Rätsel der arabischen Schriftzeichen zum Teil gelöst
Was bedeuten die arabischen Schriftzeichen, die der Mörder in Bad Friedrichshall-Untergriesheim am Tatort hinterließ? Ein Rätsel, das am Freitag beim 5. Prozesstag vor dem Heilbronner Landgericht zwei Islamwissenschaftler wenigstens zum Teil lösten.

Die Staatsanwaltschaft wirft einem pakistanischen Asylbewerber (27) muslimischen Glaubens vor, im Mai 2016 eine 70-Jährige im Schlaf in ihrem Bett überrascht und dann erdrosselt zu haben. Als Mordmotiv nehmen die Ankläger religiöse Gründe an. Der 27-Jährige habe eine aus seiner Sicht Ungläubige töten wollen − und um sie auszurauben. Nach der Tat hinterließ der Täter auf dem Schlafzimmerschrank, an einer Handtasche, auf einem Schal, der im Bett gefunden wurde und auf einer Kehrschaufel arabische Schriftzeichen. Die Botschaft des Mörders, eines religiösen Fanatikers?
Gutachten
Nach den Untersuchungen von Dr. Rüdiger Seesemann von der Uni Bayreuth und seinem Kollegen Erik Petersen vom Stuttgarter Landeskriminalamt wohl eher nicht. Seesemann sagte zur Stimme: "Da hat sich kein radikaler Islamist ausgetobt." In seinem Gutachten erläuterte er den Richtern, dass die Zeichen, die sich über fünf Schranktüren erstrecken, als Satz gelesen werden können, der dann etwa auf Deutsch laute: "Seine Exzellenz Hoheit Ali war der Letzte, der zu den Leuten der Ewigkeit gesagt hat, ich bin Gott." Ali war der Schwiegersohn Mohammeds. Der Islamwissenschaftler glaubt aber eher, dass die ganze Schrift als Zusammensetzung von einzelnen Versatzstücken zu lesen ist, da der Autor der Zeilen des Arabischen nicht so mächtig sei. So lautet die Schrift auf der dritten Schranktür: Allah Habakkar, übersetzt: Gott ist Ewigkeit.
Auffallend: Das Gleiche − Allah Habakkar − steht in dem Notizbuch des Angeklagten, das bei seiner Festnahme sichergestellt wurde, allerdings in lateinischen Buchstaben. Und, so Seesemann, das Schriftbild der beiden Fundstücke sei sich sehr ähnlich. Darum wollte sich der Experte festlegen: "Es deutet alles darauf hin, dass der Angeklagte die arabischen Schriftzeichen im Haus verfasst hat."
Allerdings könne der Fachmann keine "Sinnhaftigkeit" zwischen der Tat und den Schriftzeichen erkennen. Vielmehr sei die Schrift Ausdruck einer "verwirrten religiösen Identität", die er auch aus dem erschließe, was der Angeklagte vor Gericht sage.
Streit
Heftigen Streit gab es zwischen Verteidigern und Vorsitzendem Richter Roland Kleinschroth. Die Anwälte des Angeklagten stellten einen Befangenheitsantrag gegen Kleinschroth. Seine Prozessleitung sei nicht neutral. Der Richter selbst nannte diesen Antrag "unfair".
Opferanwalt Tobias Göbel lobte den "Langmut" Kleinschroths. Vielmehr sei das Verhalten des Angeklagten "nur schwer zu ertragen", der 27-Jährige habe "beleidigt und bedroht", ein Ausschluss wegen ungebührlichen Verhaltens von der Verhandlung "wäre längst geboten gewesen". Über den Befangenheitsantrag wird bald entschieden.
Der fünfte Prozesstag
Der fünfte Verhandlungstag des Untergriesheimer Mordprozesses am Heilbronner Landgericht begann sehr emotional. Beamte der Spurensicherung beschrieben den Tatort und auch die Auffindesituation der Leiche.
Ein Kriminaltechniker sagte, die Getötete (70) sei in ihrem Bett „drapiert“ worden. Neben ihr seien zwei Kuhlen im Bettzeug zu finden gewesen, was darauf hinweise, dass sich Mörder neben sie kniete und sie in die Stellung brachte, in der sie ihr Ehemann im Mai 2016 am frühen Morgen fand.
„Eindrücklich“ waren dem Polizisten auch, wie die Hände gefaltet und gefesselt wurden, und das Kreuz, das aus der Küche des Wohnhauses stammte, das der Täter dem Opfer zwischen die gefesselten Hände steckte. Das Opfer habe auch Verletzungen im Gesicht gehabt.
Eindeutige Spuren am Tatort
Weitere Spuren sind wichtige Belege dafür, dass der Angeklagte, ein pakistanischer Asylbewerber, am Tatort war. Am Öltank in einem Raum im Untergeschoss des Hauses stellten die Kriminaltechniker eine Faser sicher, die eindeutig vom Kapuzenpulli stammt, den der 27-Jährige bei seiner Festnahme trug. An einer Holztreppe zum Dachboden fanden die Beamten außerdem einige Schuhabdrücke, die zu den roten Nike-Turnschuhen passen, die er Angeklagte ebenfalls bei seiner Festnahme trug.
Noch immer wissen die Ermittler nicht, wie der Täter ins Haus kam. Die Haustüren seien alle verschlossen und intakt gewesen, die Rollläden „waren alle im unteren Bereich des Hauses unten“, sagte der Kriminaltechniker.
Der Vorsitzende Richter fragte den Angeklagten abermals eindringlich, ob er bei seinen Beteuerungen bleibe, nie in Untergriesheim gewesen zu sein. Schließlich gebe es auch DNA-Spuren unter anderem an den Fesselungswerkzeugen.
Angeklagter: „Ich war im Rausch“
Der Angeklagte antwortete, dass er am Tag vor dem Verbrechen in Heilbronn am Hauptbahnhof eine Marihuana-Zigarette geraucht habe, die er von einem Araber erhalten habe. „Ich war im Rausch, es gibt auch schwarze Magie“, sagte er. Zudem hätte er von einer Gruppe aus fünf bis sieben Personen etwas erhalten, das man sich in die Nase tun könne. Was dann passierte, wisse er nicht mehr, seine Erinnerung setze erst wieder am Tag nach dem Verbrechen ein, als er bei Bekannten in Neuenstein auftauchte. „Es war ein Blackout“, so der Angeklagte.
Diese Version nahm ihm der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth nicht ab: „Ich bin es leid und habe satt, dass sie irgendwelche Geschichten aus 1001 Nacht erzählen. Entweder Sie erzählen die wahre Geschichte oder keine.“ Was der Angeklagte erklärt habe, sei Quatsch. Dass zufälligerweise der Blackout genau die Zeit des Verbrechens abdecke, er aber genau wisse, dass er nicht in Untergriesheim war, zweifelte der Richter stark an.
Als Richter Kleinschroth bei anderer Gelegenheit von dem Angeklagten ein „bisschen Respekt“ einforderte, entgegnete der Pakistani: „Ich will einen anderen Richter. Ich halte Sie für ungeeignet. So geht das nicht.“
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Asylbewerber vor, im Mai 2016 eine 70-Jährige nachts im Schlaf überrascht und im Schlafzimmer ihres Wohnhauses in Bad Friedrichshall-Untergriesheim erdrosselt zu haben. Das Motiv liege im muslimischen Glauben des Pakistani, so die Staatsanwaltschaft. Der 27-Jährige habe eine aus seiner Sicht Ungläubige töten wollen und um sie auszurauben.
Der Angeklagte streitet alle Vorwürfe ab, gegen ihn gebe es ein Komplott.
Stimme.de