Fotografen laufen Sturm gegen neues Gesetz
Künftig sollen Passbilder für Ausweise nur noch in Automaten bei den Behörden gemacht werden. So will es das Bundesinnnenministerium. Die Fotostudios in der Region Heilbronn fürchten nun um ihre Existenz.

Geht es nach dem Bundesinnenministerium, werden Passfotos in Zukunft nur noch in den zuständigen Ämtern gemacht. Die 5500 Ausweisbehörden in Deutschland sollen dafür spezielle Automaten anschaffen. Das Ministerium verspricht sich davon, eine Sicherheitslücke zu schließen. Denn mit dem sogenannten "Morphing" ist es möglich, zwei Gesichtsbilder zu einem Foto zu verschmelzen, so dass zwei Personen einen Ausweis benutzen könnten, um zum Beispiel illegal die Grenzen zu passieren.
Bei den Aufnahmen am Automaten soll dann auch immer ein Mitarbeiter der Behörde anwesend sein. Für die Fotografenbranche ist die Gesetzesinitiative ein Anschlag auf ihre Zunft. Die Reaktionen in den Stadtverwaltungen fallen unterschiedlich aus.
Das Passfotogeschäft ist ein Frequenzbringer
"Das Ganze ist nicht praxistauglich", sagt Steffen Kammerlander. "50 bis 60 Prozent der Passfotos, die wir in unserem Eppinger Fotostudio machen, sind Kinder. Da möchte ich mal sehen, wie die auf den Fluren der Ämter fotografiert werden." Es gehe ja auch ein bisschen um das Einfühlungsvermögen, das der erfahrene Fotograf für eine gute Aufnahme haben müsse. Kammerlander schätzt, dass in seinem Studio bis zu 3000 Passfotos pro Jahr gemacht werden, was bis zu 20 Prozent seines Umsatzes sei. "Mit dem neuen Gesetz fällt einer Berufsgruppe ein Standbein weg. Das wird viele Existenzen kosten."
"Das Passfotogeschäft ist für den kleinen Fotohandel ein Frequenzbringer", versichert Elsbeth Junken. Das sei wie die Lottoannahmestelle im Schreibwarenladen, fügt die Geschäftsführerin von Foto Hacker in Neckarsulm an. Sie kann sich auch nicht vorstellen, wie die Ämter "Problemfälle" lösen sollen. Brillenträger, Lichteinfall, Augen auf einer bestimmten Ebene, der Gesichtsausdruck, der von den Bestimmungen vorgeschrieben ist: Das alles sei die fachmännische Arbeit eines ausgebildeten Fotografen.
Schließlich gebe es bis zu 90 Kriterien für ein biometrisch einwandfreies Passfoto. Elsbeth Junken: "Machen Sie alles das mal auf dem Amt. Und was ist mit Behinderten, Dementen?" Für die Geschäftsführerin ist das geplante Gesetz ein Anschlag auf die ganze Zunft.
Es gibt längst technische Alternativen
"Mit diesem Gesetz werden einige Fotografen den Laden zumachen", ist sich Klaus Kuss sicher. Der Geschäftsführer von Foto Kuss in Heilbronn schätzt, dass das Passfotosegment bei ihm 30 bis 40 Prozent des Umsatzes ausmache. Bei Klaus Kuss werden auch viele Babys fotografiert. "Ich möchte mal sehen, wie die Mitarbeiter der Ämter diese Babys vor den Fotoautomaten halten." Zudem gebe es längst die technische Möglichkeit, Fotos direkt per Datenübertragung an die Behörden zu schicken, um Sicherheitslücken zu schließen.
Klaus Kuss erinnert daran, dass seine Branche durch die Digitalisierung und Handykameras ohnehin unter Druck stehe. "Es schließen immer mehr Fotogeschäfte." Heftige Kritik an den Plänen kommt auch vom Centralverband des Fotografenhandwerks, der 45 000 Fotostudios in Deutschland vertritt. In einem Brief an den Innenminister heißt es, man werde der Zerstörung der Existenz der Studios nicht tatenlos zusehen. Den Umsatzverlust schätzt der Verband auf rund 100 Millionen Euro pro Jahr.
Etwas uneinheitlicher fallen die Reaktionen in den Rathäusern aus. Die Heilbronner Stadtverwaltung hat bereits ein Passfoto-Selbstbedienungsterminal, das im Wartebereich des Zentralen Bürgeramts steht. Der Grund für die Automatenaufstellung war laut Rathaussprecherin Suse Bucher-Pinell "ein Schritt in Richtung Digitalisierung der Verwaltung". Dem Bürger solle auch ein Weg erspart werden, falls er ein Passbild vergessen hat. Der Automat ist nicht gekauft, sondern geleast. Die Erfahrungen mit dem Terminal seien positiv. Bürgeramtsmitarbeiter würden bisher die Prozedur nicht überwachen.
Verständnis hat man im Neckarsulmer Rathaus für die Gesetzesinitiative, berichtet Verwaltungssprecher Andreas Bracht. Sie richte sich gegen die Bildmanipulation. Ob das Ganze praktikabel ist, hänge von der technischen Umsetzung ab. Das Stuttgarter Rathaus ist laut Medienberichten skeptisch. Die Verwaltung der Landeshauptstadt sieht vor allem Probleme wegen Personalmangel und Raumnot.
Was kosten die Bilder?
Was kosten die Passfotos? Bei Foto Kammerlander in Eppingen muss der Kunde 14,99 Euro für vier Bilder zahlen. Am Selbstbedienungsterminal des Heilbronner Bürgeramtes sind fünf Euro für ein Bild fällig, die an die Betreiberfirma des Automaten weitergeleitet werden. Die Heilbronner Stadtverwaltung hat das Gerät nur geleast.
Kommentar: Schlag ins Kontor
Gut gedacht, schlecht gemacht. So könnte man die Gesetzesinitiative des Bundesinnenministeriums zusammenfassen. Die Absicht, mit dem neuen Passfotogesetz Fälschern das Handwerk zu legen, ist ja prinzipiell eine prima Idee. Aber muss das Ministerium deswegen gleich die Axt an das ganze Fotografen-Handwerk anlegen? Wenn in Zukunft tatsächlich nur noch Ausweisbilder in speziellen Automaten bei den Passbehörden gemacht werden dürfen, auf denen die Personen auch bestimmt nicht mehr so schön wie beim Profi aussehen, dann ist das ein heftiger Schlag gegen das Fotografengeschäft. Die Zunft kämpft ohnehin durch Digitalisierung und Handykameras um ihre Existenz. Mal ganz davon abgesehen, ist es mehr als fraglich, ob die Rathäuser personell und räumlich überhaupt in der Lage sind, die zusätzliche Aufgabe zu erfüllen.
Dabei wäre es durchaus möglich, zusammen mit den Fotografen bessere technische Voraussetzungen zu schaffen, um Fälschungen vorzubeugen − zum Beispiel mit Geräten, mit denen man die Aufnahmen direkt an die Ämter sendet. Stattdessen stellt der Staat alle Fotografen unter Fälschungs-Generalverdacht und entzieht ihnen einen guten Teil ihrer finanziellen Basis. Wenn man bedenkt, mit welchen Samthandschuhen die Regierung mit der Autoindustrie bei den Abgas-Manipulationen umgegangen ist, nimmt es schon wunder, wie das Ministerium mit den Profi-Fotografen umspringt.