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Es gibt sie noch: kleine Kinos in der Region

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Obwohl die Kinobranche seit Jahren schwere Zeiten durchlebt, existieren noch kleine Lichtspielhäuser in der Region. Das gelingt zum Teil nur, weil die Betreiber eine Nische gefunden haben.

Alter Projektor neben der heutigen Abspieltechnik: Der Vorführraum erzählt vom Fortschritt.  Fotos: Nupnau
Alter Projektor neben der heutigen Abspieltechnik: Der Vorführraum erzählt vom Fortschritt. Fotos: Nupnau  Foto: EKKEHART NUPNAU

Kino lebt vom besonderen Erlebnis. Im Fall des Neckarsulmer Scala bedeutet das vor allem eines: moderne Technik über dem Zuschauerraum, historisches Flair drumherum. Schon der Zugang ist legendär: Die Schwingtüren strahlen den Geist der Wirtschaftswunderzeit aus. Die Eintrittskarten werden aus einem eigenen Kämmerchen herausgereicht. Das Treppenhaus zieren historische Filmplakate: Cocktail, Octopussy, Blues Brothers begleiten den Cineasten ins Obergeschoss zum großen Saal. Das Scala mit 129 Sitzplätzen ist im Landkreis Heilbronn das letzte Kino seiner Art. Es überlebt in einer Nische.

Auch Schmuddelfilme hatten im Kino viele Zuschauer

Die Neckarsulmer Filmgeschichte und der technische Fortschritt in der Kinobranche sind am besten im Vorführraum nachzuerleben. Das kleine Zimmerchen führt alles zusammen: die Technik, die Erinnerungen. Filmplakate hängen unter der Decke und erinnern an viele Streifen, die in der Stadt liefen. "Fünf gegen Casablanca" unterhielt die Besucher im Scala genauso wie "Django". Selbstverständlich hatten auch Schmuddelfilmchen wie "Die ersten Sünden sind die schönsten" ihre Zuschauer. Auch von solcher Leichterotik berichtet ein Plakat.

 

Zudem ist der Fortschritt zu erleben. Rainer Hagner, Theaterleiter der Kinostar-Kette, schnappt sich ein orangenes Kästchen. Es ist die Festplatte, auf der ein zwei Stunden langer Film gespeichert ist. Gut 150 Gigabyte an Daten sind darauf vereint, zu greifen und mühelos in einer größeren Tasche zu verstauen. Was war das doch früher anders. Rainer Hagner deutet auf den historischen Projektor, der hier noch verbaut ist, und auf die Rollen, über die Filme früher liefen. "Mittwochs hatten wir viel Arbeit", erzählt er.

Früher sind 18 Minuten Film gut 600 Meter Film

Mit 129 Sitzplätzen ist das Scala ausgestattet.
Mit 129 Sitzplätzen ist das Scala ausgestattet.  Foto: EKKEHART NUPNAU

Die Filme brachte die Spedition, schön verpackt in mehrere Häppchen. 18 Minuten Action waren gut 600 Meter Film. Also klebte er damals erst einmal alles zusammen, um den Film an einem Stück abspielen zu können. Und selbst zusammengeklebt war es noch lange keine Sicherheit, dass tatsächlich alles wie am Schnürchen läuft. Manfred Laukenmann, dem das Scala mit seiner Ehefrau Waltraud gehört, erinnert sich an die Episode mit "Doktor Schiwago". Der sollte in der Neckarsulmer Filmkunstreihe laufen, aber ständig riss er. "Dann zeigten wir Dirty Dancing", sagt Robert Belzner, kreativer Kopf der Veranstaltungsreihe.

Nur noch ein historisches Kino im Landkreis

Das Scala gilt als das letzte historische Kino im Landkreis Heilbronn. Früher gab es die Lichtspieltheater zuhauf. Bad Friedrichshall-Jagstfeld hatte eines, im heutigen Bad Rappenauer Teilort Heinsheim liefen Filme, in Eppingen strömten Besucher ins Rössle, in Heilbronn zog es die Cineasten an die Allee. Neckarsulm hat mittlerweile neben dem Scala noch das Cineplex.

Einst gehörte die Neckarsulmer Kinoszene dem Ehepaar Albert und Elisabeth Laukenmann: Ab 1946 betrieben sie die Filmbühne, 1953 kam das Capitol am Marktplatz hinzu, am 18. März 1960 eröffnete schließlich das Scala mit "Katja, die ungekrönte Kaiserin". Übrig geblieben ist nur das Scala, in das Eigentümer Manfred Laukenmann über einen kleinen Gang vom Zuhause aus gelangt. In sein Kino, in dem er vieles selbst installiert hat. Die Beleuchtung im Saal zum Beispiel. "Die Lampen habe ich hingeschraubt", blickt er sich um.

Stummfilm zum Jubiläum

Am Mittwoch, 18. März, ist "Metropolis" (1926) im Neckarsulmer Scala zu sehen: Das Kino öffnet um 19 Uhr, Filmstart 20 Uhr.

Seit 1997 pachtet die Stuttgarter Kinostar Theater GmbH das Kino, und es funktioniert. Das Scala setzt nicht auf Mainstream. Seit einem Jahr laufen englischsprachige Originalfassungen, auch türkische Filme sind zu sehen, außerdem bringt Robert Belzner mit seiner Filmkunstreihe Hunderte Besucher pro Jahr in die Innenstadt. "Man versucht, die Nische zu finden", sagt Kinostar-Theaterleiter Rainer Hagner.

 


 

Eine Zeit lang schien es, als wäre für das Öhringer Kino Scala die letzte Klappe gefallen. Der Gebäudekomplex beim Öhringer Bahnhof wurde verkauft. Die Pläne sahen alles vor. Nur kein Kino. Das sollte dafür auf der grünen Wiese beim Obi und dem dortigen neuen Verwaltungsgebäude gebaut werden. Ein Großkino an der Peripherie hätte natürlich das Aus für Scala und Holi in der Innenstadt bedeutet.

Unerwartete Wendung beim Öhringer Kino

Doch dann kam alles anders. Im Film heißt das: unerwartete Wendung. Der Spannungsbogen steigt erneut. Das Obi-Verwaltungsgebäude steht, mit beeindruckender und einladender Architektur sogar. Ein Kino aber fehlt. Dafür sitzen nach wie vor die Kinogänger in den roten Samtsesseln im Scala, mümmeln Popcorn und schlürfen Cola zu Neuerscheinungen. Frauen gehen nach wir vor zur Frauenfilmreihe ins Holi.

Der Grund: Der unabhängige Gestaltungsbeirat der Stadt Öhringen hat dem Gemeinderat geraten, die Baupläne des Eigentümers zurückzustellen. Statt Schnellschuss soll nun mit einem städtebaulichen Wettbewerb samt Verkehrskonzeption die Neubebauung des dortigen Quartiers neu geregelt werden. Ob dann ein Kino im Neubau eine maßgebliche Rolle spielt? Das wird die Zukunft zeigen. Kinobetreiber Ralph Gläser ist jedenfalls erst einmal froh, weiter Filmrolle um Filmrolle einlegen zu können.

Mit Herzblut durch schwierige Kinozeiten

"In der Kinobranche muss man Herzblut haben um durch die schweren Kinozeiten zu kommen", sagt Nenad Tomasinjak. Vor allem 2018 war für das Prestige-Filmtheater in Künzelsau so ein katastrophales Kinojahr. "Wir hatten sieben Monate Sonnenschein und keine brauchbaren Filme. Da muss man kämpfen und alle Register ziehen, um die laufenden Kosten decken zu können", betont der Chef des Kinos, der vier Festangestellte und knapp zehn Aushilfskräfte beschäftigt.

Für Tomasinjak ist klar, dass man sich als Kleinstadtkino etwas einfallen lassen muss. Deshalb zeigt das Prestige englische Originalfassungen am Montag, russische und polnische Filme, Anime-Filme, Kunst im Kino und Konzertfilme. "Für ein Kleinstadtkino bieten wir überdurchschnittlich viele Sonderveranstaltungen", betont der Prestige-Chef. Ein Grund, warum das Kino überleben kann.


 

 
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