Haftungsstreit nach Tragödie auf A6
Der Hubschrauberabsturz auf der A6 vom Januar bei Schwäbisch Hall wirkt vor Gericht nach. Eine Werkstatt verklagt eine Versicherung, weil sie den Unfallschaden, den der zerschellende Hubschrauber an einem Lkw verursacht hat, nicht voll erstatten wollte.
Ein fragwürdiges Nachspiel hat das Hubschrauberunglück auf der A6 vom Januar bei Schwäbisch Hall. Nach dem tragischen Unfall, bei dem der Pilot aus Bretzfeld bei dichtem Nebel gegen eine Stromleitung prallte und auf der Autobahn tödlich verunglückte, streiten sich eine Reparaturkwerkstatt aus Kirchberg und die Hamburger Flugfahrzeugversicherung des Hubschrauberbesitzers vor dem Heilbronner Landgericht.
5100 Euro offen
Die Werkstatt hat die Versicherung verklagt, weil sie den Unfallschaden, den der zerschellende Hubschrauber an einem Molkerei-Lkw verursacht hat, erst nur zu 50 Prozent bezahlen wollte, dann 75 Prozent der Reparatursumme überwies. Rund 5100 Euro sind noch offen. Eine Mitschuld, eine sogenannte „Betriebsgefahr“ (siehe Hintergrund) will die Versicherung geltend machen und deutete eine unzureichende Reaktion des Lkw-Fahrers an. „Da fehlen mir die Worte. Wenn ein Hubschrauber vom Himmel fällt, ist das ein unabwendbares Ereignis“, stellte Anwalt Jürgen Hägele fest, der die Reparaturfirma vertritt. „Wie hätte der Lkw-Fahrer den Unfall verhindern sollen?“
Richter Christian Stahl lud Zeugen vor. „Auf einmal kommt etwas auf mich zu. Ich habe kurz nach rechts gezogen, dann ist der Hubschrauber aufgeschlagen“, berichtete der 72-jährige Lastwagenfahrer aus Bayern. Wie weit der Helikopter bei seiner ersten Wahrnehmung weg war? „Vielleicht 50 Meter.“ Dann hörte er blecherne Töne, als sein Lkw und der brennende Hubschrauber seitlich aneinander vorbeischrammten. Er blieb unverletzt, die Szenen aber vergisst er nie.
Ein anderer Unfallzeuge berichtete, wie er in der Hochnebelwand an dem Nachmittag einen Blitz bemerkt habe. Vielleicht eine Sekunde später sei die Kanzel „aus dem Nebel herausgekommen“ und auf der Autobahn aufgeschlagen. Ein Feuerball habe sich ausgebreitet. Wie hoch der Hubschrauber da flog? „Geschätzte 20 Meter“. Auch eine weitere Zeugin beschrieb eindrücklich, wie sie einige Kilometer von der Unfallstelle entfernt den gelben Hubschrauber unter der Hochnebelwand sah. „Auffallend tief“ sei er unter der Nebeldecke geflogen.
Gravierender Verstoß
Richter Christian Stahl deutete unmissverständlich an, dass er keine Zweifel daran hat, dass der Pilot gravierend gegen das geltende Tiefflugverbot verstoßen hat. 150 Meter ist die Mindestflughöhe. Der Richter sieht nach bisheriger Würdigung keinen Anhaltspunkt, dem Lkw-Fahrer Fehler anzulasten. Das Steuer herumzureißen, hätte einen Überschlag des Lastwagens bewirken können. Und selbst wenn der Mann einen Blitz im Nebel gesehen hätte, „sollte man nicht gleich auf die Bremse treten“.
Die Vermutung liege nahe, dass für eine wesentliche Reaktion „keine Zeit mehr war“. Wie solle man denn auf der Autobahn reagieren, „wenn ein Hubschrauber runterkommt?“ Null Prozent Haftung für den Lkw-Fahrer, 100 Prozent für die Versicherung, ist seine vorläufige Bewertung.
Die Anwältin der Versicherung beeindruckten die klaren Worte nicht sonderlich. Sie besteht auf einem Urteil des Richters. Das wird dieser in einigen Wochen sprechen.
Hintergrund: Betriebsgefahr
Der Gesetzgeber stuft das Nutzen von Autos, Bahn, Flugzeug oder Hubschrauber als generelle „Betriebsgefahr“ ein. Kommt es zu einem Unfall oder Schaden, sieht das Gesetz zunächst eine (Mit-)Haftung des Betreibers vor, unabhängig vom Verschulden. Diese Teilhaftung (oft 20 Prozent) entfällt nur, wenn der Unfall durch höhere Gewalt erfolgte, „unabwendbar“ war oder ein anderer grob verkehrswidrig handelte. cf