Erdbeben-Hilfe für Syrien läuft endlich an
Fast scheint es, als würden die Erdbeben-Opfer in Syrien vergessen. Wegen der politischen Lage dort verzögert sich die Hilfe. Das treibt Menschen auch in der Region Heilbronn um.

In der Region bangen Menschen aus der Türkei und aus Syrien nach dem Erdbeben um ihre Angehörigen. Sie trauern um Verstorbene, die nicht gerettet wurden. Die Hilfe für Opfer im syrischen Katastrophengebiet läuft nur schleppend an. Das hat vor allem mit der politischen Lage zu tun.
Gebäude stürzen in Sekundenschnelle ein
Die beiden Schwestern von Noor Khatab erleben die Katastrophe hautnah. Sie sind in der syrischen Millionenstadt Aleppo. Der in Öhringen lebende Khatab übermittelt deren Eindrücke: Als die Erde bebt, seien beide aus dem Haus geflüchtet. "Eine meiner Schwestern hat den Blick auf eine Moschee gerichtet, schaut einen Augenblick weg und als sie wieder hinguckt, ist das Gebäude in sich zusammengefallen", sagt der 26-Jährige.
Von vielen toten Menschen hätten die beiden berichtet. Helfer, die sich in die Ruinen begeben, um nach Verschütteten zu suchen, seien von herabfallenden Trümmern getötet worden. Aus Angst vor weiteren Beben leben viele Menschen auf der Straße. Khatab erzählt von Syrien. Das Nachbarland der Türkei leide seit zwölf Jahren unter einem Krieg. "Sterben ist für uns eine normale Sache." Und jetzt noch ein Erdbeben.
Hilfsorganisationen warten auf offizielle Anfragen

"Als international helfende Organisation gehen wir nie ohne Hilfeersuchen in den Einsatz", erklärt Gerlinde Neubauer vom BRH-Bundesverband Rettungshunde. "Von der Türkei erhielten wir eines und wurden umgehend aktiv." Aus Syrien sei nichts eingegangen. Hilfe für das Land sei schwer zu organisieren, sagt ein Sprecher von "Aktion Deutschland hilft". Einen Teil Syriens kontrolliere Präsident Baschar al-Assad, den anderen Teil Rebellen. "Die Zuständigkeiten sind unübersichtlich."
Außerdem habe Hilfe bislang nur über einen Grenzübergang ins Land gelangen können. Zwischenzeitlich seien zwei weitere Grenzpunkte geöffnet worden, allerdings sei die Lage instabil - "für wie lange diese Grenzpunkte offen sind, ist unklar". Aktuell habe Syrien ein Hilfegesuch gestellt. Das bestätigt die Bundesanstalt des Technischen Hilfswerks. "Wir prüfen gerade, welche Möglichkeiten bestehen, darauf zu reagieren", heißt es am Donnerstagmittag, 9. Februar.
Die Frage eines Hilfegesuchs stellt sich nur für Organisationen, die neu ins Land wollen. Diejenigen, die schon im Land und registriert sind, können mit ihrer Arbeit unmittelbar beginnen. Viele der Hilfsorganisationen im Bündnis "Aktion Deutschland hilft" seien seit vielen Jahren in Syrien präsent.
Aleviten in Heilbronn-Böckingen versuchen zu helfen
Im Erdbebengebiet leben Menschen unterschiedlichen Glaubens und Minderheiten, darunter Aleviten. In ihrem Gemeindezentrum in Böckingen herrscht seit der Katastrophe Hochbetrieb. Menschen laden Kartons bepackt mit warmen Kleidern und Schuhen aus ihren Autos aus. Freiwillige, darunter vor allem Jugendliche, sortieren die Spenden, packen und beschriften die Kartons von Neuem. An diesem Freitag, 10. Februar, sollen Lkw in die Türkei rollen.
Sachspenden nehme man nicht mehr an. Vorstandsmitglieder geben Eindrücke weiter, die sie von vor Ort erhalten. So lebten die Menschen seit Tagen in ihren Autos. Es fehle an Sprit, an Grundnahrungsmitteln. Toiletten seien keine vorhanden. Hilfe aus dem Ausland komme noch nicht an.
Wichtig sind jetzt Geldspenden

Die Gemeindemitglieder sind bedrückt. "Wenn die Menschen dort unten nichts zu essen haben, möchte man hier auch nichts essen", sagt Cicek Sahin vom Frauenvorstand. "Man schämt sich dafür, dass es uns hier so gut geht", sagt Senem Ongur. Traurig, ohnmächtig und hilflos fühlten sie sich. Man würde gerne vor Ort helfen. "Aber man kann dort gerade nichts tun", sagt Hasan Atakan. Finanzielle Hilfe sei jetzt wichtig.
In der Türkei habe es einen Erdbebenfonds über 50 Milliarden Dollar gegeben. Jahrelang habe man dafür eine Erdbebensteuer gezahlt. "Es ist kein Geld mehr im Fond." Wo es hingekommen sei? Er wolle angesichts der Situation nicht politisieren. Es gehe darum, jedem zu helfen. Man dürfe die Menschen in Syrien nicht vergessen. Dort herrsche seit Jahren Krieg.
Flaggen wehen auf Halbmast
Nach dem Erdbeben haben sich viele Städte dazu entschlossen, Flaggen auf Halbmast zu setzen. Auch in Heilbronn. Erschütterung und Betroffenheit löse das Erdbeben aus, veröffentlichte Oberbürgermeister Harry Mergel auf seinem Instagram-Kanal. Da in Heilbronn viele türkische und auch syrische Bürger leben, sei das Katastrophengebiet sehr nah. "Die Gedanken und das Mitgefühl sind bei den Opfern und Angehörigen." Die syrische Flagge, die bis Donnerstagmittag (9.2.) noch fehlte, sei bestellt. Man warte auf Lieferung.


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