Für diesen Mann ist kein Brett zu dick
Vom Neckarsulmer OB zum Baumeister des Bildungscampus: Das Arbeitsleben von Erhard Klotz: hätte für zwei gereicht. Im Oktober ist endgültig Schluss, so der Plan.

An sein erstes Treffen mit Erhard Klotz kann sich Rolf Härdtner noch gut erinnern. Als 1967 ein junger Mann, noch keine 30, in die elterliche Backstube kam und sich als Kandidat für das Bürgermeisteramt in Neckarsulm vorstellte. Härdtner, selbst 24 Jahre alt und mit der SPD groß geworden, war beeindruckt von dem Parteigenossen.
"Ich habe mich damals zum ersten Mal politisch betätigt", sagt Rolf Härdtner. Er verteilte Handzettel und machte Wahlkampf für einen Mann, der die Stadt und die gesamte Region prägen sollte wie nur wenige andere vor ihm und nach ihm.
Dickes Paket aus Terminkalendern als Gedankenstütze

Klotz wurde trotz, nicht wegen seiner SPD-Zugehörigkeit Bürgermeister im damals ziemlich "schwarzen" Neckarsulm und blieb 25 Jahre Stadtoberhaupt. Es hätte gereicht, um sich einen Namen zu machen und dann langsam auf den Ruhestand vorzubereiten. Doch Erhard Klotz packte noch einmal oben drauf, was anderen für ein Berufsleben vorneweg gereicht hätte. Vier Jahre Chef des Innenministeriums in Stuttgart, sieben Jahre Hauptgeschäftsführer des Städtetags und 17 Jahre Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung in Heilbronn. Ein dickes Paket an Terminkalendern in seinem Schreibtisch dient bis heute regelmäßig als Gedankenstütze, um sich an die vielen Menschen zu erinnern, die er über die Jahrzehnte getroffen hat.
Vor allem seine letzte Tätigkeit hat ihm noch einmal alles abverlangt. Klotz ist der strategische Baumeister des Bildungscampus, der in Heilbronn in den vergangenen 15 Jahren entstanden und immer weiter gewachsen ist. "Ich habe mir als ehemaliger OB anfangs nicht vorstellen können, dass man die Struktur einer Stadt so verändern kann", sagt Klotz heute selbst darüber. Dass Heilbronn so verändert wurde, lag an den Impulsen und den Millionen des Dieter Schwarz und an den Ideen, dem Durchsetzungsvermögen und den guten Kontakten des Erhard Klotz.
Klotz stammt aus einer Bürgermeisterfamilie
Manches wurde ihm dafür in die Wiege gelegt, manche Weiche im Elternhaus gestellt. Das Bürgermeisteramt schien vorbestimmt. Fünf Generationen von Rathauschefs gab es vor ihm in seiner Familie. Sein Großvater war Stadtschultheiß in Beilstein. Dort wuchs Erhard Klotz in den letzten Kriegsjahren und danach auf. In Stuttgart ging er zur Schule. Mit 14 zog er nach Geislingen an der Steige, wo sein Vater Erich zum Oberbürgermeister gewählt worden war. Der starb 1962. "Dass er es nicht mehr mitbekommen hat, wie ich 1967 Bürgermeister in Neckarsulm wurde, tut mir bis heute leid", sagt Erhard Klotz.
Ende der 50er Jahre stand erst einmal ein Jura-Studium an. Prädikatsexamen ermöglichten die Promotion in Tübingen. Es sind Dinge, die Erhard Klotz als "Glück" bezeichnet. Dass man Fortuna wann immer möglich helfen muss, war für ihn jedoch selbstverständlich: Die guten Verbindungen des Vaters nach Stuttgart brachten die erste Anstellung. Der Stuttgarter OB Arnulf Klett vermittelte eine Stelle als rechte Hand des Ersten Bürgermeisters Jürgen Hahn, der als "harter Hund" galt. Der überzeugte Sozialdemokrat beeindruckte den jungen Erhard Klotz aber und bewegte ihn zum Eintritt in die SPD - kurz vor seiner Kandidatur in Neckarsulm.
Die richtigen Kontakte
Irgendeinen hilfreichen Kontakt gab es auch da immer. Ein Geislinger Unternehmer kannte den Einkaufs-Chef bei NSU, Philipp Wesp. Klotz stattete ihm einen Besuch ab und überzeugte ihn ebenso wie später die Härdtners und andere Persönlichkeiten in Neckarsulm. Das "jungenhafte Lächeln", das Stimme-Redakteur Werner Thunert damals erkannte, spielt bis heute um seine Lippen. Es dürfte ihm vieles erleichtert haben. Doch wenn es zu kämpfen galt, dann wusste Erhard Klotz, wie.
Erfolgreich für den Audi-Standort Neckarsulm gekämpft

Die wichtigste Schlacht stand mit der drohenden Schließung des Audi-Werks bevor. Die Zukunft der Stadt und der gesamten Region stand auf dem Spiel. Klotz suchte den Kontakt zu Gewerkschaftern wie Klaus Zwickel, schrieb einen offenen Brief an die VW-Unternehmensspitze, der am 11. Februar 1975 sogar auf der Titelseite der "Stuttgarter Zeitung" abgedruckt wurde. Der Appell wurde gehört, Unterstützung kam von der Landesregierung und Gewerkschaften. Klotz blättert in seinem Terminkalender von 1975. "Am 4. März gab es dann das entscheidende Treffen in Stuttgart mit Ministerpräsident Filbinger und VW-Chef Schmücker im Neuen Schloss." Es folgte der Marsch auf Heilbronn wenige Tage später. Das Audi-Werk war gerettet.
Eine OB-Wahl mit erstaunlichem Ergebnis

Die Neckarsulmer hatte er daraufhin hinter sich. Mit fabelhaften 98,8 Prozent wurde Klotz, inzwischen OB der Großen Kreisstadt, in seine zweite Amtszeit gewählt. Mit entsprechendem Selbstbewusstsein bewarb er sich 1983 um den OB-Posten in seiner Geburtsstadt Heilbronn - und verlor gegen Manfred Weinmann. 2800 Stimmen machten den entscheidenden Unterschied. "Es hat mich sehr getroffen", gibt er noch heute zu. "Die Heilbronner, auch die Heilbronner Stimme, wollten eben ihren Manfred haben."
Vorbereitet auf fast alles
Also konzentrierte er sich wieder auf Neckarsulm. Der Bau der Veranstaltungshalle Ballei ist ihm dabei fast noch mehr wert als das Aquatoll. "Wir haben geplant, als wir kein Geld hatten. Und als die Steuereinnahmen dann stiegen, konnten wir die Pläne aus der Schublade ziehen." Immer auf alles vorbereitet sein, auch das eine Devise des Erhard Klotz.

Überrascht wurde er, als 1992 der Parteifreund und designierte Innenminister Frieder Birzele anrief, ob Klotz als sein Stellvertreter das Ministerium führen wolle. Er sagte zu. Vom Ministerialdirektor ging es weiter zum Städtetag. All seine Kontakte konnte er dann nutzen, als 1999 Dieter Schwarz an ihn herantrat, um ihn als Geschäftsführer für seine Stiftung zu gewinnen - und für seine Pläne, Heilbronn zu einer echten Hochschulstadt zu machen. Wieder einmal war seine Fähigkeit gefragt, besonders dicke Bretter zu bohren. Der Bildungscampus wurde sein Lebenswerk.
Der 80. Geburtstag
An diesem Samstag, 7. April, wird Erhard Klotz 80 Jahre alt. Gefeiert wird mit vielen Weggefährten und der Familie, den zwei Töchtern Christianne und Ariane und seinen vier Enkeln. Am 23. Oktober soll dann Schluss sein mit dem Berufsleben, wenn er das letzte Amt in der Dieter-Schwarz-Stiftung aufgibt. Was dann? "Mein Mann ist immer für eine Überraschung gut", sagt seine Frau Madeleine, die wie schon häufiger in der Vergangenheit auf mehr gemeinsame Reisen hofft. Dass es nie langweilig wird an der Seite ihres Mannes, hat sie erlebt, seit er sie vor 56 Jahren in Holland am Strand von Scheveningen angesprochen hat. Die Liebe hat bis heute gehalten. Wohl auch, weil sich Madeleine Klotz für die Themen interessierte, die ihren Mann umtrieben. Sie selbst war zehn Jahre im Kreistag.
Auszeichnungen und Stationen:
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1967 Wahl zum Bürgermeister von Neckarsulm
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1975 Wiederwahl als Oberbürgermeister von Neckarsulm
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1985 Ehrenmedaille der Stadt Neckarsulm
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1988 Bundesverdienstkreuz am Bande
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1992 Ministerialdirektor und stellvertretender Innenminister in Stuttgart unter Frieder Birzele (SPD)
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1992 Ehrenbürger der Stadt Neckarsulm
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1996 bis 2003 Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg
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2003 Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zur Würdigung der Verdienste als Stadtoberhaupt, als Amtschef im Innenministerium und als Geschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg
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2006 Verdienstmedaille in Silber des Städtetags Baden-Württemberg
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1999 bis 2016 Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung
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