Heilbronner Kreistag legt Augenmerk auf Klimaschutz und Berufsschulen
Der Heilbronner Kreistag hat am Montag einen historischen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verabschiedet. Erstmals in seiner Geschichte schreibt der Landkreis rote Zahlen. Das Defizit im laufenden Betrieb beträgt demnach voraussichtlich knapp vier Millionen Euro. Ursache hierfür sei die Corona-Pandemie.

Laut Landrat Detlef Piepenburg und Kreiskämmerer Thomas Schuhmacher kostet die Corona-Pandemie den Kreis einen zweistelligen Millionenbetrag. Darüber hinaus ist 2021 eine Neuverschuldung von 28 Millionen Euro geplant. Bis 2024 könnte der Schuldenstand des Landkreises auf rund 113 Millionen Euro ansteigen. In ihrer Debatte über den Etatentwurf waren sich die Sprecher quer durch die Fraktionen und Gruppen aber einig, dass die Zahlen für das kommende Haushaltsjahr als "positiv", "ordentlich" oder "finanztechnisch solide" zu bewerten seien.
Mehrere Anträge scheitern
Ein zentrales Thema der Redner war neben der Corona-Pandemie der Klimawandel. Der Antrag der ÖDP, ein 1000 x 1000-Dächer-Solarförderprogramm aufzulegen, scheiterte aber. Auch die Grünen fanden keine Mehrheit für ihren Antrag, alle Beschlüsse, die künftig im Landkreis Heilbronn gefasst werden, dem Erreichen des Klimaziels zu unterwerfen. Mit ihrem gemeinsamen Antrag, die personelle Ausstattung regionaler Energieagenturen im Land sowie "Fördermittel für personelle Ressourcen im Zusammenhang mit dem Themenschwerpunkt Energie und Klima zusammenzustellen", setzten sich SPD, Grüne, Freie Wähler, FDP und Linke mehrheitlich durch. Die Einstellung eines Wohnraumbeauftragten stieß im Ratsrund auf wenig Gegenliebe. Der Antrag der Linken wurde abgelehnt.
Die Kreisberufsschule in Böckingen ist das Großprojekt der kommenden Jahre. Kreiskämmerer Thomas Schuhmacher kalkuliert hier mit rund 150 Millionen Euro. Ob es am Ende auf eine Sanierung des bestehenden Schulkomplexes hinausläuft oder ein Neubau erstellt wird, ist derzeit zwar noch nicht entschieden. Die Sprecher der beiden größten Fraktionen, Nico Morast (CDU) und Ralf Steinbrenner (Freie Wähler) sprachen sich aber für einen Neubau aus. Der Antrag der Linken, den Neubau im Heilbronner Neckarbogen anzusiedeln, fand im Kreistag ebenso wenig eine Mehrheit wie ihr Antrag auf kostenfreie Parkplätze und Shuttledienste für das Pflegepersonal in den Krankenhäusern.
Neubau für Berufsschulzentrum
Vor großen Herausforderungen sieht der CDU-Fraktionsvorsitzende Nico Morast den Landkreis Heilbronn mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Trotzdem könne man 2021 positiv entgegenblicken, "weil wir in der Vergangenheit solide gewirtschaftet haben und sehr robust in die Krise gehen". Neben Mobilitätskonzepten und Straßenbauprojekten "setzen wir alles daran, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern".
Der Massenbachhausener Bürgermeister sprach sich zudem für einen Neubau für das Berufsschulzentrum Heilbronn-Böckingen aus. Die Investitionen in die SLK-Kliniken hätten sich in der Corona-Pandemie bewährt.
Beschleuniger der Megathemen
Als "Beschleuniger der Megathemen" bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Ralf Steinbrenner, die Corona-Pandemie. Unter anderem habe sie "einen bisher kaum vorstellbaren digitalen Schub ausgelöst". Mit Blick auf den Klimaschutz sprach sich der Leingartener Bürgermeister für einen Ausbau des Schienennetzes aus. "Schiene muss Chefsache bleiben", so Steinbrenner. Er begrüßte zudem die Bestrebungen, Wasserstoffmodellregion zu werden.
Für Steinbrenner bedarf der Abfallwirtschaftsbetrieb einer Neujustierung. Seine Fraktion unterstütze auch einen Neubau der Kreisberufsschule in Böckingen, sagte er.
Ordentlicher Haushalt trotz roter Zahlen
Als einen "ordentlichen Haushalt" beschrieb der SPD-Fraktionsvorsitzende Bernd Bordon den Etatentwurf des Landkreises, auch wenn er ein Defizit von rund 3,6 Millionen Euro im laufenden Betrieb erwirtschafte. Akuten Handlungsbedarf sieht der Untereisesheimer Bürgermeister beim Kreisberufsschulzentrum in Böckingen. Bordon forderte einen Zeitplan, wann "das Vorhaben vorangeht".
Die Investitionen in die SLK-Kliniken seien "gut angelegtes Geld". Bordon wünscht sich zudem mehr Respekt und Anerkennung der Beschäftigten dort. Handlungsbedarf sehe die SPD in der Bekämpfung der landkreisweit zu beobachtenden wilden Müllablagerung.
Klimawandel ist größtes Problem
Zwar ist für Brigitte Wolf, Fraktionsvorsitzende der Grünen, der Klimawandel das größte Problem. Die Pandemie habe die Gesellschaft aber mit Macht überrollt. Sie sprach sich deshalb für eine bessere Bezahlung und mehr Anerkennung des Pflegepersonals aus. Sorge bereite zudem die Situation der Kinder und Jugendlichen. Die Zahlen des Kreishaushaltes bezeichnete Brigitte Wolf trotz Corona als positiv.
Die Renovierung oder der Neubau des Berufsschulzentrums müsse zeitnah umgesetzt werden. Ferner müsse der Landkreis die ländliche Region beim Ausbau von schnellem Internet unterstützen. Bei der Abfallwirtschaft setzen die Grünen auf eine bessere Wertstoffgewinnung.
Kreisstraßen dringend in Ordnung bringen
Als "unausweichliches Desaster" bezeichnete der AfD-Fraktionschef Jürgen Koegel die zu erwartende finanzielle Situation in den kommenden Jahren. Kritik übte er zudem an einer ideologisch geführten Diskussion um den Klimawandel. Koegel forderte hier einen "einen offenen Diskurs aller Wissenschaftler".
Dringenden Handlungsbedarf sieht er bei der Sanierung der Kreisstraßen. In dem Zusammenhang müsse auch über eine Erhöhung der Kreisumlage gesprochen werden. Die geplante Nettoverschuldung von 22 Millionen Euro bezeichnete Koegel als "vertretbar". Koegel verwies aber gleichzeitig kritisch auf den geplanten Schuldenanstieg von 113 Millionen Euro bis 2024.
Pandemie führt Defizite schmerzhaft vor Augen
Für den Fraktionschef der FDP, Dr. Michael Mühlschlegel habe die Pandemie "schmerzhaft vor Augen geführt, welche Defizite es in diesem Land gibt". Exemplarisch nannte er die digitale Infrastruktur, das Krankenhaussystem und den öffentlichen Gesundheitsdienst.
Handlungsbedarf sieht der Lauffener beim Berufsschulzentrum in Böckingen. "Unserer Fraktion geht es angesichts der Bausubstanz des Schulzentrums (...) alles etwas zu behäbig." Außerdem bliebe abzuwarten, ob die Folgen des Lockdowns mit Schließungen von Schulen und Kindergärten auf nicht wenige Kinder und Jugendliche negative Folgen hat. Den Klimawandel bezeichnete er als "zweite Pandemie, die unsere Welt bedroht".
Solaratlas für den Landkreis
Klaus Ries-Müller machte "frappierende Parallelen" zwischen der Corona-Pandemie und dem Klimawandel aus: zum Wesen beider gehöre die zeitliche Verzögerung. Ries-Müller sprach sich für Investitionen in regionale regenerative Energien aus. So bliebe das Geld in der Region und fließe "nicht zu den Ölscheichs in Saudi-Arabien, die damit den weltweiten Terror finanzieren".
Ries-Müller sprach sich für ein Solar-Förderprogramm aus. Zudem sei ein Solaratlas für den Landkreis Heilbronn wünschenswert. Der ÖPNV müsse im Busverkehr auf Elektromotoren und Brennstoffzellen setzen. "Das Kreisberufsschulzentrum sollte gleich als Netto-Nullenergie-Gebäude geplant werden."
Kreisbaugesellschaft gründen
Mehr Verantwortung für die Stützen der Gesellschaft aus allen Berufsgruppen forderte der Sprecher der Linken, Florian Vollert. Er sprach sich unter anderem für kostenloses Parken für Klinikbeschäftigte aus. Auch aus Klimaschutzgründen müsse der ÖPNV durch bessere Taktung und günstigere Tarife attraktiver gemacht werden.
Bei der Bildung bescheinigte der Linke den landespolitischen Akteuren Versagen. Der Lehrermangel an den Grundschulen sei ein Skandal. "Wir sollten als Landkreis deshalb mit Hochdruck an die Kreisberufsschule in Böckingen rangehen." Vollert begrüßte das Wohnungsprogramm des Landkreises und hielt an der Idee einer eigenen Kreisbaugesellschaft fest.

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