Experimenta: Technik für Lasershow und Blitzeffekte zieht ein
Baustelle der neuen Experimenta in Heilbronn zeigt schon besondere Dimension der Wissenswelt auf 25.000 Quadratmetern. 275 interaktive Exponate werden installiert, bis Oktober soll alles stehen.

Über den Künstlereingang im Tieffoyer geht es ins Herzstück der neuen Experimenta: Noch ist der Science Dome, die einzigartige Kombination aus Theater und Planetarium mit der 3-D-Kuppel und der drehbaren Zuschauertribüne, wie das ganze Haus eine Baustelle. Bei einem Rundgang durch das neue Gebäude geben die Experimenta-Macher der Stimme schon einmal einige besondere Einblicke in die neuen Welten, die ab März 2019 ihre Türen öffnen.
Als der Blick auf den rund acht Meter hohen Bühnenraum im Science Dome frei wird, wird in luftiger Höhe spezielle Bühnentechnik sichtbar. Ein schwarzer Balken mit Düsen kann einen Wasservorhang erzeugen, der mit Lasereinsatz "außergewöhnliche Reflexionseffekte ergibt", erklärt Experimenta-Sprecherin Bärbel Renner. Nebenan werkeln Arbeiter an der 152 Zuschauer fassenden Besuchertribüne, die von der großen Kuppel überwölbt wird. Virtuell in 3D sollen Gäste hier durch den Weltraum oder den menschlichen Körper reisen oder auch mal über spezielle Spulen ausgelöste Blitzeffekte mit Musik erleben.
Raumspirale führt Besucher durch die Ausstellung
Die Technik ist ausgeklügelt. Wie eine große Stoffbahn sieht die 3D-Kuppel mit dem Durchmesser von 20,5 Meter auf den ersten Blick aus. Es sind jedoch Aluminiumplatten mit kleinen Löchern, 650 Stück, die eine 700 Quadratmeter große Projektionsfläche für die besonderen Bilder ergeben.

Die österreichische Firma Kraftwerk hat sich auf solche Kuppelbauten spezialisiert. Im Technikraum nebenan sind zig Kabelstränge schon verlegt, sogenannte "Racks"-Boxen für Audio und Video aufgebaut, an denen rote, grüne und blaue Lichter blinken. In der Art sei es der größte Raum, den man bisher eingerichtet habe, erzählt ein Firmenmitarbeiter.
Die neue Experimenta wird gigantisch, das kann man jetzt schon sagen. Es soll nicht nur mit 25 000 Quadratmetern Fläche das größte Science Center in Deutschland werden. Besucher sollen nach einem besonderen architektonischen System in einer Raumspirale durch die Themenwelten geführt werden - passend zur Fassade mit verschiedenfarbigen Glasflächen, die das Gebäude charakterisieren. Clou der Architektur sind nicht nur versetzt angeordnete Stockwerke mit wechselndem Farbspiel von Schwarz über Grau nach Weiß. Das Spezialglas der Fassade hat besondere Effekte, so dass man tagsüber von innen in die Landschaft blicken und nachts, wenn innen Licht an ist, von außen reinsehen kann. Die Aussicht über Heilbronn von der Dachterrasse wird ein Highlight: Auf 31,50 Meter Höhe bewegt sich der Besucher dort oben.
Das Tieffoyer mit Raum für Sonderausstellungen, das Erdgeschoss mit Kasse, Shop und Restaurant, vier Ausstellungsstockwerke und die Dachterrasse mit Sternwarte und Experimentaltheater bilden das Gerüst des neuen Hauses. Wer durch die Etagen läuft, sieht noch überall Kabel, rund 170 Kilometer Länge werden alle Stromkabel zusammen ergeben.
Schwebende Studios bergen kreative Angebote
Die Rolltreppen, die vom Tieffoyer in die vierte Etage führen, sind in der Baustellenzeit durch große Planen geschützt. Im ersten Obergeschoss verweist Ausstellungsleiter Christian Sichau auf die Lamellendecke und schwebende Kreativstudios. In jeder Etage gibt es ein komplett verglastes Studio für Medien-, Musik-, Filmproduktion oder Autokonstruktion, die im offenen Kern des Gebäudes zu schweben scheinen. Außenrum verteilen sich Ausstellungswelten zu Themen wie Stoffwechsel, Kopfsache, Weitblick und das Forscherland für kleine Besucher.
Die neue Experimenta wird weitaus mehr als eine vielfältige Wissensschmiede und Tüftelzone für die junge Generation. Man habe als Zielgruppe Menschen "von 4 bis 99", sagt Bärbel Renner. Ziel sei eine erklärende Wissenschaft auch für Erwachsene, um sich "mit Zukunftsfragen zu beschäftigen" und die komplexe Welt "mit allen Sinnen" zu erfahren.
Autocrash in Zeitlupe zu beobachten

275 interaktive Exponate sollen zum Erforschen und Mitmachen einladen. Dazu werden unter anderem Wettersimulation, das Verfolgen eines Autocrashs in Zeitlupe oder ein Gleitschirmerlebnis gehören. Sichtbar sind schon ein paar fensterlose Häuschen, mit Wetterhahn und Discokugel auf dem Dach und Scheinwerfern an der Wand.
Das Thema Licht soll hier veranschaulicht werden, eine Wärmebildkamera zum Einsatz kommen. Ein paar Meter weiter fallen mit Folien umhüllte Platten an der Decke auf, die wie Bildschirme mit bunten Bildern aussehen. Auf einem ist schemenhaft eine Galaxie zu erkennen. "Vom Kosmos bis zum Atom" umschreibt Christian Sichau die Idee dahinter.
In der dritten Etage wird der fantastische Ausblick sichtbar, wo Arbeiter schon mit den kleinen Klötzchen des speziell geschnittenen Hirnholz-Eichenparketts begonnen haben. Hier werden auch Computer aufgebaut, an denen Besucher sich zum Beispiel einen Gang durch die Experimenta-Welten zusammenstellen können. Im Sommer ist die heiße Phase für die Einbauten in den Ausstellungsflächen, bis Oktober "soll alles an seinem Platz stehen", blickt Sichau voraus. Auch die Sternwarte mit den leistungsstarken Teleskopen soll im Sommer im neuen Haus einziehen.
Noch liegt im Innern viel Arbeit vor dem Experimenta-Team und den Baufirmen. Am Ende soll "der spektakuläre Neubau Instrument, Bühne und Skulptur zugleich" sein, verspricht Architekt Prof. Matthias Sauerbruch. Er soll "Freude am Experiment, Wissenslust und Innovation" vermitteln.
Für die Stadt Heilbronn könnte der Start der neuen Experimenta ebenfalls zu einem Aufbruch in eine neue Welt werden.
Chronik
- 14. November 2009: Das Science Center Experimenta wird im alten Ölsaatenspeichergebäude Hagenbucher eröffnet.
- November 2013: Es gibt Pläne für einen Erweiterungsbau. Stadt und Dieter-Schwarz-Stiftung geben das Berliner Büro Sauerbruch & Hutton als Sieger des Architekturwettbewerbs bekannt.
- Der Baustart für die neue Experimenta wird ab Mai 2015 zunächst durch archäologische Grabungen verzögert: Die Experten finden in tiefen Schichten der Baugrube Mühlräder, Gefäßkeramik, Steingutflaschen sowie eine hölzerne Kammerschleuse aus dem 18. Jahrhundert.
- Juli 2017: Richtfest am neuen Experimenta-Gebäude. Die spektakuläre Form mit den versetzten Ebenen ist schon sichtbar. Der Umbau des Bestandsgebäudes beginnt im September.
- März 2018: Die Experimenta-Macher erklären vor der Presse das Konzept des "Science Centers in neuer Dimension".
- März 2019: Die neue Experimenta soll feierlich eröffnet werden.
250.000 Besucher im Jahr als Ziel

"Wir sind im Zeitplan", sagt Experimenta-Sprecherin Bärbel Renner mit Blick auf den Baufortschritt im neuen Experimenta-Gebäude. Rechtzeitig vor dem Beginn der Bundesgartenschau in Heilbronn (April 2019) sollen die neue und alte Experimenta - die mit einem Tunnel direkt verbunden sind - eröffnet werden.
Einige Zahlen verdeutlichen den besonderen Charakter des neuen Science Centers: Über 4500 Quadratmeter Fläche wird mit interaktiven Angeboten bestückt. Vom Tieffoyer bis zum höchsten Punkt des Gebäudes sind es rund 38 Meter. Die Show- und Experimentalbühne im Science Dome wird 100 Quadratmeter groß sein. Am Ende werden im Experimenta-Gebäude rund 87 Kilometer Datenkabel, 170 Kilometer Stromkabel und etwa 45 Kilometer sonstige Kabel verlegt sein, teilt Michael Respondek mit, Projektleiter bei der Schwarz Campus Service GmbH. Von der Dieter-Schwarz-Stiftung wird die Experimenta finanziert. Baukosten nennt die Stiftung nicht.
In Spitzenzeiten arbeiten 150 Menschen auf der Baustelle
Derzeit sind rund 100 Arbeiter auf der Großbaustelle beschäftigt, in Spitzenzeiten arbeiten 150 Menschen unterschiedlicher Berufe auf dem Areal. Mittlerweile hat die Experimenta rund 110 Vollzeitmitarbeiter aus 40 verschiedenen Berufen. Mit der Eröffnung des neuen Science Centers will das Team Besucher aus ganz Deutschland und auch dem benachbarten Ausland anziehen. Von "einer viertel Million Besucher plus x im Jahr" sprach Geschäftsführer Wolfgang Hansch im Vorfeld.
Um die Gästeströme bewältigen zu können, sucht die Experimenta noch Besucherbetreuer auf 450-Euro-Basis.Infos im Internet: www.alles-ist-moeglich.science
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