Heilbronner Friseur ärgert sich über illegale Methoden
Vor allem in der Stadt gibt es viele Barbershops. Einige Betriebe sollen nicht über den erforderlichen Meister verfügen. Der Handwerkskammer sind die Vorwürfe bekannt.

Ein Herrenfriseur aus Heilbronn erhebt schwere Vorwürfe gegen einen Teil der Barbershops, in denen auch Haare geschnitten werden. Seinen Angaben zufolge stehen dort in den wenigsten Fällen Betriebsleiter oder gar Meister am Frisierstuhl.
Stattdessen, so der Informant, der seinen Namen zum Schutz seines Geschäfts nicht in der Zeitung lesen möchte, werde ein Friseur-Meister oder eine -Meisterin zum Schein angestellt. "Das sind zum Teil Meisterinnen, die derzeit nicht arbeiten und daheim sind, oder Meister, die gar nicht in Deutschland leben."
Sozialabgaben sparen
Der Mann erklärt die Masche so: Wer einen Barbershop eröffnen möchte, gibt zum Schein einen Meister an, der den Betrieb leitet. Dieser erhält für 120 bis 160 Stunden, die er scheinbar im Monat arbeitet, etwa 2500 Euro brutto - allerdings nur auf dem Papier. Tatsächlich werden nur die Sozialabgaben abgeführt. Der Meister erhalte bis zu 1000 Euro schwarz. Hinzu komme, dass er, entgegen der Präsenzpflicht, keine Sekunde im Friseurladen anwesend sei. Stattdessen würden junge Männer, meist aus dem Nahen Osten, am Frisierstuhl stehen und Haare schneiden. "Das sind oft nicht ausgebildete Friseure", sagt er.
Der Friseurladen gebe die Lohnabrechnungen nach drei Monaten an die Handwerkskammer weiter. Spätestens dann erhält der Betrieb eine sogenannte Handwerkskarte. "Dann stellt der Betreiber das Anstellungsverhältnis des abwesenden Meisters auf das einer Aushilfe um und bezahlt dafür nur noch Sozialabgaben. Der Meister erhält bis zu 700 Euro schwarz", erklärt er das Prinzip. Der Barbershop spart dadurch den Meisterlohn und in der Folge auch Sozialabgaben. Der Heilbronner Friseur geht von einem Betrag von bis zu 1500 Euro pro Monat aus, die der Betrieb spart.
Das Problem, dass ein Meister oder Betriebsleiter nur zum Schein angestellt ist, ist bei der Handwerkskammer Heilbronn (HWK) bekannt. Alleine, es fehle an Beweisen. "Wenn wir Hinweise darauf erhalten und versuchen, das nachzuprüfen, heißt es mal, der Betriebsleiter sei im Urlaub oder krank oder gerade nicht da", sagt Martin Weiß (55), Referatsleiter für Handwerks- und Gewerberecht.
Der größte Teil entfalle auf Friseure
"Es fällt schwer zu beweisen, dass hier etwas Illegales stattfindet", sagt Weiß. Der Jurist wünscht sich eine gesetzliche Formulierung, die es der HWK vereinfache. Von den Hinweisen, die bei der Kammer täglich zum Thema illegale Beschäftigung eingehen, betreffe der größte Teil Friseure.
Routinekontrollen führt die HWK keine durch, erklärt Weiß. "Das können wir nicht leisten." Zudem verfüge die Kammer nicht über die rechtliche Grundlage und die Kompetenz, Strafen auszusprechen.
Nach Weiß’ Auffassung ist die Strafe für eine Scheineinstellung von Meistern zu gering. Ist dieser zum wiederholten Male nicht anwesend, handle es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Weiß betont, dass der Großteil der Barbershops im Bereich der HWK Heilbronn ordnungsgemäß arbeitet.
Für Ordnungswidrigkeiten in Heilbronn ist das Ordnungsamt zuständig. Eine Anfrage an die Pressestelle der Stadt Heilbronn konnte gestern nicht beantwortet werden.
Nachweis ist schwer
Barbershops seien bei seinen Kollegen immer wieder im Gespräch, sagt Jens Schmitt, Obermeister der Friseur-Innung Heilbronn-Öhringen. Auch über Scheineinstellungen von Betriebsleitern sei der 38-Jährige von anderen Friseuren informiert worden. "Der Nachweis ist das Thema." Schmitt geht davon aus, dass sich Friseure künftig immer mehr spezialisieren müssen. "Wenn ich in Heilbronn wäre und neben mir würde ein Barbershop eröffnen, müsste ich mit Herrenhaarschnitt nicht anfangen."
Kontrollen
Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart haben im September 2019 gemeinsam mit Beschäftigten des Zolls, der Handwerkskammer und der Gewerbebehörde zehn Barbershops kontrolliert und dabei eine Vielzahl von Verstößen, insbesondere Schwarzarbeit im zulassungspflichtigen Handwerk (Meisterpflicht) festgestellt. Das teilte die Polizei mit. Lediglich drei Geschäfte seien bei Handwerkskammer und Gewerbebehörde offiziell als Friseurgeschäfte angemeldet gewesen.
Das Hauptzollamt Heilbronn (HZA) kontrolliert illegale Beschäftigung, wenn Hinweise eingehen. Es prüfe aber auch verdachtsunabhängig, erklärt ein Sprecher. Man bekämpfe alle Formen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung mittels eines Mixes aus Prävention und erhöhtem Verfolgungsdruck. Die konkrete Frage, ob entsprechende Hinweise auf die eines Heilbronner Friseurs genannte Masche vorliegen, konnte das Hauptzollamt nicht beantworten.
Kommentar: Verdacht prüfen
Die Schilderungen eines Heilbronner Friseurs lassen aufhorchen. Spielen einige der vielen Barber ein falsches Spiel? Mit Pauschalurteilen sollte man sich zurückhalten. Gegen den Großteil der hier arbeitenden Friseure liegt nach Angaben der Handwerkskammer Heilbronn nichts vor. Alle Barbiere und Friseure über einen Kamm zu scheren, ist unangemessen. Um die Ehrlichen vor den Betrügern zu schützen, sind intensive Kontrollen unabdingbar. Schon allein aus Wettbewerbsgründen. Die Frage, wer was kontrollieren darf, scheint unklar zu sein. Das ist der Haken. Der Handwerkskammer fehlt die juristische Berechtigung. Zudem sei es schwer, die Abwesenheit des Betriebsleiters nachzuweisen.
Freilich, die Friseurbranche ist nur eine der betrugsanfälligen Bereiche. Das darf aber nicht als Entschuldigung herhalten. Kontrollbehörden machen es den schwarzen Schafen zu einfach. Sie täuschen Kollegen, Kunden und betrügen den Staat. Alteingesessene Friseure sind mit der Regelung zurecht unzufrieden. Eine Meister-Scheineinstellung darf nicht als Bagatelle abgetan werden. Es muss klar sein, wer kontrolliert. Und der muss handeln.