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GEW-Chefin: Abschlussklassen Ende April starten lassen

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Die Südwest-Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, fordert, dass die Abschlussklassen an den Schulen spätestens Ende April den Unterricht wieder aufnehmen. Auch die Absage der Prüfungen kann sie sich im Notfall vorstellen.

von Michael Schwarz
 Foto: Sebastian Gollnow

Am nächsten Mittwoch beraten Bund und Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Doro Moritz, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sieht große Probleme auf Schulen und Kitas zukommen, sobald diese wieder geöffnet werden.

Wann müssen Schulen wieder in den Normalbetrieb kommen?

Doro Moritz: Es ist nicht mehr möglich, den Bildungsplan für das laufende Schuljahr einzuhalten. Die Frage des Beginns muss jetzt auf der Basis von medizinischen Kriterien entschieden werden. Da eine Woche Vorlauf nötig ist, werden alle, die hoffen, dass am 20. April die Schule wieder los geht, enttäuscht werden. Niemand weiß, welche Lehrer da sein können und welche zu den Risikogruppen zählen.

 

Wie könnte ein Verfahren aussehen?

Moritz: Der Gesundheitsschutz steht über allem. Ich bin der Meinung, dass der Einstieg mit den Prüfungsklassen an allen Schularten ein sinnvoller Weg ist. Demnach würden Schüler, die in diesem Schuljahr ihren Abschluss machen, zuerst in die Schulen gehen. Doch selbst da wird man zunächst in kleineren Gruppen getrennt unterrichten müssen, zum Beispiel mit halben Klassen. Generell sollten ältere Schüler zuerst kommen, weil sie sich eher an das Abstandsgebot und an Hygienevorgaben halten als die Jüngeren.

 

An den Prüfungsterminen ab dem 18. Mai soll in Baden-Württemberg festgehalten werden. Ist das sinnvoll?

Moritz: Eine weitere Verschiebung ist nicht akzeptabel − und daher sollten die Prüfungsklassen spätestens Ende April wieder den Unterricht aufnehmen, damit sie noch drei Wochen Vorbereitung haben, bis sie Prüfungen machen können. Ohne vorherigen Unterricht halte ich die Prüfungen nicht für vertretbar.

 

Was ist noch wichtig?

Moritz: Prüfungen sollten nur dann durchgeführt werden, wenn die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind. So wurden für die Prüfungen in Rheinland-Pfalz bereits genügend Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Diese Bedingungen benötigen wir auch.

 

Wäre es nicht besser, in Zeiten, in denen dem Gesundheitsschutz eine überragende Bedeutung zukommt, Prüfungen ausfallen zu lassen?

Moritz: In der Tat setzt sich immer mehr die Meinung durch, dass sämtliche Abschlussprüfungen ausfallen sollen. Die Abschlüsse könnten dann anhand der bisherigen Leistungen vergeben werden. Das ist ein Verfahren, das ich unterstütze, sollte der Schulbetrieb aus Gründen des Infektionsschutzes noch mehrere Wochen nicht möglich sein.

 

Ist es nicht sinnvoll, den Unterricht in den Pfingst- und Sommerferien nachzuholen?

Moritz: Ich glaube nicht, dass die Einbeziehung der Pfingstferien das Problem bei den Prüfungen lösen würde. Auch die Sommerferien sollten nicht verschoben werden. Wenn wir uns in den Sommerferien wieder freier bewegen können, dann wollen die Menschen schließlich auch in den Urlaub fahren. Der Stoff, der wegen der Corona-Krise nicht unterrichtet werden konnte, muss im nächsten Schuljahr aufgearbeitet werden. Dann wird es sicher mehrere Wochen benötigen, bis man bei den Bildungsplänen wieder auf dem aktuellen Stand ist.

 

Wie müssten die Bedingungen aussehen, sollte der Schulbetrieb bald wieder gestartet werden?

Moritz: Es müssen deutlich bessere hygienische Voraussetzungen als bisher vorhanden sein. Wir kritisieren seit Jahren den Zustand der Schülertoiletten. Zudem hatten wir schon vor der Corona-Krise bei Weitem nicht genug Seife und Einweghandtücher in den Schulen. Weiter sollten die Schulen flächendeckend mit Handdesinfektionsmitteln ausgestattet werden − auch um den Schülern klar zu machen, um was es jetzt geht. Und es muss geklärt werden, wie Schüler zur Schule kommen sollen. Überfüllte Busse und Bahnen sollen ja vermieden werden.

 

Auch Kitas sind zunächst bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Wie schätzen Sie die Lage hier ein?

Moritz: Natürlich ist das Ansteckungsrisiko im Kita-Alter − vor allem auch bei Kleinkindern − größer als bei älteren Schulkindern. Kita-Kinder halten keine Abstände ein, spielen eng mit anderen und nehmen viel in den Mund. Da darf man sich keine Illusionen machen. Hier ist denkbar, dass man zunächst einsteigt mit kleinen Gruppen und die Betreuung zeitlich an Vor- und Nachmittagen trennt. Beim Gruppenwechsel müsste durch das Reinigungspersonal desinfiziert werden. Geklärt werden muss zudem auch, wie viel Personal bei der Wiedereröffnung wegen Zugehörigkeit zu Risikogruppen fehlt. Ich gehe davon aus, dass die Kitas noch später den Normalbetrieb wieder aufnehmen als die Schulen. Hier wird auf Sicht gefahren werden müssen.

Zur Person

Doro Moritz, Jahrgang 1955, ist seit April 2008 Vorsitzende der GEW in Baden-Württemberg. Zuvor war sie bereits acht Jahre stellvertretende Landeschefin. Innerhalb der Gewerkschaft hatte sie in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Positionen inne. Moritz ist seit 2013 auch Mitglied des SWR-Rundfunkrats und seit 2015 Vorsitzende des Landesprogrammausschusses. Moritz hat zwei Töchter und wohnt in Heimsheim bei Pforzheim. In ihrer Freizeit treibt sie gerne Sport − vor allem Tennis und Nordic Walking. mis

 
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