Heilbronns Einwohnerzahl leicht gesunken
In Heilbronn ist die Einwohnerzahl zwischen Januar und Juni 2020 zum ersten Mal seit 2011 ein wenig gesunken, um 0,2 Prozent. Gleichzeitig ziehen immer mehr Menschen in Baden-Württemberg aufs Land. Ein Grund dafür: Städtischer Wohnraum ist knapp und teuer.
Die Bevölkerungszahl in Baden-Württemberg wächst. Zuletzt sind allerdings relativ wenige neue Einwohner dazugekommen, insgesamt etwa 1600 in sechs Monaten. Besonders die Stadtkreise im Land gehören zu den Verlierern dieser Entwicklung: Bis auf Baden-Baden haben sie alle im ersten Halbjahr 2020 Einwohner eingebüßt. Die meisten Landkreise hingegen verzeichneten einen Bevölkerungszuwachs.
Im Stadtkreis Heilbronn ist die Einwohnerzahl von Anfang Januar bis Ende Juni dieses Jahres zum ersten Mal seit 2011 gesunken: um 275 Einwohner, also etwa 0,2 Prozent. "Ein sehr leichter Rückgang", bezieht die Stadt Stellung. Insgesamt sei die Zahl der Heilbronner Bürger seit 2011 um 10.000 gestiegen, daher "ist das aus unserer Sicht mehr eine Momentaufnahme denn ein Trend". Jetzt müsse man die Entwicklung über das ganze Jahr abwarten.
Tatsächlich gab es im ersten Halbjahr 2020 einige baden-württembergische Stadtkreise mit größeren Verlusten als Heilbronn, wie etwa Stuttgart (-2302), Heidelberg (-2351) oder Karlsruhe (-2732).
Der Landkreis Heilbronn dagegen steht im Ranking auf Platz drei der großen Gewinner: Mit einem Zuwachs von 1187 Einwohnern im ersten Halbjahr des Jahres liegt er direkt hinter dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (+1281) und dem Landkreis Karlsruhe (+1211).
Langfristig steigen die Zahlen sowohl im Landkreis als auch im Stadtkreis Heilbronn
Aus diesen Zahlen können allerdings keine Langzeit-Erkenntnisse gewonnen werden, da sie nur nur sechs Monate abbilden. Um einen klaren Trend auszumachen, darauf verweist neben der Stadt Heilbronn auch das Statistische Landesamt, muss ein längerer Zeitraum ausgewertet werden. In einer solchen Analyse steigen die Zahlen für die Stadt Heilbronn, und einen Trend nach oben zeigen auch die Zukunftsprognosen des Statistischen Landesamtes.
Das ist im Übrigen auch im Landkreis der Fall: Im Zeitraum Dezember 2017 bis Juni 2020 haben nur drei Kommunen im Landkreis Einwohner verloren, am meisten die Gemeinde Eberstadt mit 1,2 Prozent. Jagsthausen hatte mit 7,6 Prozent den höchsten Zuwachs an Einwohnern.
Faktoren: Umzüge, Geburten und Todesfälle
Für Entwicklung der Gesamtbevölkerungszahl gibt es mehrere Gründe: Neben Zu- und Fortzügen zählen dazu auch Geburten, Sterbefälle oder etwa die administrative Zuteilung von Flüchtlingen.
In Jagsthausen zum Beispiel war der Einwohnerzuwachs unter anderem so hoch, weil viele Menschen in den letzten Jahren zugezogen sind und gleichzeitig die Geburtenrate im Vergleich zur Sterberate höher war.
Die Unterscheidung zwischen Zuwanderung und anderen, natürlichen Faktoren ist für Gemeinden wichtig, um die Gründe für die Bevölkerungsentwicklung zu kennen. So ist es spannend, zu sehen, dass zum Beispiel Neckarsulm einen Zuwachs an Einwohnern nach Geburten zu verzeichnen hatte (+37), auf der anderen Seite aber mehr Einwohner abgewandert sind (-151), weshalb die Gesamtbürgerzahl in Neckarsulm in den letzten zweieinhalb Jahren um 114 gesunken ist.
Etwa 1000 Menschen sind in den letzten beiden Jahren in den Landkreis abgewandert
Blendet man die Geburten- und Todeszahlen aus und konzentriert sich nur auf Zu- und Abwanderung zwischen dem Stadtkreis Heilbronn und dem Landkreis, wird deutlich, dass in den letzten zweieinhalb Jahren mehr Menschen aus dem Stadtkreis in den Landkreis gezogen sind als umgekehrt. Seit Anfang 2018 hat Heilbronn etwas mehr als 1000 Einwohner an den Landkreis verloren.
Am meisten Menschen wanderten nach Bad Rappenau ab, insgesamt konnte die Große Kreisstadt einen Saldo an 188 Zuzügen aus Heilbronn verzeichnen. Unter den Gewinnern der Fortzüge aus dem Stadtkreis sind auch Obersulm, Flein und Leingarten, ebenfalls mit mehr als 100 Zugezogenen aus Heilbronn in den letzten zweieinhalb Jahren.
Generell hatte Heilbronn Wanderungsverluste gegenüber 30 Kommunen, nur aus 14 Gemeinden sind mehr Menschen in den Stadtkreis gezogen als umgekehrt. Gegenüber Siegelsbach und Widdern war die Bevölkerungswanderung jeweils ausgeglichen.
Wohnungsknappheit und hohe Miet- und Kaufpreise als Gründe
Das Statistische Landesamt verbindet diese Entwicklung mit der Wohnungsknappheit in den Stadtzentren und mit hohen Miet- und Kaufpreisen von Wohnungen. Der ländliche Raum werde so wieder beliebter, vor allem dünner besiedelte Gebiete. Die Einwohnerzahl in Baden-Württemberg wächst schon seit Jahren nicht mehr so stark.
Die Situation im Hohenlohekreis
Beim Bevölkerungszuwachs liegt Hohenlohe auf der Ranking-Liste mit den anderen baden-württembergischen Landkreisen relativ genau in der Mitte. Insgesamt hat der Hohenlohekreis im ersten Halbjahr 2020 311 Einwohner dazugewonnen. Zum Vergleich: Im Rhein-Neckar-Kreis waren es 333 Einwohner mehr, im Rems-Murr-Kreis 238, im Landkreis Ludwigsburg nur 19. Der Trend geht nach oben: Nach einer Bevölkerungsvorausrechnung könnten im Hohenlohekreis im Jahr 2035 etwa 116.000 Einwohner leben. Alle Zahlen stammen vom Statistischen Landesamt.
Kommentar: Lebensqualität
Städte verdichten sich, Wohnraum wird teurer. Kein Wunder, dass es da so manchen aufs Land zieht. Aber: Ist die sogenannte Stadtflucht wirklich ein Trend? Städte wie Heilbronn wachsen doch trotz kleiner Dellen weiter, die Abwanderung in die Landkreise ist zwar da, aber überschaubar.
Einerseits: Ja, das ist wahr. Besonders junge Menschen bevorzugen nach wie vor die Stadt als Lebensraum. Das Statistische Landesamt schätzt auch, dass die Bevölkerungszahl in Heilbronn in den nächsten Jahren weiter steigen wird, wenn auch weniger stark als in den Vorjahren. Andererseits: Wie lange sich die Entwicklung noch so gemächlich vollzieht, hängt maßgeblich von der Lebensqualität in den Städten ab. Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt werden sich nicht einfach in Luft auflösen, sondern sich aller Voraussicht nach eher verschärfen. Gleichzeitig werden die großen Ballungszentren immer voller. Selbst für Menschen, die keine schlechten Jobs haben, wird das Leben in der Stadt so immer mehr zur Belastung, besonders finanziell. Und damit, das bestätigen die Zahlen des Statistischen Landesamtes, wird der ländliche Raum wieder attraktiver.
Eine gute Nachricht für die Landkreise in Baden-Württemberg. Für die Stadt Heilbronn eher eine Handlungsaufforderung, selbst wenn die negativen Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2020 nur eine Momentaufnahme darstellen. Das heißt konkret: Es gilt Grün- und Freiflächen zum Durchatmen einzuplanen, Kultur- und Gastronomieangebote auszuweiten, mehr bezahlbaren Wohnraum und eine familienfreundliche Atmosphäre zu schaffen. Dann kann auch beides wachsen: Die Einwohnerzahl und die Lebensqualität.