Streit um laute Kinder eskaliert
Heilbronn - Der Haussegen in der Werderstraße in Heilbronn hängt schief, schiefer geht es kaum. Ein Ehepaar in einer Doppelhaushälfte läuft gegen die Kindertagesstätte in der anderen Haushälfte Sturm.

Heilbronn - Der Haussegen in der Werderstraße in Heilbronn hängt schief, schiefer geht es kaum. Ein Ehepaar in einer Doppelhaushälfte läuft gegen die Kindertagesstätte in der anderen Haushälfte Sturm. "Wir hatten schon die Polizei da", sagt Birgitt Wölbing, Geschäftsführerin der Arkus gGmbH, dem Träger der Einrichtung. Das ganze Viertel ist längst in den Streit hineingezogen worden. Der Nachbar hat ein Protestplakat direkt neben dem Kinderhauseingang aufgehängt, auf dem unter anderem geschrieben steht: "Kindergeschrei macht krank." Einmal hat er sich demonstrativ mit Tisch und Stuhl vor das Plakat gesetzt. "Streik" nannte er das. Passanten in der Straße bleiben vor dem Schild stehen und schütteln verständnislos den Kopf. "Wer hier keine Kinder haben will, soll doch wegziehen", sagt einer.
Parkprobleme
"Ich würde ja gerne wegziehen, aber wer kauft unser Haus mit dem Lärm nebenan?", fragt die Urheberin des Plakats. Die 43-Jährige betont: "Wir sind nicht kinderfeindlich." Sie habe selbst zwei Kinder großgezogen, aber die Lautstärke im Kinderhaus sei nicht auszuhalten. "Wir können die Fenster nicht mehr aufmachen." Der Altbau sei nicht gedämmt, durch die dünne Wand höre man alles. Dazu komme, dass die Eltern ihre Kinder den ganzen Tag über mit dem Auto zur Tagesstätte bringen. "Die parken hier alles wild zu, die Müllabfuhr kommt auch nicht mehr durch." Dabei seien die meisten Eltern gar nicht aus dem Viertel.
Abdämmen
Tatsache ist: Die Adresse für 39 Kinder war vor den lärmgeplagten Nachbarn da, die die Doppelhaushälfte Mitte der 90er kauften. Wahr ist auch, dass die Kindertagesstätte früher ein Kindergarten mit eingeschränkteren Öffnungszeiten war. "Damals hielten wir den Lärm aus, heute nicht mehr", sagt die Nachbarin. Die Leiterin der Kindertagesstätte hat Verständnis. "Es stimmt schon, die Eltern können die Kinder jetzt den ganzen Tag über bringen und abholen", berichtet Edith Spranz. Der Kindergarten hatte sechs Stunden am Tag auf, die Kindertagesstätte zehn − von 7.30 bis 17.30 Uhr. Das ist einer der Gründe, warum die Stadt Heilbronn als Eigentümer des Gebäudes und Arkus als Träger versuchen, den Beschwerden nachzugeben und den Lärm so gut es geht zu verringern. Edith Spranz: "Wir gehen mit der ganzen Gruppe nicht mehr in den Garten." Die Zauntür vor dem Haus bleibt nun immer geöffnet. Die Haustür soll wie eventuell auch die Holztreppe im Kinderhaus gedämmt werden.
Doch die Kita-Leiterin macht klar: "Auch wenn wir hier nah aufeinander hocken: Kinder sind Kinder." "Wir können hier nicht weg, wir wollen hier nicht weg." In Heilbronn gebe es zu wenige Kindertagesstättenplätze. Der Einzugsbereich des Kinderhauses umfasse darum die ganze Stadt. Es gehe eng zu im Viertel rund um die Werderstraße. Aber das Problem mit der baulichen Situation "haben alle Nachbarn", argumentiert Edith Spranz. Die Enge in der Werderstraße "macht ja auch ihren Reiz aus".
Die Kita-Chefin sieht einen Interessenkonflikt. "Da ist eine Familie mit einem enormen Ruhebedarf, wir sind ein Kinderhaus." Dass der Streit jetzt so eskaliert sei, "ist nicht gut und richtig". Kinderfeindlichkeit möchte Edith Spranz ihren Kontrahenten aber nicht vorwerfen. "Sie sind nur verzweifelt."
Ausnahmefall
In der Stadt Heilbronn kommt es in der Nähe von Kindergärten immer mal wieder zu Beschwerden wegen Lärm. „Aber in dem Ausmaß wie in der Werderstraße ist es der absolute Ausnahmefall“, sagt Stadtsprecher Anton Knittel. Zuletzt gab es beispielsweise Ärger wegen eines Bolzplatzes im Badener Hof. mut