Im Märzen hat der Bio-Bauer noch Zeit
Im Frühjahr ist Pflügen nicht immer die beste Form der Bodenbearbeitung. Es gibt Alternativen wie die schonende Dammkultur. Walter Kress vom Haaghof in Gochsen erklärt, wie das geht.

Er ackert, er egget, er pflüget und sät", heißt es in dem aus Mähren stammenden Kinderlied. Das stimmt heute in zweierlei Hinsicht nicht mehr.
Zum einen wird schon sehr viel früher gepflügt - am liebsten bei Frost. Nach neuer Verordnung ist das Pflügen aber erst wieder ab 16. Februar erlaubt: Ein aktueller Streitpunkt bei den Bauern.
Es geht auch ohne Pflügen
Immer mehr Landwirte lassen Pflug und Egge in der Ecke stehen. 50 Prozent pflügen nicht, schätzt das Portal landwirtschaft.de, und nennt als Grund den massiven Eingriff: "Ein Pflug ist ein Arbeitsgerät, dessen Schare die Erde bis in eine Tiefe von 25 bis 30 Zentimetern messerartig unterschneiden und wenden."
Dieses radikale Umarbeiten des Bodens "bringt die ganze Schichtung durcheinander", weiß Walter Kress, der seinen Haaghof bei Hardthausen-Gochsen seit 2009 als Demeter-Betrieb führt. Das Pflügen drehe das ganze Bodenleben auf den Kopf. "Wir leben aber vom Boden, das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten."
Aus Fehlern gelernt
Auch er habe nach der Umstellung auf biologische Landwirtschaft im Jahr 1981 und dann nach der Hofübernahme von seinem Vater Gotthilf im Jahr 1992 "immer wieder Fehler in der Bodenbearbeitung gemacht". Statt gegen "Unkraut" wie Disteln zu arbeiten, habe er versucht heraus zu finden, warum die da sind und was sie anzeigen. "Disteln lieben verdichteten Boden. Die raus zu reißen oder abzuschneiden macht wenig Sinn, solange Wurzeln und Rhizome sich im Boden wohl fühlen." Also gelte es, das Umfeld zu verändern - sprich, die Bodenverdichtungen aufzulockern und zu stabilisieren.
Auch über die Firma "Kress umweltschonende Landtechnik" (K.U.L.T), für die Walter Kress europaweit unterwegs war, hat er für seine acht Hektar Ackerfläche einiges verändert: weniger mit wendenden Geräten arbeiten, weniger Bodendruck, den Boden nicht im nassen Zustand bearbeiten. "Als Nebeneffekt sparen wir damit auch noch Diesel ein."
Ein fetter Regenwurm als Freund
Die Ackerkrume lockert Walter Kress durchaus, aber nur schonend im Sommer nach der Ernte, "wenn der Boden am trockensten ist". Sein Ziel ist Humusaufbau und eine möglichst rundkrümelige stabile Bodenstruktur. Statt Dünger von außen zuzuführen, soll die Erde reich an organischer Masse und damit Nähr- und Dauerhumus sein.
Das Ergebnis sieht man bei der Spatenprobe: Butterweich gleitet das "wichtigste Arbeitsgerät des Biobauern" in die Erde. Ein fetter Regenwurm fühlt sich in der braunen, feinkrümeligen Erde wohl. "Das ist unser bester Freund", meint Helmut Kress. Der jüngere Bruder steigt in Teilzeit in den Haaghof mit ein, auch sein 28-jähriger Sohn Friedemann will mitschaffen, wenn der bald 68-jährige Walter Kress sich nach und nach zurückzieht.
Vom Wissen des "Seniors" wollen die Nachfolger profitieren. In jahrelangen Recherchen hat sich Walter Kress in die traditionellen Boden-Lockerungstechniken vertieft. "In vielen Ländern der Erde wird noch mit Zugtieren und ohne große Traktoren und Maschinen gearbeitet." Statt beim Pflügen den Boden zu drehen, wird auf dem Haaghof mit einem leichten 70PS-Traktor der trockene Untergrund im Sommer nur gelockert. "Die Erde wird mit Pflanzenrückständen zu Dämmen aufgehäufelt." Die Vorteile: Es kommt Luft in den Boden, der das Wasser besser aufnimmt. Auf die Dämme werden Zwischenfruchtmischungen gesät, die auch bei Hitze und Trockenheit gut wachsen. Knöllchenbakterien an den Wurzeln bringen natürlichen Dünger in den Boden. Diese begrünten Dämme überwintern dann von September bis in den März ohne weitere Bearbeitung.
"In einer Handvoll Erde leben mehr Organismen als Menschen auf der Erde"
Entscheidend ist nicht, was oben wächst, sondern die Wurzelmasse. "Ein durchgefräster Boden hält das Wasser nicht", sagt Helmut Kress. Von den Damm-Kronen und -Flanken, die bis zu fünf Grad wärmer sein können als der ebene Boden, ziehen sich Regenwürmer und Co immer wieder Pflanzenreste zum Fressen und verarbeiten so die Biomasse zu Humus. "In einer Handvoll Erde leben mehr Organismen als Menschen auf der Erde", weiß Walter Kress.
Zu tun gibt es im Frühjahr also nicht allzu viel für den Biobauern. Die Pflanz-Kartoffeln werden auf der Fußbodenheizung vorgekeimt und von Hand in die Schar gelegt, damit die grünen Keime nicht abbrechen. "Alles andere braucht dann Zeit, insbesondere nach einem regenreichen Winter", sagt der erfahrene Landwirt. "Es ist die bäuerliche Ungeduld, dass alle möglichst früh loslegen wollen."
Bodenfruchtbarkeit fördert die Biodiversität
Der Haaghof in Gochsen ist länderübergreifend mit 30 Betrieben in einem Bodenfruchtbarkeitsfonds aktiv. Unter anderem für die CO2-Speicherung und den Humusaufbau, aber auch für die Förderung der Biodiversität über Hecken oder Agroforst-Bäume gibt es einen finanziellen Ausgleich des Mehraufwands. Ein anderer Zusammenschluss mit ähnlichen Zielen ist das HumusKlimaNetz, das auf 150 konventionellen und ökologischen Betrieben die Klimawirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von humusmehrenden Maßnahmen fördert.