten. Auch wenn viele eine Maske tragen: Hinter der neuen Regelung stehen längst nicht alle. "Das ist doch ein Irrsinn", sagt eine 60-jährige Frau am Kiliansplatz. Sie verweist auf "andere Meinungen" von Ärzten, wonach Corona nur eine Grippe sei. "Du musst die anderen schützen", entgegnet ihre Bekannte (57). Man habe es selbst in der Hand, wie schlimm die Auswirkungen auch auf die Wirtschaft würden.
Am Marktplatz laufen zwei junge Frauen mit Maske entlang. "Wir müssen uns schützen", sagt Daria (17). Die neue Regel auch für Fußgängerzonen sei richtig, "wenn man kein Corona kriegen will". In der Fleiner Straße sitzt Bettler Julius (63), auch er trägt Mund-Nasen-Schutz, schon längere Zeit. Dass eine Pflicht erst seit heute gilt, hat er nicht gewusst. Er habe eben keine Strafe zahlen wollen, sagt er und grinst. Ordnungsstreifen belehren einen Rentner, der sich das Stück Stoff langsam ins Gesicht zieht. Er fühle sich durch diese Regel eingeschränkt, redet vom Grundgesetz, nennt die Maßnahme überzogen. "Im Laden reicht die Maske doch."
Verständnis und Verwunderung
Der Gang durch die Fußgängerzone wird zur Maskenparade. Selbst in der Lohtorstraße, in der die Maskenpflicht nicht gilt, kommt ein Autofahrer mit Mund-Nasen-Schutz zum Parkscheinautomat. "Es ist, wie es ist", sagt Jan Köster zur verschärften Verordnung. Er könne es bei steigenden Infektionszahlen verstehen. Hinter allem steht er jedoch nicht. Dass es in der Schule im Klassenzimmer bislang keine Maskenpflicht gab, im Schulhof aber schon, nennt er als Beispiel. Für ihn ist das nicht nachvollziehbar. Wenn jetzt aber diese neue Verordnung für die Innenstadt da sei, werde er das Schutztextil auch tragen.
"Sie müssen hier die Maske aufziehen, sonst können Sie ein Bußgeld bekommen", sagt eine Bedienung in der Unteren Neckarstraße zu einer Frau. Die hat die neuen, eigentlich schwer übersehbaren "Maskenpflicht!"-Schilder nicht bemerkt. Für ihren Hund blicke sie immer auf den Boden, "ob da Scherben liegen", sagt die 47-Jährige. Ihre Maske setzt sie sofort auf. Dass es Flächen ohne Pflicht wie in der Lohtorstraße gibt, versteht sie nicht. "Da wohne ich. Gerade da sind doch jeden Tag viele unterwegs."
Keine Lust, 250 Euro Bußgeld zu zahlen
In der Sülmer Straße zieht eine 33-Jährige zum Rauchen die Maske ab. "Unnötig und unlogisch" findet sie die Pflicht, die es auch in Frankfurt gebe. Wer viel messe, finde auch viele Infektionen. "Die Frage ist doch, wie viele sterben." Warum sie nach dem Rauchen doch wieder den Mundschutz anzieht? "Ich habe keine Lust, 250 Euro zu zahlen." Fakt ist indes auch: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Heilbronn stieg am Freitag weiter - auf den Inzidenz-Wert von 74 (am Tag zuvor lag er bei 58).
Wann welche Regel gilt
Ab wann gelten die von Bund und Ländern beschlossenen neuen Regeln, wie die Sperrstunde ab 23 Uhr in Lokalen, in Corona-Hotspots wie Heilbronn? Das Sozialministerium wollte am Freitagabend einen Erlass an die Kommunen senden. Diese müssten die Empfehlungen in eine Allgemeinverfügung umsetzen, hieß es. Erst dann gelten neue Regeln wie eine neue Sperrstunde – oder Besucherbeschränkungen auf 100 Teilnehmer bei Veranstaltungen.
Die Stadt Heilbronn will den Erlass am Wochenende genau ansehen, ab Montag dann weitere Schritte einleiten. Die Maskenpflicht in Fußgängerzonen oder Beschränkungen bei privaten Treffen in Privaträumen auf zehn Personen hat die Heilbronner Stadtverwaltung bereits in einer eigenen Verfügung erlassen. Diese Regeln gelten seit diesem Freitag.
