Der Eiermann vom Heilbronner Wochenmarkt
Seit 50 Jahren steht Helmut Jaudes mit seinem Wagen auf dem Wochenmarkt vor dem Heilbronner Rathaus. In dieser Zeit hat er schon über 20 Millionen Eier verkauft. Auch in Corona-Zeiten kann er sich auf seine Stammgäste verlassen.

Es ist nasskalt. Mit gefüttertem Wollpullover und Schirmmütze steht Helmut Jaudes in seinem fahrbaren Eierwagen auf dem Heilbronner Wochenmarkt. Dienstags, donnerstags und samstags. Immer am selben Platz vor dem historischen Rathaus. Seine Kunden kennen wie selbstverständlich den Weg über die Pflastersteine des Marktplatzes zu dem etwas zurückhaltenden und stets freundlichen Hühnerhofbesitzer aus Neckarwestheim.
Alles begann an Weihnachten 1971
Helmut Jaudes blickt gedankenversunken auf die Eierboxen aus Pappkarton, in denen weiße und braune, große und kleinere Eier feinsäuberlich sortiert sind. Plötzlich sagt er wegen der Corona-Maske kaum hörbar: "Es war Weihnachten 1971, als meine Schwester Marita und ich an einem Samstag das erste Mal auf dem Heilbronner Wochenmarkt mit einem Eierstand vertreten waren." Es ist der Beginn einer Ära, die ihresgleichen sucht.
Vom Elektriker zum Hühnerbaron
Fünf Jahrzehnte sind seitdem vergangen. "Es waren 50 schöne Jahre", sagt Helmut Jaudes. Dabei sah die Lebensplanung des gebürtigen Waiblingers zunächst ganz anders aus. Der heute 70-Jährige wächst im Stadtteil Neustadt auf und hilft Vater Willi in dessen landwirtschaftlichem Betrieb, macht nebenher aber eine Lehre zum Elektriker. 1968 erwirbt der Vater den 1963 eröffneten Geflügelhof in Neckarwestheim. Die Familie zieht um, Helmut Jaudes findet Arbeit bei der Firma Elektro Kraft im benachbarten Kirchheim. Nach Feierabend oder an Wochenenden hilft er im Geflügelhof mit. 10.000 Hühner müssen gefüttert und gepflegt werden.
Um Kundschaft zu gewinnen, entdecken die Jaudes den Markt in Heilbronn. Ab 1975 verstärkt Ehefrau Renate den Betrieb. Das Geschäft mit den Hühnereiern läuft gut auf den Märkten in Neckarwestheim, Talheim, Ettlingen und Heilbronn. 1980 gibt Helmut Jaudes den Elektrikerberuf auf, steigt in den Geflügelhof ein, den er 1995 vom Vater übernimmt. Er wird zum Heilbronner Wochenmarkt-Urgestein.
Marktbeschicker tragen Streit mit Gurken aus
Nach 50 Jahren Marktleben hat der Eierbaron einiges erlebt und kann so manches erzählen. Knitz schaut er unter der Schirmmütze hervor und plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen: "Es gab mal zwei Beschicker, die wegen Meinungsverschiedenheiten mit Gurken aufeinander losgegangen sind." Wer gewonnen hat, sagt er nicht.
Als die Marktleute auf die Barrikaden gingen
Deutlich humorloser war für alle Beschicker der Bau der Stadtbahnstrecke durch die Kaiserstraße. "Das war hart. Ich war kurz davor, den Markt aufzugeben. Der Umsatz ist damals fast auf null gesunken", hat Jaudes diese Zeit nicht vergessen. Ebenso erinnert er sich an den Streik, als sich die Beschicker 2012 gegen den zugeteilten Ausweichplatz an der Oberen Neckarstraße wehrten: "Da sind wir auf die Barrikaden gegangen."
Verlassen kann sich Helmut Jaudes in Lockdown-Zeiten auf seine Stammkunden: "Die, die immer kommen, kommen auch jetzt", sagt er. Längst hat er nicht mehr nur Eier in der Auslage. Geflügel, Kaninchen Maultaschen, Teigwaren, vegetarische Suppen und Soßen ergänzen in der Kühlbox das Sortiment. Die Frage, wie viele Hühnereier er in den vergangenen 50 Jahren in Heilbronn verkauft hat, beantwortet er ohne nachzudenken: "Das mögen an die 20 Millionen Stück gewesen sein - wenn nicht mehr."
Vier Enkel freuen sich auf den Opa
Ans Aufhören denkt Helmut Jaudes noch nicht: "Ich geh's aber ein bisschen langsamer an", sagt er. Den Markt in Ettlingen hat er wegen der Fahrerei aufgegeben. Und dann sind da noch die Enkel Ben (9), Marie (9), Paul (8) und Oskar (3). "Sie wollen ja auch noch was von ihrem Opa haben", lacht Helmut Jaudes und bedient zufrieden eine Kundin.
Farbe der Eier ist genetisch vorbestimmt
Ein Ei gleicht dem anderen, glaubt der Volksmund zu wissen. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. "Hühnereier können ganz unterschiedliche Farben und Größen haben: weiß, braun oder cremefarben", sagte Helmut Jaudes. Vom Geschmack gebe es keine Unterschiede. Die Farbe der Eier ist genetisch vorbestimmt, bei reinrassigen Hühnern können die hellen oder dunklen Ohrscheiben einen Hinweis geben. Das Verhältnis ist 60 zu 40 zugunsten der braunen Eier. Pro Kopf werden im Jahr im Schnitt 236 Eier gegessen.


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