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Nach Aquatoll-Aus – Hätte man das Bad noch retten können?

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Sanierung zu teuer, kaputtgespart, völlig marode? Nach dem Ende des Freizeitbades brodelt die Gerüchteküche weiter. Was die Stadt Neckarsulm zu den Vorwürfen sagt.

Die Aquatoll-Sanierung ist zu teuer

Das sagt die Stadt: Die Kostenschätzung ging von Sanierungskosten von 37,5 Millionen Euro aus. Das Konzept wurde vom Gemeinderat als zu teuer abgelehnt. Kürzlich ging es um neues ein Frei- oder Hallenbad am Standort des Aquatoll, was zwischen zehn und 25 Millionen Euro gekostet hätte. Beide Optionen wurden vom Gemeinderat ebenfalls mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Oberbürgermeister Steffen Hertwig hatte im Vorfeld deutlich gemacht: Er könne sich kein zweites Freibad in Neckarsulm vorstellen. "Dies wäre betriebs- und personalwirtschaftlich, aber auch klimapolitisch, in der heutigen Zeit nicht mehr darstellbar."

Die Kritik: Der DLRGler Heiko Schulz kennt das Aquatoll gut. "Das Sanierungskonzept der Stadt wäre von einem Abriss und Neuaufbau ausgegangen", sagt der Obereisesheimer. Ein von Experten erarbeitetes Konzept zum Erhalt des Bestands geht von maximal 20 Millionen Euro aus, die zudem kostenneutral für die Stadt über einen externen Investor finanziert werden könnten, berichtet Schulz. Die Wassertechnik müsste zum Teil erneuert werden, ist aber "bis aufs Solebecken in Ordnung", sagt der Ingenieur für Bäderbetriebe Jürgen Kannewischer. "Die Technik ist über 30 Jahre alt und muss auf Stand gebracht werden", stellt Reiner Weber von architekten61 aus Heilbronn fest. 

 


Das Aquatoll wurde kaputtgespart

Der Vorwurf: Man habe zu wenig in das 33 Jahre alte Freizeitbad investiert. "Die Werkleiter haben nicht genug gemacht", sagt Dieter Mörlein selbstkritisch. Der erste Werkleiter sagt im Rückblick: "Man hätte jährlich zwei Prozent der Investitionskosten als Betriebsmittel in die Rücklage einstellen müssen." Das wären umgerechnet rund 400.000 Euro im Jahr gewesen. Vor allem in den letzten Jahren sei zu wenig gemacht worden, daher sei die Technik jetzt kaputt.

Das sagt die Stadt: Seit Inbetriebnahme sei im Durchschnitt etwa 500.000 Euro pro Jahr investiert worden. Dabei handle es sich um reine Unterhaltungskosten ohne Personalkosten. Man habe im Jahr 2020 dann 318.000 Euro und 2021 noch 185.000 Euro investiert, so Rathaussprecher Andreas Bracht auf Nachfrage von Stimme.de. "Die Investitionen in die Unterhaltung und Instandhaltung sind im Vergleich zu den Vorjahren nicht repräsentativ." Zum Zeitpunkt 2020/2021 sei die Stadt noch davon ausgegangen, dass das Erlebnisbad perspektivisch saniert wird. "Daher wurden die Investitionen in die Instandhaltung auf das zwingend notwendige Maß sowie sicherheitsrelevante Bereiche beschränkt, um den Badebetrieb bis zur damals noch geplanten Sanierung aufrecht zu erhalten." 

 


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Das Aquatoll wird jetzt abgerissen

Das sagt die Stadt: Der Kompletterhalt des Gebäudebestands auf dem Aquatoll-Gelände sei mit den bisherigen Konzeptideen nicht wirtschaftlich. Zum Erhalt einzelner Gebäudeteile wie dem Sauna- oder Gastrobereich sagte OB Hertwig: "Ungenutzte und nicht verwertbare Bereiche des Gebäudes müsste man dann aber auch entfernen."

Das sagt der Architekt: Ulrich Bechler als "geistiger Vater des Aquatoll" möchte vor allem die markante Glaskuppel erhalten. "Das war damals eine Weltneuheit." Die sphärisch gekrümmten Gläser seien noch stabil, einzelne blind gewordene Scheiben könne man austauschen. Dies habe eine Begutachtung durch eine Fachfirma im Sommer dieses Jahr ergeben. Eine andere Nutzung zum Beispiel für Events würde Bechler nicht ausschließen. "Wenn es möglich ist, das Bad zu erhalten, würden auch Veranstaltungen aller Art gehen." 

 


Der Werkleiter hat bereits gekündigt 

Das Gerücht: Immer wieder ist zu hören, Werkleiter Lars Nielsen habe gekündigt und würde der Stadt bald den Rücken kehren. Dazu ist wichtig zu wissen, dass auch das noch keine zehn Jahre alte 50-Meter-Sportbad unter dem Namen "Aquatoll" firmiert, ein Großteil der Bädertechnik dafür in Betrieb ist, sowie das Ernst-Freyer-Bad in Obereisesheim ebenfalls unter der Regie des Gesamtbetriebs läuft. 

Das sagt die Stadt: Lars Nielsen bleibt noch bis zum 31. Dezember 2024 Werkleiter. Dann endet sein reguläres Arbeitsverhältnis bei der Stadt. Er sei aber trotz Home-Office immer wieder vor Ort. 

Bäder sind eine Pflichtaufgabe der Kommunen

Die Kritik: Kommunen müssen „im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit“ Bäder einrichten, so Ralf Merkle aus Neckarsulm. Ein Bad sei „ein Ort der Begegnung und Kommunikation von hohem sozialem Stellenwert, der Gesundheitsvorsorge und Therapie“, schreibt Gerhard Böhm. 

Das steht auf dem Landesportal für Baden-Württemberg: Ein Bad zu betreiben ist aber eine freiwillige Aufgabe. Hier entscheiden die Kommunen selbst, ob sie tätig werden wollen oder nicht. Allerdings ist der Schwimmunterricht im Lehrplan der Schulen verankert. Der Zugang zu Bädern und Schwimmzeiten ist aber nicht für alle Schulen gleich gut, hat eine Umfrage unserer Zeitung ergeben. In Obereisesheim soll jetzt die Reaktivierung des Lehrschwimmbeckens in der Wilhelm-Maier-Schule geprüft werden.  

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