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Exklusiv-Interview: Weinpapst Hugh Johnson liebt Lemberger

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Hugh Johnson ist eine der größten Persönlichkeiten der Weinwelt und Begründer der modernen Weinkritik. Am Rande der Buchvorstellung zu seinem zwölf Millionen Mal aufgelegten Klassiker "Der Kleine Johnson" gab er der Stimme ein Exklusiv-Interview.

Hugh Johnson, Kollegin Jancis Robinson und Kilian Krauth. Foto: Christof Herdt
Hugh Johnson, Kollegin Jancis Robinson und Kilian Krauth. Foto: Christof Herdt  Foto: privat

Hugh Johnson bezeichnet sich selbst als Liebhaber deutscher Weine, er übt aber auch unverblümt Kritik am Deutschen Weingesetz von 1971, weil es im Interesse von Großkellereien der Massenproduktion Tür und Tor geöffnet und das Image des deutschen Weins nachhaltig geschädigt habe. Auf Einladung der Heilbronner Stimme weilte Hugh Johnson bereits 1997 in Heilbronn. Nun traf er sich in Mainz zum Exklusiv-Interview mit Stimme-Redakteur Kilian Krauth.

 

Mister Johnson, in Deutschland gelten Sie als Weinpapst und Ihre Bücher sind Bibeln. Wie wird der Wein des aktuellen Jahrgangs 2021 wohl schmecken?

Hugh Johnson: Ich bin kein Prophet. Ich weiß es nicht, er wurde ja gerade erst gelesen und liegt noch im Keller. Also höre ich zunächst einfach darauf, was die Winzer sagen.

 

Und was denken Sie über den Ehrentitel Weinpapst?

Johnson: Ich bin nicht katholisch (lacht). Es handelt sich um einen deutschen Titel. Ich meine, niemand sagt das in englischsprachigen Ländern. Gleichwohl, ich fühle mich natürlich geschmeichelt. Und wenn es hilft meine Bücher zu verkaufen, dann befürworte ich den Begriff sehr.

 

Wie kommt es, dass so viele Engländer so viel über Wein schreiben? In England haben sie gar nicht so viel Wein.

Johnson: Das stimmt. Das ist auch der Grund dafür, dass London als erfolgreiche Stadt, und das schon seit langem, daran interessiert ist, so viele der besten Weine wie möglich aus der ganzen Welt zu kaufen. So ist London schon lange ein weltweiter Hafen der Anerkennung und Kennerschaft des Handels von gutem Wein geworden. Daraus erwuchs ein gewisses Wissen und daraus der Beruf des Weinkritikers.

 

Erinnern Sie sich an den ersten guten Wein, den sie in Ihrem Leben getrunken haben?

Johnson: Nun, nicht im Detail, nein. Aber auf dem Esstisch meiner Eltern stand immer Wein. Und immer, wenn ich diese Frage gestellt bekomme, sage ich, dass ich weiß, dass mein Vater einen bestimmen Bordeaux bevorzugte: von Chateau Les Ormes de Pez in Saint- Estèphe. Das muss wohl mein erster Wein gewesen sein.

 

Wie kam es, dass Sie ein Liebhaber deutscher Weine sind?

Johnson: Das waren wir alle, bis es 1971 eine tragische Veränderung im deutschen Weingesetz und im Stil der deutschen Weine gab. Stichwort Liebfraumilch. Es scheint unglaublich, dass in den 1970er Jahren der billigste Wein, den man in Großbritannien kaufen konnte, aus dem Land mit dem höchsten Lebensstandard in Europa kam. Es war höchst erstaunlich, dass Deutschland bereit war, solche wässrigen und süßlichen Weine zu verkaufen, und zwar aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, wenn ich das richtig sehe.

 

Sie und ich hatten vor 25 Jahren in Heilbronn bei einem Stimme-Forum mit dem Deutschen Weinbaupräsidenten Norbert Weber darüber diskutiert. Ihre Kritik wurde offenbar gehört. Zwar spät, aber immerhin. Wir bekommen nun ein neues Weingesetz.

Johnson: Ich hatte bisher leider noch keine Zeit, es zu lesen.

 

Okay. Was waren denn Ihre Kritikpunkte am Weingesetz 1971 mit der Großlage und den Bereichen und so weiter. Was waren die Punkte, wo Sie sagen, das ist nicht korrekt.

Johnson: Es begann mit der Zerstörung eines guten Systems, das kritisiert worden war, weil es kompliziert war. Aber Wein ist nun mal kompliziert. Es wurde durch etwas ersetzt, das keine physische Realität hatte, Bereiche, Großlagen. Das war ein politisches Konzept und hatte nichts mit Wein zu tun. Und als dieser Verrat an der Tradition geschah, haben viele Leute gesagt: zum Teufel damit.

 

Der Weinkritiker 1997 bei einem Stimme-Forum in der KSK. Foto: Archiv/Veigel
Der Weinkritiker 1997 bei einem Stimme-Forum in der KSK. Foto: Archiv/Veigel  Foto: Krauth

Wie steht es 50 Jahre später um das Image des deutschen Weins in der Welt?

Johnson: Unglaublicherweise, das Image hat sich nicht wirklich erholt. Es ist seltsam, denn Mode kann sich entweder sehr schnell - oder eben unglaublich langsam entwickeln. Wissen Sie, eines Tages kam Neuseeland über Nacht in Mode, und dennoch dauert es Generationen, bis sich die Riesling-Nation von einem wirklich ernsten Moment erholt. Schrecklich.

 

Deutschland steht für Weißwein, aber es gibt auch einige Regionen, die keinen schlechten Rotwein machen. Wie ist es um das Image Württembergs bestellt?

Johnson: Ich glaube nicht, dass Württemberger Weine in großem Stil nach England importiert werden, Graf Adelmann vielleicht. Aber ich habe sehr gute Badener gefunden. Ich war vor zwei Jahren am Kaiserstuhl und war begeistert von den Burgundersorten. Ich denke also, es wäre ein Fehler, Deutschland nur über den Riesling zu definieren, denn es hat so viel anderes zu bieten. Ich persönlich bin ein großer Liebhaber des Silvaners.

 

Was halten Sie speziell von solchen regionalen Rebsorten, etwa von Lemberger, also Kékfrankos, oder Trollinger. Haben sie in der neuen globalen Weinwelt eine Chance?

Johnson: Trollinger eher nicht, aber Lemberger oder Kékfrankos liebe ich. Ja! Wenn man nach Italien schaut und die Wiedergeburt von alten Rebsorten sieht, die ganz lokal waren. Wenn sie ein Winzer gut ausbaut mit einem originellen Geschmack, wenn sie für eine Region stehen, ihre Tradition und ihr Essen im Besonderen, dann hat jede gute Sorte Chance auf Erfolg, auch wenn die Mengen vielleicht nicht so groß sind.

 

Wohin wird sich der Wein in Zukunft entwickeln, vor allem wegen des Klimawandels?

Johnson: Bestimmte Länder, vor allem Deutschland, haben bisher vom Klimawandel eher profitiert. Auch in England machen sie inzwischen ganz guten Wein. Natürlich gibt es Gefahren, wenn sich die Erde weiter erwärmt.

 

Wird es Regionen geben, die den Weinbau wegen der Hitze irgendwann aufgeben werden, Süditalien, Spanien?

Johnson: Das glaube ich nicht. Sie können sich auf verschiedene Art und Weise anpassen: andere Trauben anpflanzen, vielleicht bergauf gehen. Es gibt ja immer wieder fast normale Jahre. Bisher ist jedenfalls noch keine Weinregion am Klimawandel zugrunde gegangen, aber es gibt gewisse Gefahr.

 

Das sehen wir dieses Jahr besonders an der Ahr, wo die Fluten auch Weinberge weggerissen haben und Pilze kaum in Griff zu kriegen waren. Wechseln wir das Thema. Sie haben so viele Weine aus der ganzen Welt verkostet. Erinnern Sie sich an das vielleicht größte emotionale Ereignis auf Ihrer Zunge?

Johnson: Da könnte ich mir leicht eine Antwort ausdenken. Aber die ehrliche Antwort ist nein. Ich hatte zum Beispiel das Privileg, 15 Jahre im Vorstand von Chateau Latour zu sitzen. So habe ich eine Vorliebe für Chateau Latour entwickelt, die bis heute anhält.

 

Entschuldigen Sie, Sir, Sie sind jetzt 82 Jahre alt, oder soll ich sagen jung? Und ich weiß nicht, wie viele Weine Sie in Ihrem Leben getrunken haben, aber es müssen tausende gewesen sein. Es gibt Leute, die sagen, Wein ist Alkohol und ist gefährlich.

Johnson: Ja, ich hatte so manchen Kater.

 

Und wie haben Sie sich in Ihrem Alter so gesund gehalten? Was raten Sie einem normalen Weinfreund, damit er lange lebt?

Johnson: Nun, ich bin maßvoll, wissen Sie, das ist alles, was ich wirklich jedem sagen und raten kann. Und: Stets mehr guten als schlechten Wein trinken, ganz klar!

 
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