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Weinjahrgang 2023
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Erntebilanz: 20 Prozent weniger Württemberger Wein als erwartet

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Wetterkapriolen und Marktdruck machen den Wengertern schwer zu schaffen. Die Württemberger Weinmenge liegt weit unter den Erwartungen. Warum nur?

Die meisten Trauben sind gelesen, schneller als gedacht. Ein hoher Fäulnisdruck hielt die Wengerter auf Trab. Wegen der selektiven Lese fällt die Ausbeute im Schnitt um 20 Prozent kleiner aus, als zunächst gedacht. Wo konsequent ausgedünnt wurde, ist mit guten Qualitäten zu rechnen.
Foto: Ralf Seidel
Die meisten Trauben sind gelesen, schneller als gedacht. Ein hoher Fäulnisdruck hielt die Wengerter auf Trab. Wegen der selektiven Lese fällt die Ausbeute im Schnitt um 20 Prozent kleiner aus, als zunächst gedacht. Wo konsequent ausgedünnt wurde, ist mit guten Qualitäten zu rechnen. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Pünktlich zum Finale der Turbo-Traubenlese, die bei den Lauffener Weingärtnern an diesem Donnerstag mit Cabernet- Sorten zu Ende geht, wagte der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) in der Stadt am Neckar eine erste Herbstbilanz 2023.

Von einem "denkwürdigen" Jahrgang und nachdenklich stimmenden Wirtschaftsdaten sprachen allen voran BWGV-Präsident Roman Glaser, der Lauffener WG-Chef Dietrich Rembold sowie Uwe Kämpfer als Vorstandvorsitzender der Württembergischen Weingärtner Zentralgenossenschaft (WZG).

Weit unter dem Erlaubten

Für die 31 Württemberger WGs, die zwei Drittel des 11 300 Hektar umfassenden Anbaugebiets abdecken, beträgt die Ausbeute an 2023er 64 Millionen Liter gegenüber 73 Millionen im Vorjahr. Dies entspricht einem Hektarertrag von nur 88 Hektoliter, gesetzlich erlaubt wären bis zu 110 Liter. Hochgerechnet dürfte es also insgesamt 97 Millionen 2023er Württemberger geben: 20 Prozent weniger als die hohen Erwartungen vor Lesebeginn Anfang September.

Fäulnis hält Winzer auf Trab

Schuld am Schwund sei - neben kleineren Hitzeschäden und teils größeren Mehltau-Ausfällen - vor allem die Fäulnis, die die Wengerter während der Lese schwer zu schaffen machte. Nach dem großen Juli- und August-Regen mit jeweils rund 100 Liter pro Quadratmeter hätten sich die prallen Beeren bei kompakten Trauben gegenseitig zum Platzen gebracht. Deshalb sei eine selektive, aber auch schelle Lese angesagt gewesen.

 

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"Normalerweise rechnen wir mit 30 Lesetagen, diesmal waren es nur 20", berichtete Rembold, der sich bei den Kollegen ausdrücklich für deren "Lesedisziplin" bedankte. Nur so habe man gesundes Lesegut ernten können. Mancherorts seien sogar ganze Vollernter-Ladungen an der Kelter abgewiesen worden, hieß es am Rande. Qualitätsfördernd seien nicht zuletzt die Sonne und die kühlen Nächte gewesen, was Kellermeister Michael Böhm - vor allem beim Weißen - insgesamt auf frische, fruchtige und aromatische Tropfen hoffen lässt.

Trübe Aussichten am Markt

Große Sorgen bereitet den Wengertern die aktuelle Marktlage. So ist der Absatz der Württemberger WGs im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,7 Prozent auf 26,2 Millionen Liter Wein und Sekt gesunken, der Umsatz um 10,6 Prozent auf 83,1 Millionen Euro.

Glaser und Kämpfer führen dies vor allem auf die hohe Inflation und allgemeine Preissteigerungen zurück, wodurch die Verbraucher "sehr preisbewusst agieren". Im Gesamtjahr 2022 hatten die heimischen WGs 65,2 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft und damit etwa soviel wie im Vorjahr, während der Umsatz um 2,2 Prozent auf 201,8 Millionen Euro gesunken war.

 

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Es gibt auch Gewinner

Insgesamt wurde in Deutschland von Januar bis Juli 2023 laut Nielsen IQ Homescan Panels fünf Prozent weniger Wein verkauft, bei deutschen Weinen betrug der Rückgang sogar 11,5 Prozent. Hauptgrund: Die Zahl Wein kaufender Haushalte sank auf 44,8 Prozent gegenüber 47,1 Prozent im Vorjahreszeitraum. "Einziger Lichtblick ist die relativ stabile Konsumintensität, also die Menge, die die verbleibenden Weintrinker konsumieren", so Kämpfer.

Im Gegensatz zum Gesamtmarkt konnte ausländischer Wein mit 0,3 Prozent in der Menge und drei Prozent im Umsatz leicht zulegen. Großer Gewinner ist Spanien mit einem Plus von 15,9 Prozent in der Menge und 12,4 Prozent im Wert. Klarer Verlierer ist mit je rund 15 Prozent die neue Weinwelt, also diverse Übersee-Länder.

Kosten-Erlös-Schere geht weit auseinander

"Gefährlich" ist für Roman Glaser, dass die Schere zwischen steigenden Produktionskosten und sinkenden Erlösen weiter auseinandergehe. So seien mit dem Ukraine-Krieg die Kosten für Energie, Verpackung, Glas, Logistik sowie Dünger und Pflanzenschutzmittel "explodiert". Auch die Erhöhung des Mindestlohns wirke sich gerade in einem Jahr mit aufwendiger Arbeit im Weinberg stark aus. "Doch der Preis für eine Flasche Württemberger spiegelt dies alles nicht wider", betonte Glaser. Umso irritierender sei es, dass der Lebensmitteleinzelhandel aktuell fordere, die "moderaten Preiserhöhungen" des Vorjahres zurückzunehmen. Glaser: "Der Handel darf nicht seine Marktmacht ausnutzen und die heimische Weinwirtschaft gegen internationale Konkurrenz ausspielen. Das ist auch nicht im Sinne unserer Verbraucher, die im Regal regional erzeugte Weine finden wollen."

Gerade die genossenschaftliche Weinwirtschaft sei durch ihre Lieferfähigkeit und Größenstrukturen ein starker und verlässlicher Partner für den Lebensmitteleinzelhandel, der wiederum für den Absatz von großer Bedeutung sei. Gleichzeitig appellierten Glaser, Kämpfer und Rembold einmal mehr an Verbraucher und Politik, die Leistungen der Winzer für "unsere lebenswerte Region stärker zu honorieren".

 

 
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