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Gebremstes Interesse an einer Pilotregion für grünen Wasserstoff

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Umweltfreundliche Produktion des Gases und Entwicklung neuer Fahrzeuge kommen nur zufällig zusammen. Der Zeitpunkt ist günstig.

Von Christian Gleichauf und Manfred Stockburger

So könnte es zusammenpassen: In Lampoldshausen wird ab Herbst grüner Wasserstoff produziert. In Neckarsulm werden Wasserstoff-Fahrzeuge entwickelt. Zur Buga fahren die Wasserstoff-Busse. Der Raum Heilbronn als Keimzelle einer Wasserstoff-Region. Doch aus der Vorzeigeregion für die neue Technik wird wohl nichts. Parallel tut sich manches.

Auf dem DLR-Gelände bei Lampoldshausen wird der Wasserstoff produziert und dann auch gleich weiterverwendet. Eine durchschnittliche Jahresproduktion von 20 bis 40 Tonnen entspricht ungefähr dem, was auf dem Raketentestgelände bisher schon an gasförmigem Wasserstoff verwendet wird. Bis zu 60 Tonnen könnten produziert werden – doch dafür fehlen die Abnehmer.

Hoffen auf den Zug

Wenn es die gäbe, könnte sich auch ein größerer Elektrolyseur lohnen, dann wären bis zu 300 Tonnen Wasserstoff im Jahr möglich, sagt Claus Flore vom Heilbronner Energieversorger Zeag, der das Projekt im Harthäuser Wald gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) realisiert. Die Verantwortlichen bei Zeag und DLR hoffen deshalb auf neue Anwendungsgebiete – etwa mit den Wasserstoff-Zügen, wie sie in der Ortenau zum Einsatz kommen sollen. Diese bräuchten mindestens eine Tonne Wasserstoff – täglich. „Damit würde eine Wasserstoff-Wirtschaft ins Rollen kommen“, sagt Flore.

Mehr zum Thema: Audi lässt sich bei der Brennstoffzelle möglichst wenig in die Karten schauen. Die Kleinserie soll ab 2020 kommen (Premium)

 

Und mit Audi?

Das Neckarsulmer Forschungszentrum, in dem Audi für den VW-Konzern umweltfreundliche Brennstoffzellenfahrzeuge entwickelt, wäre ein anderer interessanter Abnehmer für das grüne Gas. Zusammengekommen sind die Partner aber noch nicht. Audi bestätigt auf Stimme-Anfrage lediglich Gespräche. Erst nach 2020 will Audi eine Kleinserie mit Brennstoffzellentechnik auf den Markt bringen. Geht dem Thema Wasserstoff die Zeit aus? Buga-Geschäftsführer Hanspeter Faas erinnert sich gut an Gespräche zu dem Thema vor zwei, drei Jahren, als man sich über die Energieversorgung des neuen Heilbronner Stadtteils Neckarbogen Gedanken gemacht hat. „Damals war es noch zu früh.“ Vor allem Sicherheitsbedenken seien ausschlaggebend gewesen, als man die Ideen ad acta legte. „Heute würde man vielleicht eine andere Entscheidung treffen.“

Allerdings hofft Faas, dass es noch nicht zu spät ist, etwa einen Shuttle-Service mit Wasserstoff-Bussen anbieten zu können. Es gehe hier schließlich um den „guten Wasserstoff“, um regenerative Energie. „Noch ist keine Tür zu, aber konkrete Pläne gibt es auch noch nicht.“ Die Stadt Heilbronn beobachte die Situation, wie Sprecher Christian Britzke auf Anfrage erklärt. Allerdings sei derzeit nichts geplant. „Wir haben mit der E-Mobilität und dem autonomen Fahren bereits wichtige Projekte angestoßen, die uns beschäftigen.“

Noch fehlt die Tankstelle

Eine öffentliche Wasserstofftankstelle, wie sie Anfang März im Umfeld der Ingolstadter Audi-Zentrale eingeweiht wird, ist in Neckarsulm oder Heilbronn nicht in Sicht. Sie wäre die Voraussetzung dafür, dass bei der Buga ein Einsatz von Wasserstoff-Bussen möglich wäre. Mehr als eine Million Euro würde der Bau einer Tankstelle kosten. Bei Audi verweist man auf Sinsheim und die im Werk vorhandene Privattankstelle. 

 


 

 Foto: Mugler, Dennis

Kommentar: Nachläufer

Audi darf für sein Wasserstoff-Kompetenzzentrum bald einen wirklich umweltfreundlichen Treibstoff beziehen: grünen Wasserstoff aus dem Harthäuser Wald. So ein regionales Produkt ist gut zu verkaufen auf einer Buga, die von Zukunftstechniken lebt. 

Was für ein Glücksfall, könnte man meinen. Jetzt noch ein kleiner Impuls, dann könnte einer der ersten grünen Wasserstoff-Cluster der Republik entstehen. Eine Region, in der sich Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammenfinden und vom gemeinsamen Know-how-Zuwachs profitieren. Doch den Impuls gibt keiner.

Zufälle helfen bei der Entstehung eines Netzwerks. Ab einem gewissen Punkt aber müssen die Akteure entscheiden, ob sie die Chance ergreifen wollen oder lieber darauf warten, bis die anderen marschieren. Zurückhaltend ist derzeit nicht nur Audi, das nur notgedrungen auf die Brennstoffzelle setzt. Auch die Politik auf allen Ebenen wartet vor allem ab. Die Landesregierung hat das Lampoldshausener Wasserstoff-Projekt nur halbherzig unterstützt, Landkreis oder Stadt Heilbronn ducken sich weg, trotz Buga. Die Rahmenbedingungen sind ja auch nicht optimal, könnte man argumentieren. Allerdings: Wenn die Voraussetzungen perfekt wären, hätten andere Regionen längst die Nase vorn. Jetzt wäre man Vorreiter, nicht Nachläufer. Das ändert sich bald.

Ihre Meinung? christian.gleichauf@stimme.de

 

 

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