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Ein Lokal in Corona-Zeiten eröffnen - eine gute Idee?

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Nicht jeder darf rein und spätestens um 22.30 Uhr muss jeder Gast draußen sein: Es gab schon bessere Zeiten, um in die Gastronomie einzusteigen. Warum es manche trotzdem wagen und der aktuellen Lage sogar etwas Positives abgewinnen können.

Sebastian (links) und Marcel Renner stoßen noch ohne Gäste an. Die beiden eröffnen ihr erstes eigenes Lokal am 1. März. Foto: Andreas Veigel
Sebastian (links) und Marcel Renner stoßen noch ohne Gäste an. Die beiden eröffnen ihr erstes eigenes Lokal am 1. März. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Eigentlich hatten Marcel und Sebastian Renner etwas anderes vor. Ein Café an der Ostsee eröffnen – das war der Plan. Nicht sofort, aber vielleicht so in einem Jahr. Diesen Plan haben die beiden aufgegeben. Sie sind die neuen Pächter der Klostergartenlaube in Lauffen. Am 1. März geht’s los. In Corona-Zeiten ein Lokal eröffnen – ist das eine gute Idee? Oder eher eine gewagte Wette, die man wegen Zutrittsregeln, Sperrzeiten und Co. nur verlieren kann?

"Bedenken gibt es schon, klar. Man hofft, dass nicht noch strengere Regeln kommen", sagt Marcel Renner, als gelernter Koch fürs Speisenangebot zuständig. Das Lokal gehört zum Lauffener Siedler- und Kleingartenverein, der Biergarten ist bei Radlern und Familien beliebt. Der Auftakt im März dürfte sich "aber hauptsächlich in der Innengastronomie abspielen", sagt Serviceverantwortlicher Sebastian Renner.

Die Vorbereitungen sind nicht anders 

Das Paar steckt mitten in den Vorbereitungen: Mit Vorschriften auseinandersetzen, mit Lieferanten sprechen, einen Steuerberater fürs Finanzielle engagieren – das ist nicht anders als zu Vor-Corona-Zeiten. "Wenn etwas schiefläuft, hat man noch jahrelang daran zu knabbern", sagt Sebastian Renner. "Man steckt viel rein, spielt mit der Existenz – egal ob in Corona-Zeiten oder nicht", ergänzt Marcel Renner.

Vielleicht ist es da gar nicht verkehrt, wenn "zum Reinkommen" zunächst kein volles Haus erlaubt ist. Und einen positiven Aspekt, gerade jetzt zu eröffnen, sieht der 31-Jährige auch. "Die Leute finden es sicher mutig, so etwas zu machen in dieser Zeit und sind froh, wenn mal etwas Neues kommt."

Mit dem Sprung in die Gastronomie nicht länger warten wollen

Mehmet Fidan ist einen Schritt weiter. Kürzlich feierte er im "No8 - Altes Schlachthaus", so ziemlich die größte gastronomische Fläche in Schwäbisch Hall, Eröffnung. Der Sprung in die Gastronomie zu einer anderen Zeit wäre "natürlich viel einfacher gewesen", räumt er ein. "Aber ich bin beruflich in einer Situation gewesen, in der ich sagte, ich möchte einen Schnitt, nicht irgendwann, sondern jetzt." Seine Zielgruppe sind die 30- bis 55-Jährigen, die "sich hier entspannen, geile Rockmusik hören und leckere Burger essen können".

Mehmet Fidan hat den Sprung in die Gastronomie gewagt und hat Anfang Januar das Lokal "No8 - Altes Schlachthaus" eröffnet. Foto: privat
Mehmet Fidan hat den Sprung in die Gastronomie gewagt und hat Anfang Januar das Lokal "No8 - Altes Schlachthaus" eröffnet. Foto: privat

Fidan bemängelt, dass das Gastgewerbe mit am meisten unter den Corona-Beschränkungen zu leiden hat – dabei habe es eine wichtige Funktion. "Die Leute haben die Schnauze voll von der aktuellen Situation. Sie wollen sich umarmen, das Zwischenmenschliche fehlt ihnen." Er plädiert dafür, den Menschen mehr zuzutrauen. "Prinzipiell sind die Leute selbst clever genug. Hier ein bisschen Abstand, da ein bisschen Maske, desinfizieren – die meisten Gäste sagen doch von sich aus, ich gehe kein Risiko ein und achte darauf."

Umso mehr stören den 48-Jährigen manche Regelungen, etwa dass in Baden-Württemberg aktuell um 22.30 Uhr in der Gastronomie Schluss sein muss. "Da geht der Spaßfaktor doch erst so richtig los." Das Argument, dass die Gäste zu später Stunde Hemmungen verlieren, sieht er nicht. "Was, wenn die Leute früher am Abend starten und somit früher in diese Phase kommen? Für mich ist das nicht plausibel."

Sollte es in Kürze nochmals zum Gastro-Lockdown kommen, wäre das für ihn ein "K.-o.-Kriterium". Denn: "Für Gastrobetriebe, die schon länger Bestand haben, gibt es Gelder vom Staat." Als Neugründung kann Fidan keine Umsatzverluste nachweisen, "das wäre für mich also das Ende". 

Wenn man fast nur noch Kosten hat

Einen entgegengesetzten Weg geht Monika Schweitzer. Sie hat ihr Café Römersee in Bad Rappenau-Zimmerhof geschlossen –  vorübergehend. "Seit die 2G-Regelung und später die zusätzliche Testpflicht gilt, habe ich einen massiven Umsatzeinbruch und im Grunde nur noch Kosten: Heizung, Strom, Personal."

Über den Jahreswechsel hatte sie noch geöffnet, um Reservierungen nicht absagen zu müssen. Doch auch die seien so eine Sache: "Es wurden häufiger Reservierungen gemacht und letztlich, nachdem ich schon eingekauft hatte, ist nur die Hälfte gekommen." Ein Teil aus Sorge vor Ansteckungen, der andere, weil man keinen Test machen konnte oder wollte. Die Folge: "Ich musste Lebensmittel wegschmeißen – das ist für mich ganz schlimm." 

Im gemütlichen Café Römersee bleiben die Tisch erstmal leer. Foto: Tobias Wieland
Im gemütlichen Café Römersee bleiben die Tisch erstmal leer. Foto: Tobias Wieland  Foto: Tobias Wieland

Monika Schweitzer ist ein Urgestein der Rappenauer Gastroszene. Aktuell ist es "auf jeden Fall" ihre schwierigste Phase. "Die Gäste sind meine Familie und die werden teils aussortiert – das tut weh. Ich bin eigentlich hier, um alle zu bewirten. Für alle Kollegen, die jetzt neu anfangen wollen, drücke ich die Daumen – aus meiner Erfahrung aus 35 Jahren heraus würde ich es in der jetzigen Situation nicht tun."

In der ersten März-Woche möchte sie das Café Römersee wieder aufsperren – in der Hoffnung, dass auch auf der Terrasse "ein bisschen was geht". Aufzugeben, ist keine Option. "Wo ich schon so lange dabei bin, möchte ich noch nicht aufhören. Fünf Jahre würde ich schon noch gerne dranhängen."

Auf die Art der Gastronomie kommt es an 

Ulrich Neef weiß um die schwierigen Zeiten für die Branche. Der Fleiner ist spezialisiert auf Gastro-Immobilien, vermittelt Lokale an Interessenten. Auch zurzeit hat er viel zu tun. "Ein attraktives Angebot findet immer gute Pächter, auch jetzt." Er weist allerdings auf einen Unterschied bei der Art der Gastronomie hin: "Es ist gerade leichter, eine speiseorientierte Gastronomie zu verpachten, Probleme gibt es mit den typischen Bierkneipen. Die leben nur von Getränken, müssen aktuell um 22.30 Uhr zumachen – wo doch die Leute eh nicht mehr so viel trinken. Da haben wir Probleme, Pächter zu finden." 

Damit eine Lokaleröffnung auch in Corona-Zeiten gelingt, sieht er die Eigentümer in der Pflicht. "Ein Verpächter muss auf den Pächter eingehen, wenn die Einschränkungen da sind. Und nicht nur sagen: Es ist dein Risiko." Spielraum gebe es etwa durch den Startzeitpunkt der Pachtzahlungen oder durch Pachtminderungen – entsprechend zur geringeren Bestuhlung, die gerade erlaubt ist. Unterstützung wie diese sei auch im Eigeninteresse der Verpächter: "Das Lokal leer stehen lassen oder ein Pächter, der bald nicht mehr zahlen kann, sind schließlich auch keine gute Optionen." 

Gastronomen rät Neef, sich um ein zweites Standbein zu bemühen. Etwa ins Außer-Haus-Geschäft oder einen Partyservice zu investieren. Auch Firmen oder kommunale Einrichtungen wie Kindergärten könnten beliefert werden. "Ein Gastronom muss sich gerade in diesen Zeiten überlegen, wie er an Geschäft kommt." 

Die Eröffnung als aufregendes Ereignis

Unterdessen feilen Sebastian und Marcel Renner in der Lauffener Klostergartenlaube weiter an ihrem Konzept, eine Ausrichtung auf Familien und regionale Produkte und Lieferanten sind ihnen wichtig. "Am liebsten würde ich morgen schon anfangen", sagt ersterer. "Dann wüsste ich, dass wir fertig vorbereitet wären und alles erledigt hätten." Die Aufregung ist da – Corona-Pandemie hin, Corona-Pandemie her. 

 

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